Apps gegen Greenwashing
Wie öko sind die neuen Winterboots? Wie fair produziert die Bluetooth-Kopfhörer? Bei der Einordnung helfen Websites und Apps. Hier findest du eine Auswahl für mehr Durchblick. Und auch für Unternehmen gibt es Tools, um Nachhaltigkeitsdaten zu sammeln, zu verifizieren und verständlich in digitale Zertifikate zu übersetzen.
goodonyou.eco
Tausende Modefirmen hat goodonyou.eco auf ihre ökologischen und ethischen Versprechen hin geprüft und bietet ein übersichtliches Rating. Neben bekannten Marken wie Armedangels („sehr gut“) oder Patagonia („gut“) finden sich hier auch kleinere Firmen wie das österreichische Label Anne Hermine („sehr gut“).
siegelklarheit.de & Nabu Siegel-Check
Siegelklarheit.de, ein Projekt des Bundesentwicklungsministeriums, bewertet Siegel. Vom Blauen Engel für Laptops bis zur Fairwear Foundation (beides eine „sehr gute Wahl“) finden sich hier auch übersichtliche Informationen zu bisher nicht eingeordneten Labeln. Klarheit über einzelne Label liefert außerdem die App Nabu Siegel-Check.
Yuka & Codecheck & ToxFox
Wer im Supermarkt flink Inhalts- und Zusatzstoffe verstehen möchte, dem helfen Apps wie Yuka oder Codecheck. Ob in der Bodylotion oder dem Duschgel Mikroplastik oder hormonelle Schadstoffe stecken, verrät dir die App ToxFox des Bunds für Umwelt und Naturschutz – du brauchst nur den Strichcode des Produkts zu scannen.
wherefrom.org & overlook.one
Selbst gefragt als Konsument:in bist du wiederum auf der poppig-bunten Plattform wherefrom.org: Hier kannst du eine breite Palette an Produkten bewerten, angefangen von Hundefutter über Tampons bis hin zu Restaurantketten. Ähnlich funktioniert overlook.one, wo du als Nutzer:in anhand von persönlichen Erfahrungen oder auch basierend auf Zeitungsartikeln und Dokus Unternehmen
einschätzen kannst.
Das Unternehmen Provenance
Greenwashing stellt nicht nur Konsument:innen vor Herausforderungen. Einige Firmen blicken selbst kaum mehr durch. Das Londoner Unternehmen Provenance hat ein digitales Tool geschaffen, das Nachhaltigkeitsdaten sammelt und gegebenfalls über Dritte (etwa Labore oder NGOs) verifizieren lässt, in verständliche Botschaften übersetzt und nutzer:innenfreundlich darstellt. Provenance selbst ist mit dem internationalen Nachhaltigkeitszertifikat B Corp ausgezeichnet.
Mithilfe von Blockchain-Technologie werden digitale Informationen aus Herstellung, Transport und Verkauf dezentral gespeichert und mit dem Produkt einer Firma verknüpft. So liegen sie in Echtzeit vor, sind fälschungssicher und können jederzeit eingesehen werden. Provenance kann damit diverse Aspekte entlang der Lieferkette bestätigen: von CO2-Neutralität über vollständig recycelbare Verpackungen bis zu einer fairen Bezahlung.
Die Unternehmen erhalten so digitale Zertifikate für ihre Onlineshops, die anzeigen, inwieweit ein Produkt nachhaltigen und
sozialen Standards entspricht. Kund:innen können auf die Zertifikate klicken, um mehr Informationen zu erhalten. Auf Produktverpackungen ist das durch QR-Codes gewährleistet.
Die Ingenieurin Jessi Baker hat das Sozialunternehmen Provenance 2013 gegründet. Heute nutzen über 200 Marken ihre Technologie, darunter Douglas, Unilever und Arla.
Skandinavischer Domino-Effekt
Norwegen zählt zu den reichsten Ländern der Welt und wird gerade noch reicher. Denn Wohlstand und Wirtschaftskraft sind eng an die großen Gas- und Ölvorkommen des Landes gekoppelt. Der Grund für dicke Gewinne ist der russische Angriffskrieg und die damit verbundene Energiekrise auf dem europäischen Kontinent. Equinor (früher Statoil), der für die Förderung zuständige Staatskonzern, meldete im Juli Rekorderträge: 17,6 Milliarden Euro – im Quartal. Klar, dass gerade Skandinavier:innen zwischen Oslo und Tromsø großes Vertrauen in genau jene fossilen Industrien haben, so das Ergebnis einer aktuellen EU-Umfrage. Passend dazu kam durch die Befragung auch raus: Vier von zehn Norweger:innen glauben nicht an die menschengemachte Klimakrise. Puh, nicht schön.
Gut ist dagegen, dass die Verantwortlichen des Norwegischen Staatsfonds – denn dahin fließt das eingenommene Geld aus der Erdölförderung – daran offenbar keinen Zweifel haben. Der Fonds ist 1,2 Billionen Euro schwer und hält Anteile an mehr als 9.000 Unternehmen in 70 Ländern. Ethische Aspekte sind für die Auswahl wichtig, Investitionen in die Rüstungs- oder Tabakindustrie ausgeschlossen. Da aber nur zehn Prozent der Unternehmen im Portfolio anstreben, klimaneutral zu werden, will der Fonds als Miteigentümer stärker mitbestimmen, folglich entsprechende Pläne einfordern – und Unternehmen ansonsten aus dem Fonds werfen. Das Ziel: „Netto-Null-Emissionen bis spätestens 2050 für alle Unternehmen“.
Neben vielen deutschen Unternehmen wie BASF, Vonovia oder Volkswagen gehören auch Konkurrenten wie ExxonMobil und Shell zu den Adressaten der Ansage. Mit einer kleinen Zahl, die große Wirkung verspricht, gesagt: Bei einer gehaltenen Aktienmenge, die 1,3 Prozent der weltweiten Marktkapitalisierung aller börsennotierten Unternehmen entspricht, wäre der Hebel ziemlich groß.
ClientEarth und der Aufstand des Geldes
Die Umweltrechtsorganisation ClientEarth legt sich mit dreckigen Konzernen wie BP und Total an, um Greenwashing zu verhindern. In manchen Fällen sogar, indem sie Aktionärin wird.
Solarparks glänzen romantisch im Sonnenuntergang, ein süßer Hund streckt seine Schnauze in den Wind, im Hintergrund sprießen Windräder aus dem Boden wie Blümchen: So bewarb BP sein Geschäft 2019. Motto der globalen Kampagne: „Keep Advancing“ (Weiter vorangehen). Nicht bemerkt? Könnte daran liegen, dass sie der Ölkonzern schnell wieder entfernte. Die Umweltrechtsorganisation ClientEarth hatte sich bei der zuständigen staatlichen Behörde in Großbritannien, NCP, beschwert und damit für Furore gesorgt: Ein Konzern, der immer noch 96 Prozent seiner Jahresausgaben in Erdöl und Gas steckt, geht nicht voran.
Ein Teil der spendenfinanzierten Arbeit von ClientEarth besteht darin, Unternehmen mit rechtlichen Mitteln zu mehr Klimaschutz zu zwingen. Neben ihrer Rolle als Greenwashing-Schreck (Beispiel BP) will die NGO umweltschädliche Projekte verhindern. Dafür fährt sie eine trickreiche Strategie: Als Anteilseignerin verschmutzender Unternehmen kann sie von innen heraus Druck machen.
So konnte etwa der Bau eines Kohlekraftwerks durch den Energiekonzern Enea in Polen gestoppt werden. Als Enea-Aktionärin argumentierte ClientEarth vor Gericht: Investments in Kohlekraftwerke würden angesichts steigender Kohlenstoffpreise und günstigen Ökostroms ein zu großes finanzielles Risiko darstellen.
Würden mehr Investierende ihre Rechte wahrnehmen, könnte das ein großer Hebel werden, sagt Paul Benson, Jurist bei ClientEarth. Denn in Aktiengesellschaften dürfen diese klimabezogene Beschlüsse einbringen. Gibt die Hauptversammlung grünes Licht, müssen Vorstandsvorsitzende handeln. Ein Leitfaden von ClientEarth fasst die rechtliche Lage zusammen. Paul Benson: „Selbst wenn man den Erfolg eines Unternehmens rein profitorientiert betrachtet, stellt die Klimakrise ein erhebliches Risiko dar. Das erkennen Anteilseigner:innen langsam – und wollen ihr Geld schützen.“
Apps und Siegel liefern Klarheit beim Einkauf: Welche Wahl ist wirklich nachhaltig?