Seit Mitte des 18. Jahrhunderts und bis 1945 bewirtschaftete die Familie von der Osten den Blumberger Wald im Norden Brandenburgs. Das Herz meines Großvaters Henning schlug so sehr für den Wald, dass er als promovierter Volljurist in Eberswalde noch Forstwirtschaft studierte. Ihm war bewusst, dass der Wald im Spannungsfeld zwischen sozialer und ökologischer Verantwortung sowie wirtschaftlicher Notwendigkeit steht. Er ließ ein Drittel des Blumberger Waldes unter Naturschutz stellen. Die Satzung, die er seinerzeit aufsetzte, diente nach der Wiedervereinigung als Vorbild für viele Naturschutzgebiete in ganz Brandenburg.
1997 kaufte die Familie einen großen Teil dieses Waldes vom Staat zurück. Heute bewirtschafte ich ihn. In diesen Herbsttagen gehe ich besonders gern, am liebsten unmittelbar nach dem Regen, durch unseren Wald. Dann duftet es intensiv nach feuchtem Laub. Es sind klitzekleine Schimmelpilze im Erdboden, die wohlriechende Öle hervorbringen, die nach dem Regen die Luft so wunderbar anreichern. In solchen Momenten ist mir bewusst, dass Abermillionen Kleinstlebewesen die Grundlagen der Pflanzen- und Tierwelt im Wald bilden. Es mag abgegriffen klingen, aber im Wald, nach Regen, wird einen mit allen Sinnesorganen vermittelt, was Nachhaltigkeit bedeutet. Dieser Oberboden ist so vital, so fruchtbar, dass wir ihn als Mutterboden bezeichnen. Bodenkundler sehen ihn mit seinen Mikro- und Makroorganismen (jene, die man mit bloßem Auge erkennen kann, wie Insekten und Schnecken) als Voraussetzung des Lebens auf Erden. Mit anderen Worten: ohne Wald auch kein Mensch.
Wenn ich persönlich an den Wald denke, denke ich nachrangig an wirtschaftliche Kategorien. Für jemand, der wie ich sein Berufsleben lang mit Kapitalmärkten zu tun hat, ist das sicher ungewöhnlich. Ich denke weit mehr daran, wie meine Maßnahmen sich in der nächsten und übernächsten Generation auswirken könnten. Die märkische Kiefer hat einen Produktionszyklus von 130 Jahren, die Eiche von etwa 160 Jahren – Entscheidungen, die ich heute im Wald treffe, wirken bis weit ins nächste Jahrhundert hinein.
So faszinierend dieser Blick in die ferne Zukunft auch ist, er limitiert natürlich die Optionen für die unmittelbare Gegenwart. Der Wald bleibt eine Kapitalanlage mit eingeschränkten Entwicklungsmöglichkeiten und Renditen. Allerdings genießt der Waldbesitzer in einer Hinsicht eine unendliche Freiheit: Er untersteht keinem Vermarktungszwang. Er kann weniger Holz verkaufen, wenn die Holzpreise niedrig sind, und mehr einschlagen, wenn die Preise anziehen. Die Kuh muss gemolken, das Getreide geerntet werden – aber der Baum kann stehen bleiben und wächst weiter vor sich hin.
Waldbaden und Waldspaziergänge sind en vogue
Auch bei Städtern ist der Wald gerade en vogue. Waldbaden und Waldspaziergänge sind hip, Jagdschulen prosperieren, Wildbret wird gegrillt, exotisch gewürzt und verschlungen. Die Begehrlichkeiten wachsen dynamisch: Jeder will Pilze sammeln, Adlerhorste entdecken, seltene Waldblumen finden und – verbotenerweise – pflücken. Es kommt viel Unruhe in die Wälder. Keine Frage, die Gesellschaft wünscht sich pflanzen- und tierartenreiche Wälder. Sie ist aber (noch) nicht bereit, die Funktionen des Waldes, beispielsweise für den Wasserhaushalt, als Kohlenstoffspeicher oder als Produzent zahlreicher weiterer Gemeingüter, angemessen zu würdigen.
Das steht in deutlichem Gegensatz zur Rolle der Landwirtschaft. Während die Waldwirtschaft versucht, auf der Grundlage der ökologischen Vielfalt zu arbeiten und diese zu erhöhen, ist die Landwirtschaft bestrebt, die Vielfalt der Flora auf je eine Pflanzenart, sei es Mais, Weizen oder Raps, zu reduzieren. Letzteres wird auch mit substanziellen EU-Beihilfen gefördert. Während die Landwirtschaft im Bundesschnitt EU-Beihilfen von knapp 300 Euro pro Hektar Ackerfläche erhält, fristet die Forstwirtschaft ein Aschenputtel-Dasein. Dabei gewährleistet sie – im Sinne von Paragraph 1 des Bundeswaldgesetzes – mit ihrem Prinzip einer ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit die Bewahrung und Leistungsfähigkeit natürlicher Ökosysteme. Sie verzichtet weitgehend auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger und trägt zum Schutz des Trinkwassers bei. Während Grundwasser in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten besonderen Belastungen durch Düngemittel und Pestiziden ausgesetzt ist, hat das unter Wäldern gesammelte Wasser so gute Qualität, dass es sofort als Trinkwasser genutzt werden kann.
Ein Wald ist mehr als die Summe seiner Bäume. Das Engagement von Baumpflanzern wie Felix Finkbeiner, Gründer von Plant-for-the-Planet, ist vorbildlich. Aber einen Wald zu bewirtschaften ist noch etwas anderes als Bäume zu pflanzen. Ein Wald ist ein ökologisches System, überall auf der Welt ein anderes. Und es ist ein ökonomisches System. Es ist, zumindest potenziell, das naturnaheste, nachhaltigste und langfristigste Investment, das jeder von uns machen kann. Wer heute, im Zeitalter der Digitalisierung, Wald bewirtschaftet, trägt unendlich viel Verantwortung für primäre Quellen des Lebens.
Wer „ausschließlich“ Rendite sehen will, sollte besser im Südosten der USA investieren, wo der Zielkonflikt zwischen dem Erhalt der Artenvielfalt und der forstwirtschaftlichen Nutzung im Zweifel zugunsten der Letzteren aufgelöst wird. Aufgrund der günstigen klimatischen Verhältnisse und Standortbedingungen wachsen dort Kiefernbestände in Monokultur und in großer Geschwindigkeit. Das Anpflanzen junger Bäume erfolgt maschinell, nach wenigen Jahrzehnten wird im Kahlschlagverfahren geerntet. In den USA erreicht man mit solcher Plantagenwirtschaft Renditen von mehr als zehn Prozent, in Deutschland sind es eher zwei bis drei Prozent – wenn man viel richtig macht und von den meisten Risiken (Dürre, Brände, Käferfraß, Windwurf, Wildschaden) verschont bleibt.
Ökologisch und ökonomisch sinnvoll: Mischwälder
Erfolgsfaktoren eines Investments in Wald sind eine betriebsangepasste Unternehmensstrategie, ein marktorientierter Holzeinschlag mit einer kundenorientierten Vermarktung und schließlich ein diszipliniertes Kostenmanagement. Letzteres ist besonders wichtig, da in der Forstwirtschaft Liquidität ein knappes Gut ist, denn lange Produktionszeiträume und forstliche Investitionen verursachen hohe Vorlaufkosten für die Bestandsbegründung sowie Pflegemaßnahmen.
Alle Maßnahmen, die ein Investor ergreifen kann, hängen sehr stark vom Alter der Bestände ab. Eine Kahlfläche erfordert über Jahrzehnte kostenintensive Kultur- und Bestandspflege. Bei einem 50-jährigen Kiefernwald hingegen wachsen die Bäume ins Geld. Der Bestand kann etwa alle acht Jahre durchforstet werden, es fällt ein hoher Anteil an Sägeholz an, die Kasse klingelt. Kosten entstehen kaum noch.
Ökonomisch ergiebig sind gradschaftige Bestände, die hochwertiges Sägeholz produzieren: Douglasien, Kiefern, Fichten, Lärchen, ein Wirtschaftswald (etwas unfreundlicher: Plantagenwirtschaft), also Nadelbaumbestände in Form von Monokulturen. Ökologisch besser und ökonomisch ebenfalls vertretbar sind Mischwälder mit vielen standortgerechten Baumarten, also auch Eiche, Ahorn, Buche, Ulme und Erle. Für Laubholz zahlt der Markt leider vergleichsweise wenig, obgleich diese Baumarten von hohem ökologischen Nutzen sind. Wenn sie keine Spitzenqualität ausweisen, landet ein großer Teil der Laubholzernte im Niedrigpreissegment Industrieholz.
Verantwortung über Generationen hinweg
Wie so oft in der Wirtschaft führt auch in der Forstwirtschaft die einseitige Orientierung am Markt und die Renditemaximierung in eine falsche Richtung. Die Folge einer solch kurzfristigen Renditejagd zeigte sich nach der Dürrezeit 2018/19: Die Borkenkäferpopulation explodierte in den Fichtenbeständen. Die Märkte werden mit billigem Käferholz überschwemmt. Wer noch nicht hiebreife Käferfichten schlägt, die er nur noch zu Dumpingpreisen vermarkten kann, mag einen guten Jahresabschluss hinlegen, hat aber zu Lasten künftiger Generationen große stille Reserven aufgelöst. Die Holzpreise für Fichtensortimente befinden sich seit Monaten im freien Fall. Gegenwärtig sind deutschlandweit über 100.000 Hektar Waldfläche kahl und warten darauf, neu bestockt zu werden, was viel Kapital erfordert.
Mit den Holzpreisen fallen die Bodenpreise. Waldflächen mit einem hohen Nadelholzanteil kosten etwa in Brandenburg derzeit zwischen 6500 und 15.000 Euro je Hektar. Der Preis variiert je nach Lage, Zuschnitt, Bodengüte, Baumbestand und infrastruktureller Anbindung. Für waldaffine Investoren könnte es deshalb interessant sein, jetzt Wald zu kaufen – es bieten sich nicht viele Einstiegsgelegenheiten in einer Generation.
Und obwohl Wälder oft über viele Generationen gehalten werden, bringt gerade dieses generationenübergreifende Denken aber auch immer wieder Verkäufer hervor: Waldbesitzer ohne einen interessierten Erben. Diese Gruppe ist in den östlichen Bundesländern derzeit groß. Nach der Wiedervereinigung konnten dort Ortsansässige bis zu 1000 Hektar vergünstigt kaufen. Es handelt sich um Beuteland aus der stalinistischen Bodenreform 1945-49, das sich die Bundesrepublik 1990 aneignete. Sie selbst war nie Eigentümerin gewesen und verweigerte den alten Eigentümern die Herausgabe. Viele aus der alten DDR-Nomenklatura, die mit Wald wenig am Hut hatten, kauften. Oftmals fehlen heute interessierte Erben.
Auf der Verkäuferseite stehen auch kleine Waldbesitzer, die ihren Wald nur schlecht oder gar nicht bewirtschaften. Eine nicht aktive Bewirtschaftung im Wirtschaftswald führt regelmäßig zu Kalamitäten, wie etwa einer Explosion der Borkenkäferpopulation, die benachbarte Waldflächen bedroht und Schadensersatzansprüche auslöst. Versicherungen, die dieses Risiko abdecken, sind teuer.
Holzhäuser bergen zusätzliche Ertragspotenziale
Auch wenn es nicht ratsam ist, Wald als Spekulationsobjekt zu kaufen, gibt es doch einige Ertragspotenziale, die sich in Zukunft positiv auswirken können. Eines davon steckt in Holzhäusern. Bestimmte Holzkonstruktionen werden aufgrund ihrer hohen Wärmedämmwerte als Energieeffizienzhäuser klassifiziert, die dauerhaft CO2 binden. Dennoch gibt es in Deutschland, im Gegensatz zu den USA, nur sehr wenig Holzbau. Sobald sich diese ökologischen Erkenntnisse durchsetzen und die Zahl der Holzhäuser steigt, ist auch mit höheren Holzpreisen zu rechnen.
Ebenfalls ertragssteigernd könnte sich in Zukunft die Honorierung der Ökosystemleistungen des Waldes (Schutzfunktionen) auswirken. Die forstwirtschaftlichen Berufsverbände versuchen dies im Rahmen der Fortschreibung der Klimaschutzgesetzgebung zu thematisieren. Sie fordern zum Beispiel, dass jede Tonne CO2, die der Wald bindet, vergütet wird. Der Gedanke liegt nahe, dass insbesondere Wälder, die nicht auf maximale Rendite hin optimiert werden, sondern eher Nachhaltigkeit anstreben, in der einen oder anderen Weise förderungswürdig werden.
Die Durchführung von Jagden oder die Einrichtung von Friedwäldern können ebenfalls zusätzliche Einnahmen erwirtschaften. Die Renditeerwartung für Investitionen in Wald liegt aufgrund der aktuell schwachen Holzpreise bei maximal ein bis drei Prozent pro Jahr – immerhin deutlich über dem aktuell negativen Geldmarktzins. Allerdings gilt das nur für hinreichend große Flächen von mindestens 100 Hektar, die sich effizient bewirtschaften lassen. Kleinere Flächen können ebenfalls vergleichbare Renditen erzielen, wenn mehrere von ihnen zusammen bewirtschaftet werden. Solche Forstbetriebsgemeinschaften gleichen die Nachteile geringer Flächengröße aus, wenn sie von Personen mit solidem forsttechnischem und kaufmännischem Know-how geführt werden.
Gerade für „forstfremde“ Investoren ist es wichtig, dass der Wald von Profis bewirtschaftet und von Sachkundigen beaufsichtigt wird. Zur ganzheitlichen Bewirtschaftung gehört eine gute Buchführung, steuer- und versicherungsrechtliche Expertise, die fortlaufende Abstimmung mit Ämtern und Behörden und gegebenenfalls die Bereitschaft, sich mit diesen zu streiten. Man muss immerzu sein Eigentum verteidigen, weil die Begehrlichkeiten an den Wald wachsen und im Übrigen Gemeindevertreter im ländlichen Raum oftmals erschreckend wenig Verständnis für die Belange des Waldes zeigen.
Generell sind Waldinvestments für Investoren attraktiv, die einen sehr langen Atem haben und in Generationen denken. Wer ein „emotionales“ Investment sucht, das ihn/sie ein kleines Stück zurück zur Natur führt und erdet, dürfte eine große emotionale Befriedigung erzielen. Das Ökosystem Wald ist so vielschichtig und komplex, dass man auch intellektuell tief darin eintauchen kann.
Erimar von der Osten ist Agrarökonom, Jurist und Investmentbanker. Seit 2009 bewirtschaftet er den Blumberger Wald im Nordosten Brandenburgs.
Einen Wald zu bewirtschaften ist noch etwas anderes als Bäume zu pflanzen. Ein Wald ist ein ökologisches System. Und es ist ein ökonomisches System.