Elektronische Nase im Wald
Text von Marvin Richter
Waldbrände verursachen enorme ökologische und wirtschaftliche Schäden, die Menschen und Tiere in Gefahr bringen. Brandrodungen etwa geraten durch klimabedingte Dürren immer häufiger außer Kontrolle. Im Amazonasgebiet beispielsweise sind 2019 innerhalb von nur fünf Tagen 471.000 Hektar Wald und Weiden niedergebrannt. Um solche Katastrophen zu verhindern, müssen Feuer sofort erkannt werden. Frühwarnsysteme wie der „Silvanet Wildfire Sensor“ der Firma Dryad Networks aus Eberswalde, Brandenburg, können dabei helfen.
Das Gerät ist etwa so groß wie eine Handfläche und erinnert an eine Fliegenklatsche. Am unteren Ende, hinter einem daumengroßen Gitter, versteckt sich ein Sensor, der Brand-Gase wie Wasserstoff und Kohlenmonoxid erkennt – wie „eine Art elektronische Nase“, erklärt Carsten Brinkschulte, Geschäftsführer von Dryad Networks. Und das bereits in den ersten sechzig Minuten der Entzündung, auch bekannt als Schwelbrandphase. Ein Vorteil gegenüber optischen Systemen wie Drohnen, Satelliten oder Überwachungskameras, die erst anschlagen, wenn Flammen und aufsteigende Rauchsäulen zu sehen sind. Über dem Sensor befindet sich eine quadratische Fotovoltaikfläche, hinter der ein sogenannter Superkondensator versteckt ist. Dieser speichert die Energie für die Nacht. Solarbetrieben ist der Gassensor auch deshalb, so Brinkschulte, weil die Technik langlebiger ist als Batterien und weniger leicht entzündlich. Außerdem lässt sich mit der Energie ein drahtloses Funknetz betreiben, um die Waldverwaltung sofort über Störungen zu informieren.
Wie es riecht, wenn der Wald brennt, lernt der Gassensor mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Sogar kundenspezifisch: Boden- und Vegetationsproben aus den Einsatzgebieten werden im Dryad-Labor verbrannt und der Sensor auf diesen Geruch trainiert – er merkt sich das Duftprofil. Dryad Networks vertreibt sein Produkt vor allem an Kommunen in Europa und den USA, aber auch etwa an Energieunternehmen, die damit die bewaldeten Flächen um Stromtrassen herum absichern wollen. Nach Brasilien gibt es ebenfalls Kontakt, hier soll Silvanet bald Regenwälder vor verheerenden Bränden schützen – und dabei helfen, illegale Abholzung zu lokalisieren. Denn ein neuer Sensor von Dryad Networks kann den Schall von Kettensägen erkennen.
Pachamama wehrt sich
Text von Morgane Llanque
Gekrümmt und verschlungen stehen die Bäume im Nebelwald Los Cedros (auf Deutsch: die Zedern) in Ecuador. Sie sind stets von einem mystischen Wolkendickicht umgeben. Der Nebelwald ist eine Form des Regenwalds, die meistens auf einer Höhe von 500 bis 3.000 Metern vorkommt. Seltene Tiere wie der Braunkopfklammeraffe leben im Naturschutzgebiet Los Cedros, außerdem mehr als 400 verschiedene Vogelarten. 2021 wurde der Wald berühmt, weil das höchste Gericht des Landes ein Urteil fällte, nach dem das staatliche Bergbauunternehmen Enami und sein kanadisches Partner-Unternehmen Cornerstone hier nicht länger nach Gold und Kupfer graben dürfen: Der invasive Bergbau verletze das Recht des Waldes, zu existieren und zu gedeihen.
Denn seit 2008 hat Pachamama, übersetzt Mutter Erde, in der Verfassung des südamerikanischen Landes Personenrechte, darf also nicht als Eigentum der Menschen betrachtet werden. Alle Bürger:innen können diese Rechte im Namen der Natur einklagen. Die Bewegung für die Rechte der Natur hat sich vor allem auf indigene Initiativen hin erst in Lateinamerika und dann auf der ganzen Welt ausgebreitet (siehe Good Impact Ausgabe 01/23, „Einspruch fürs Klima“).
Präzedenzfälle wie der Schutz von Los Cedros zeigen, dass diese Gesetze nicht mehr nur auf Papier existieren. Immer häufiger kämpfen Umweltschutzorganisationen rechtlich für wichtige Ökosysteme: In einem weiteren Urteil von 2021 wurden so auch Mangroven in Ecuador vor Zerstörung geschützt.
Wachmacher für den Boden
Text von Astrid Ehrenhauser
Zwischen Haut und Fruchtfleisch schlummern die Samen der Kaffeekirsche, ihre Bohnen, aus denen Kaffee gebraut wird. Das Fruchtfleisch, die sogenannte Pulpe, landet dabei meist im Müll – und mit ihr Nährstoffe wie Kohlenhydrate, Rohprotein und Lignin. Wie wertvoll sie für den Regenwald sein könnten, haben Forschende der Universität Hawaii im Süden Costa Ricas auf einer ehemaligen Kaffeeplantage untersucht. In der Fachzeitschrift Ecological Solutions and Evidence beschreiben Rakan Zahawi und Rebecca Cole ihren Versuch, die gerodete und degradierte Fläche wiederzubeleben: Etwa 30 Lkw-Ladungen Pulpe verteilten sie in einer 0,5 Zentimeter dicken Schicht auf einem Teil der Plantage, 1.400 Quadratmetern. Ein ebenso großer Teil diente als Kontrollfläche. Nach zwei Jahren im März 2020 zeigte sich: Der Boden enthielt mehr Nährstoffe als die Kontrollfläche, Bäume und Sträucher waren gewachsen, ihre Samen verstreut von Wind und Tieren. Unerwünschtes Weidegras hingegen hatte die Kaffeepulpe verdrängt. Zahawi erklärt: „Wenn die Kaffeepulpe zu verrotten beginnt, erhitzt sie sich. Weil die Schicht außerdem Sonnenlicht fernhält, stirbt das Weidegras ab.“ Heimische Bäume hatten anschließend Platz zu gedeihen, unterstützt von den Nährstoffen im sich zersetzenden Kaffeekompost.
Inspiriert wurde Zahawi von einem ähnlichen, erfolgreichen Experiment im Norden Costa Ricas in den 1990ern. Als Biodünger wurden dort Orangenschalen verwendet. „Eine Win-win-Situation zwischen Industrie und Naturschutz“, sagt Zahawi. Ob die Orangenschalen negative Auswirkungen auf umliegende Ökosysteme wie Flüsse haben könnten, wurde damals nicht untersucht. Zahawi und Cole holten das für Kaffeepulpe nach. „Eine solche Menge Kaffeepulpe einmalig auszubringen, stellt kein Problem dar, wenn man es nicht direkt an einem größeren Gewässer und nicht mitten im Monsun macht.“ Noch zeigen muss sich allerdings, ob Transportkosten, -emissionen und Ertrag im Verhältnis stehen. Wie viel vorteilhafter ist die Methode als etwa reine Wiederbepflanzung? Zahawi: „Wir hoffen, dass wir in den kommenden ein, zwei Jahren mehr Orte untersuchen können.“
Die Fliege im Trog
Text von Anja Dilk
Vielleicht sind sie ein kleiner Baustein im Kampf gegen den Sojahunger von Nutzvieh auf der Welt: Insekten. Zum Beispiel die Soldatenfliege. Aus ihren Eiern schlüpfen wahre Proteinbomben. Im letzten Stadium vor der Verpuppung bestehen die Larven fast zur Hälfte aus Eiweiß. Getrocknet, gepresst und fein gemahlen, wird aus dem Larvengewimmel braunes Insektenmehl – eine reichhaltige Mahlzeit für Tiere. Der brandenburgische Biotech-Hersteller Hermetia produziert es seit 2005, als erster in Europa. Erst durften nur Hunde, Wild- und Zootiere damit gefüttert werden, seit 2021 hat die EU Insektenfutter auch für Nutztiere zugelassen. „Seine Qualität ist Soja sogar überlegen“, sagt Hermetia-Chef Heinrich Katz. „Jungtiere etwa sind auf tierische Proteine angewiesen, damit sich Knochen und Organe gut entwickeln.“ Klingt prima. Denn Soja ist zentraler Bestandteil des Tierfutters weltweit – und ein Regenwaldkiller. Unter allen Agrarrohstoffen, die in die EU importiert werden, wird für Soja am meisten tropischer Regenwald gerodet. Das zeigt eine Studie der Umweltschutzorganisation WWF aus dem Jahr 2021. 77 Prozent der global geernteten Bohne werden an Tiere verfüttert, vor allem an Hühner und Schweine, nur 6 bis 7 Prozent landen in Lebensmitteln. Klar, idealerweise verzichten wir auf Fleisch und Milchprodukte. Doch die Nachfrage ist nach wie vor hoch, die Suche nach alternativen Proteinquellen unerlässlich.
Riecht förmlich Waldbrände: der Silvanet Sensor von Dryad Networks