Geheimagent 007 wird bei der Verbrecherjagd fortan auf Strom setzen. Im nächsten Kinofilm kämpft James Bond mit einem Aston Martin mit Elektroantrieb gegen das Böse, meldet das Magazin „Auto, Motor & Sport“. Up to date, der Mann.
Elektromobilität ist also auf der Kinoleinwand angekommen, auf Deutschlands Straßen allerdings noch nicht so recht. Eine Million E-Autos bis 2020 gab Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Jahren als Ziel aus; inzwischen hat sie sich selbst auf 2022 korrigiert. Beim Kraftfahrtbundesamt waren zum 1. Januar 2019 erst 83.175 Elektroautos gemeldet, hinzu kommen noch einmal 66.997 Autos mit Plug-in-Hybridmotor, die zusätzlich über einen Verbrennungsmotor verfügen.
Der schleppende Verkauf rührt vor allem daher, dass viele Autohersteller bislang gar keine Stromer in ihrem Portfolio hatten. Das ändert sich gerade. Auf dem Internationalen Automobil-Salon in Genf präsentierten im März zahlreiche Anbieter jene Modelle, mit denen sie im kommenden Jahrzehnt ein emissionsfreies Fahren ermöglichen wollen. VW, zentraler Akteur des Dieselskandals, fordert inzwischen sogar lautstark von der Bundesregierung, künftig ausschließlich Batteriefahrzeuge zu fördern.
Dieser Sinneswandel kommt nicht freiwillig. Um die Klimaschutzziele der Pariser Verträge zu erreichen, zwingt die Europäische Union die Industrie zum Bau sparsamerer, klimaschonenderer Autos. Das nächste Etappenziel für Neuwagen lautet: durchschnittlich maximal 95 Gramm Kohlendioxid Ausstoß pro Kilometer. Wer diese Marke 2021 reißt, muss saftige Strafen zahlen. Aber von diesem Zielwert sind deutsche Hersteller noch meilenweit entfernt: Der durchschnittliche CO2-Ausstoß der in Deutschland neu verkauften Pkw lag laut Umweltbundesamt im Jahr 2017 bei rund 127 Gramm pro Kilometer.
Nicht die Energiemenge ist das Problem
Die in Genf vorgestellten E-Autos ähneln vom Aussehen her noch sehr herkömmlichen Benzinern. Aber sie haben das Potenzial, die Verkehrs- und Energiewelt umzukrempeln. Denn geschickt in die Energieversorgung eingebunden, können sie dazu beitragen, teuren Netzausbau zu vermeiden – oder zumindest zu verringern.
„Rein von der nötigen Energiemenge betrachtet ist Elektromobilität keine überragend große Herausforderung“, sagt Alexander Nollau, Abteilungsleiter Energie der „Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik“ in Frankfurt am Main. Der tägliche Bedarf pro Fahrzeug liege im Durchschnitt bei 7 Kilowattstunden. Geht man rein rechnerisch von 40 Millionen E-Fahrzeugen auf Deutschlands Straßen aus, würde die für ihren Betrieb benötigte elektrische Energie den heutigen Jahresstrombedarf in Deutschland um etwa 16 Prozent erhöhen.
Um den Klimazielen zu dienen, muss diese Energie selbstverständlich aus erneuerbaren Energieträgern stammen. „Die eigentliche Herausforderung liegt darin, die benötigte Energie intelligent zu verteilen“, sagt Experte Nollau. Wenn immer mehr Menschen auf Elektroautos umsteigen, könnten viele Niederspannungsnetze an die Grenze ihrer Kapazität geraten, warnt eine Analyse der Strategieberatung Oliver Wyman und der TU München.
In ihrem Papier gehen die Autoren davon aus, dass insbesondere in den eher gutsituierten Stadtrandlagen bereits in fünf bis zehn Jahren eine E-Auto-Quote von 30 Prozent erreicht werden könnte. Je nach Modell ziehen E-Autos allerdings bis zu 22 Kilowatt aus dem Netz. Für solche Lasten sind viele örtliche Stromnetze nicht ausgelegt. Wenn in diesen Gegenden nichts unternommen wird, „muss man ab 2032 mit flächendeckenden Stromausfällen“ rechnen, warnt der Bericht.
Gehen also bald die Lichter aus, wenn Millionen Elektroautos abends um 18 Uhr geladen werden? „Unser Ansatz ist, das nicht theoretisch zu überlegen, sondern vor Ort in der Praxis zu beobachten, die Situationen durchzuspielen und daraus zu lernen – bevor es real wird“, sagt Eric Junge, Ingenieur im Bereich Netzintegration Elektromobilität bei Netze BW, einem Tochterunternehmen des Energiekonzerns EnBW.
Netzausbau: Erste Experimente mit E-Autos
Aus diesem Grund hat das Unternehmen in Ostfildern, einem Vorort von Stuttgart, zehn Haushalte mit E-Autos und Ladeinfrastruktur ausgestattet. Ostfildern ist ein typisches Wohngebiet mit Eigenheimen. Laut der Wyman-Studie werden in solchen Vierteln zunächst einmal die meisten Elektroautos unterwegs sein. Die Bewohner der Belchenstraße, wo der Feldversuch stattfand, sind vor allem Familien mit Kindern, junge Paare und Rentner. Die Ingenieure und Wissenschaftler wollten ihr Ladeverhalten analysieren – und dessen Auswirkungen auf das Stromnetz.
„Das gefürchtete Szenario ‚Alle laden auf einmal auf und alle Fahrzeuge ziehen volle Leistung‘ kam gar nicht vor. Wir hatten maximal die Hälfte der Fahrzeuge gleichzeitig an den Ladestationen“, bilanziert Ingenieur Junge.
Zusammenfassend lässt sich sagen: In 70 Prozent der Zeit lädt gar kein Fahrzeug, weil sie entweder unterwegs oder voll sind. Die Ursache ist die unterschiedliche Nutzung der Fahrzeuge. Pendler brauchen den Wagen täglich, andere nutzen ihn nur, um die Kinder nachmittags irgendwo hinzufahren. Allein dadurch unterscheiden sich die individuellen Ladezeiten stark.
„Zum anderen sind Menschen einfach verschieden“, sagt Eric Junge. Der eine steckt den Stecker reflexartig rein, sobald auch nur ein paar Prozent weniger im Akku sind. Der andere fährt den Akku so lange herunter, bis nur noch eine einstellige Prozentzahl dasteht.“
Doch wie lassen sich gefährliche Lastspitzen entschärfen? Dazu hat Junges Arbeitgeber …
… Ihr wollt weiterlesen? Wie Elektroautos als mobile Stromspeicher dienen können und wieso E-Mobilität allein nicht die Lösung des Problems ist, lest Ihr in unserem Heft 02/19 mit dem Schwerpunkt „Mobilität“ – dort gibt es auch weitere Texte zum Thema.
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