Herr Wittmann, auf die Anfrage für dieses Interview haben Sie schnell reagiert. Und zwar mit gleich vier Terminvorschlägen. Das ist ziemlich ungewöhnlich. Haben Sie viel Zeit oder gehen Sie besser mit ihr um als andere?
Ich kann ziemlich selbstbestimmt arbeiten – da wäre es ja fast peinlich, wenn ich sagen würde: Tut mir leid, ich habe überhaupt keine Zeit. Morgen fliege ich für drei Tage weg, dann habe ich natürlich keine Zeit für ein Interview. Aber wenn ich hier in Freiburg bin, muss diese halbe Stunde zwischendurch schon drin sein.
Welche Frage ist Ihnen als Zeitforscher in den vergangenen Jahren am häufigsten gestellt worden?
Warum die Zeit immer schneller vergeht, je älter man wird. Aber weil ich darüber besonders intensiv forsche, beantworte ich sie auch gerne immer wieder.
Dann sagen Sie mal …
Es liegt daran, dass wir, je älter wir werden, immer unachtsamer mit Momenten und Erlebnissen umgehen – mit steigendem Lebensalter haben wir Vieles eben schon oft erlebt. Die Besonderheit, die Neuartigkeit eines ersten Mals, wie wir sie in Kindheit oder Jugend spüren, geht bei Vielem verloren. All das, was wir routiniert tun, speichern wir aber nicht als etwas Besonderes in unserem Gedächtnis. Deshalb empfinden wir, als gehe die Zeit im Lauf des Lebens immer schneller um.
Sie befassen sich schon lange mit dem Thema Zeit, finden Sie, es ist heute ein viel größeres als noch vor ein paar Jahren?
Auf jeden Fall hat das Lamento über die Beschleunigung von Alltag und Arbeitslebens in den vergangenen 10 bis 20 Jahren zugenommen. Die Forschung beschäftigt sich natürlich schon seit vielen Jahrzehnten mit der Frage nach unserem Zeitempfinden. Allen voran die Soziologie, aber auch meine Disziplin, die Psychologie.
Die Klage, alles werde schneller, nennen Sie ein Lamento.
Wie die Generation 40 plus, zu der ich übrigens auch gehöre, mit dem Wandel umgeht, hat schon etwas von einem Heulen, ja. Es ist so: Menschen dieses Alters bestimmen einen Großteil der Diskussion über das Thema Beschleunigung. Sie sitzen an den entsprechenden Stellen in Medien und Öffentlichkeit und klagen über die schnellere Gangart, weil sie noch den Vergleich zu früher haben. Meine Generation hat zum Beispiel den Wandel vom Brief zur E-Mail mitgemacht. Auf einen Brief antwortete man innerhalb von zwei, drei Wochen, bei einer E-Mail fragen die Kollegen schon nach einer Stunde, ob man sie nicht gelesen habe? Digital Natives sind in eine andere Geschwindigkeit hineingeboren und empfinden sie als weniger bedrohlich.
Über zu wenig Zeit klagen allerdings auch Schüler oder Rentner. Empfinden immer mehr Menschen Zeit als einen größeren Luxus als Geld?
Das glaube ich nicht. Die meisten Leute haben das Gefühl, sie könnten an ihrem Zeitmangel relativ schnell etwas ändern. Oder an sich selbst un…
Viele haben das Gefühl die Zeit vergehe immer schneller, je älter man wird