Mein erstes Mal

Veganen Käse züchten

Vegane Käsealternativen sind oft teuer – und nicht immer käsig genug. Aus Cashews, Kokosöl und Schimmelkultur lässt sich tierleidfreier Camembert selber herstellen. Ein „Cashewbert“-Tagebuch.

„Ohne Käse könnte ich niemals leben!“. Das dachte ich lange, bevor ich Veganerin wurde. Und jetzt steh ich hier in meiner Küche, den Mixer in der Hand und versuche aus Cashews, Kokosöl und Schimmelkultur einen veganen Camembert zu zaubern. Drei Wochen lang braucht der „Cashewbert“ meine Aufmerksamkeit und muss täglich gewendet werden. Das ist es mir wert. Eine unter Veganer:innen bekannte Alternative: Hefeflocken, die schmecken auch käsig-herzhaft. Und sind ganz schön trocken.

Meine über Nacht eingeweichten Cashewkerne mixe ich mit frischem Wasser und Kokosöl. Statt Cashews hätte ich auch Sonnenblumenkerne oder Mandeln als Basis verwenden können, je nach Geschmack. Damit die Masse eine schützende Schimmelschicht bilden kann, muss ich sie mit einer Messerspitze Weißschimmelkultur impfen. Hinzu kommt der Inhalt von vier Probiotikakapseln, damit probiotische Bakterien die Milchsäuregärung einleiten. Ich fühle mich wie eine Chemikerin im Labor, nur ohne weißen Kittel und Schutzbrille. Die leicht körnige Masse muss nun bis morgen früh in einem luftdichten Gefäß fermentieren. 

Damit mein beiger Brei die typische Camembert-Form annimmt, lege ich runde Dosen mit Mulltuch aus und fülle die leicht säuerlich riechende Masse hinein. Ein friedliches und ästhetisches Bild, wie mein selbstgemachter Käse dort liegt, gemütlich gebettet in naturfarbenem Baumwolltuch. Den Geschmackstest besteht er allerdings nicht. Eine Frage der Zeit? 

Am nächsten Tag bestreue ich beide Käseseiten mit etwas Salz und platziere sie auf einem Stück Backpapier. Zwei meiner Weihnachtskeksdosen halten als Käseglocken her: Abgedeckt können meine beiden Laibe im Kühlschrank vor sich hin atmen und fröhlich schimmeln. Die Bezeichnung Käse ist für meine Cashewlaibe eigentlich gar nicht zulässig. Der Europäische Gerichtshof hat verfügt: Käse heißt nur, was aus den Milcherzeugnissen der Euter von Säugetieren hergestellt wurde. Aber diese Regel gilt nur für pflanzlichen Käse, der auch verkauft werden soll. 

Jeden Tag muss ich meine beiden Laibe wenden, das Schwitzwasser aus den Käseglocken wischen und sie wieder zurück in den Kühlschrank stellen. An Tag fünf werde ich langsam ungeduldig. Kein Schimmel weit und breit. Alles, was dieser Käse tut, ist schwitzen. Ich bin schon fast ein bisschen enttäuscht. An Tag acht wird mir bewusst, dass ich geduldiger sein muss: Plötzlich sind da flauschige weiße Flecken. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich mal so über schimmelnde Lebensmittel freuen würde.

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Auch bei Good Impact: 12 Fragen an die vegane Köchin Sophia Hoffmann

Nach zwei Wochen bette ich meinen Cashewkäse auf einer Bambusmatte, damit er besser atmen kann. Sie sehen wirklich schon wie Camemberts aus – tierleidfreie Camemberts. Eine Milchkuh muss jedes Jahr ein Kalb gebären, damit sie wirtschaftlich rentabel ist. Um die Milch nutzen zu können, werden Mutter und Kalb voneinander getrennt. Mit fünf Jahren ist das Muttertier zu alt und wird geschlachtet. 

Nach drei Wochen kann ich meinen pflanzlichen Käse endlich essen. Der große Laib hat an zwei kleinen Stellen immer noch keinen Schimmel, sondern nur rötlich-schimmernde, feuchte Stellen. Bestimmt, weil ich da mit meiner Fingerspitze dran gekommen bin. Der Käse darf eigentlich nicht berührt werden, um vor fremden Bakterien geschützt zu sein. Macht nichts, ich schneide die Stellen einfach raus und probiere trotzdem. 

Die Vorfreude auf den Käse ist groß. Nach drei Wochen Wenden und Warten ist endlich die Zeit für den Geschmackstest gekommen.
Foto: Eva Leonhard

Als ich die Messerspitze an die flauschige Schimmelschicht ansetze, klopfe ich mir imaginär auf die Schulter: der Cashewbert sieht wirklich aus wie Käse, er ist nur ein bisschen gräulicher als herkömmlicher Camembert. Ich schiebe mir ein Stück in den Mund und bin sprachlos. Ein nussig-käsiger Geschmack zergeht auf meiner Zunge. In der Mitte ist der Käse noch recht weich und hat einen leicht pikanten Nachgeschmack. Die Schimmelschicht ist fest und würzig. Mein liebevolles, tägliches Wenden hat seine Wirkung gezeigt. Viel Aufwand, viel Geschmack. 

Ich wickle meinen Schimmelkäse in Backpapier, damit ich ihn auch die nächsten Tage genießen kann. Zehn Minuten später tigere ich nochmal zum Kühlschrank. Nur noch eine kleine Ecke. Ich kann wirklich nicht ohne Käse leben.

Lust bekommen, auch mal einen pflanzlichen Käse zu züchten? Die Rezeptesammlung im Internet ist groß, ich habe mich für dieses Rezept von Smarticular entschieden.

Auch in unserem Podcast „Good News“ geht es in der Folge vom 31. März um vegane Alternativen zu Käse, Fleisch und Eiern. Du findest den Podcast auf Spotify, Apple Podcasts und überall da, wo es Podcasts gibt. Den RSS-Feed findest du hier

Foto: Eva Leonhard

Drei Wochen muss der vegane Camembert im Kühlschrank reifen und kann dabei fröhlich Schimmel bilden. Der Aufwand ist groß, aber der Käse sieht gut aus. Schmeckt er auch?

Jana Uther

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