Digitale Währung

Gibt es in China bald kein Bargeld mehr?

Chinas Regierung hat die Tests für digitales Geld ausgeweitet. Der digitale Yuan könnte bereits 2022 bei den Olympischen Winterspielen in Peking zum Einsatz kommen.

Was in der EU noch ein wenig länger dauert, könnte in China bald Realität sein: die Einführung einer digitalen Währung, die eines Tages Bargeld komplett ablösen könnte. Schon jetzt wird regelmäßig ungläubig beäugt, wer in Chinas Großstädten an der Kasse nach Scheinen und Münzen kramt. Zahlreiche junge Menschen zahlen meist überhaupt nur mehr mit dem Smartphone.

Nun experimentiert die chinesische Regierung mit dem elektronischen Yuan – auch bekannt unter dem Namen Digital Currency Electronic Payment (DCEP) – in Megastädten wie Shenzhen, Suzhou, Chengdu, Xiong’an und Hongkong. In Suzhou mit seinen rund vier Millionen Einwohnern wurden dieser Tage über ein Gewinnspiel digitale Yuan an die Bevölkerung ausgegeben – die bis zum 27. Dezember in Geschäften ausgegeben werden konnten. Die Bürger können das Geld über eine App verwenden und in rund 10.000 Shops damit zahlen – sowohl online als auch offline, etwa bei Netzwerkproblemen.

Update

Vom 1. bis 4. Januar 2021 verloste die Stadt Shenzhen zum dritten Mal 100.000 digitale Yuan mit einem umgerechneten Wert von je 20 US-Dollar. Über eine App können die Gutscheine heruntergeladen und vom 7. bis 17. Januar in mehr als 10.000 regionalen Läden, Supermärkten und Restaurants eingelöst werden.

Zentral gesteuert

Anders als die dezentrale und anonyme Kryptowährung Bitcoin oder Diem (ehemals Libra) – eine vom US-Konzern Facebook geplante digitale Währung – ist der digitale Yuan ein staatliches Projekt, das zentral gesteuert wird und damit auch der Kontrolle der Kommunistischen Partei unterliegt. Geht es nach der Regierung, soll das Geld nicht nur national, sondern auch international zum Einsatz kommen. Es könnte „zur zukünftigen Weltwährung” werden und damit den US-Dollar als Weltwährung verdrängen, glaubt man in Peking.

Die chinesische Regierung wird auch nicht müde, die Vorteile einer solchen digitalen Währung zu betonen: mehr Kontrolle über den Finanzsektor und eine genauere Überwachung von Geldströmen – offiziell, um dadurch Geldwäsche und Terrorismus besser bekämpfen zu können, aber wohl auch, um die eigene Bevölkerung genauer zu überwachen. Zudem soll der digitale Yuan ein Gegenmodell zu Diem und anderen Kryptowährungen sowie eine Absicherung für bereits jetzt verfügbare Zahlungsmöglichkeiten wie Alipay und Wechat Pay sein.

Digitaler Euro in EU

Auch in der EU liebäugelt man bereits seit einiger Zeit mit der Einführung eines digitalen Euro durch die Europäische Zentralbank (EZB). Dieser soll bei Bedarf helfen, die Souveränität und Finanzstabilität der Eurozone zu sichern, erklärte vor kurzem die EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Zudem soll er den dezentralen Kryptowährungen Paroli bieten.

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Der digitale Euro würde technisch auf der Blockchain-Technologie basieren, im Gegensatz zu Bitcoin aber unter der Aufsicht der EZB stehen. Die digitale Währung soll jedoch Bargeld nicht ersetzen, sondern damit koexistieren können. Ganz anders der Ansatz in China, wo der digitale Yuan mittlerweile von 50.000 Bürgern getestet wird und Bargeld eines Tages komplett ablösen soll.

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Bargeld als Strafe

Dass Bargeld in China schon seit längerem out ist, bewies auch ein kurioser Gerichtsfall von vergangenem Monat. Das Gericht in Guangdong verurteilte 2.400 Kriminelle, die die Codes von Debit- und SIM-Karten geknackt und auf dem Schwarzmarkt verkauft haben sollen, zu einer besonderen Strafe: Die Rechtsbrecher dürfen in den nächsten fünf Jahren weder mit dem Smartphone noch mit der Kreditkarte zahlen. Ihnen bleibt nur mehr das Bargeld.

Verstehen kann die Strafe nur, wer den alltäglichen Zahlungsverkehr Chinas kennt: Wer in Peking oder Schanghai einen Kaffee kaufen möchte, muss dies in vielen Fällen bereits mit einer Smartphone-App tun. Auch Hotelrechnungen, Zugtickets und Essensbestellungen lassen sich meist nur mehr digital zahlen.

Mittel zur Überwachung

Während die Regierung die digitale Währung gerne als Werkzeug zur Armutsbekämpfung darstellt – beispielsweise indem auch ländliche und ärmere Regionen einen besseren Zugang zu Finanzmitteln haben sollen –, braucht es nicht viel Fantasie, um die Funktion einer digitalen Währung auch für das chinesische Überwachungssystem zu sehen.

Schon seit Jahren arbeitet die Regierung an dem sogenannten Sozialkreditsystem, das mittels eines Punktesystems Strafen für Steuervergehen oder auch regierungskritische Kommentare vorsieht und das bald landesweit funktionieren soll. Regierungskritikern könnte so schnell der Zahlungsverkehr abgedreht und diese damit zur „Konformität” gezwungen werden, so die Befürchtungen.

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Schub durch Corona

Die Entwicklung erhält durch die Corona-Pandemie und den Boom des E-Commerce-Sektors im Land zusätzlichen Schwung. Auch global könnte der digitale Yuan bald Anhänger finden, indem er Entwicklungsländern schnellere Überweisungen und niedrigere Transaktionsgebühren verspricht.

Dass es dabei um einen globalen Wettbewerb geht, verdeutlicht auch die Ankündigung der chinesischen Regierung, den digitalen Yuan bereits 2022 bei den Olympischen Winterspielen in Peking testen zu wollen. Die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit wäre der Pekinger Regierung damit sicher.

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Dieser Text erschien zuerst in Edition Zukunft von Der Standard, dem Online-Magazin über das Leben und die Welt von morgen.

Bild: imago images / photothek

Die heutige Währung in China heißt seit 1949 Renminbi („Volksgeld“), die Einheit ist der Yuan. Doch der digitale Yuan könnte das Bargeld in China bald ablösen.

Jakob Pallinger, Der Standard

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