Interview mit Kampnagel-Intendantin

„Eine andere Meinung ist kein Angriff“

Amelie Deuflhard mischt sich gerne in die politische Debatte ein – als Intendantin in Hamburg. Ein Gespräch über die Wirkung von Kunst als Initiatorin gesellschaftlicher Auseinandersetzung

Frau Deuflhard, was ist für Sie eine streitbare Frau? Und: Sind Sie eine?

„Streitbar“ ist für mich ein Negativattribut. Eines, das man gerne Frauen zuordnet, die eine klare Haltung haben und ihre Meinung sagen. Ich würde sagen, ich schätze, pflege und praktiziere Streitkultur. Über die Lebens- und Berufsjahre hinweg gibt es immer wieder Fälle, in denen man diskutieren, streiten und sich durchsetzen muss. Das macht mir durchaus Spaß.

Sie sind seit 2007 Intendantin von Kampnagel in Hamburg, Europas größter Spiel- und Produktionsstätte für zeitgenössisches Theater und darstellende Kunst – ein städtisches Theaterhaus. Verstehen Sie Ihren Job als tägliche Einmischung in die öffentliche Debatte?

Das steht so sicher nicht in der Stellenbeschreibung. Aber es ist das, wofür ich mit meiner künstlerischen Arbeit stehe. Und das wusste auch jeder, der meine Bewerbung damals in die Hand bekommen hat.

Vor Kampnagel arbeiteten und lebten Sie viele Jahre in Berlin, wo Sie sich mit der Bespielung des Palastes der Republik öffentlich politisch positioniert haben. Hat man Sie später nach Hamburg geholt, damit Sie auch dort die gesellschaftliche Debatte auf Schwung bringen?

In Hamburg regierte damals die CDU und ich rechnete damit, dass meine Lust auf Einmischung gegen mich sprechen könnte. Denn dass ich mich nicht zurückhalten würde, hatte ich von Anfang an gesagt.

Würde eine politische Intendantin, die sich so gerne wie Sie einmischt, auch an ein klassisches Stadttheater berufen?

Das Klima hat sich verändert, auch Stadttheater sind nicht mehr nur Repräsentationsflächen des Großbürgertums. Wenn ich es darauf anlegte, könnte ich sicher auch ein klassisches Stadttheater bekommen. Ich würde das Programm dann aber ganz sicher anders gestalten … Und ich verstehe im Übrigen auch Kampnagel als ein Stadttheater im besten Sinne. Zum einen wird es, wie das Thalia Theater und das Schauspielhaus, von der Stadt Hamburg finanziert. Aber auch inhaltlich gesehen sind wir ein Stadttheater: Wir interessieren uns extrem für die Konflikte und Konfliktfelder Hamburgs. Über sie zu diskutieren ist meiner Meinung nach das Wichtigste, was wir in Deutschland gerade brauchen.…

„Junge Menschen diskutieren erhitzter und emotionaler“ – ein Gespräch über die Wirkung von Kunst in politischen Debatten

Christiane Langrock-Kögel

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