Im September vergangenen Jahres nimmt ein beleibter, mittelalter Mann namens Ron Taylor* am Flughafen Chicago in einer Lufthansa-Maschine Platz. Seine Sorge, ob der Sitz in der Premium Economy gemütlich genug ist, weicht schnell einer Mischung aus Vorfreude und Adrenalin. Jetzt sind es nur noch wenige Stunden. Über München wird er nach Cluj in Rumänien reisen. Und dann, so ist der Plan, für den er viele tausend Dollar ausgegeben hat, soll sich dort sein Kindheitstraum erfüllen: einmal einen richtig großen Braunbären töten.
Im Online-Jagdforum Africa Hunting, wo Trophäenjäger aus aller Welt sich austauschen, beschreibt Taylor später seine Reise. Er berichtet, wie er vom Flughafen abgeholt wird und tief in die rumänischen Karpaten fährt. Er erzählt, wie er in der Nacht vor der Jagd immer wieder aufwacht und auf die Uhr blickt. Wie er am nächsten Tag sein Lager auf einem Hochsitz aufschlägt und Ausschau hält, das Grasland vor ihm, dahinter Berge, steile Hänge mit dichtem Buschwerk. Dann, gerade als der Mond aus den Wolken bricht, sieht er aus dem Augenwinkel eine Bewegung. „Bär“, flüstert Taylor seinem Begleiter zu, dem rumänischen Jagdveranstalter. Dann entsichert er vorsichtig die Blaser R8, ein deutsches Jagdgewehr. „Mit dem Fadenkreuz auf der Brust“, schreibt er, „drückte ich langsam den Abzug.“
Wenig später kniet sich der US-Amerikaner ins Gras, auf den Lippen trägt er ein Lächeln. Sein Tarnanzug spannt etwas am Bauch, als er die Pranke des Bären in die Luft stemmt. Seinen Erfolg, lässt er die anderen Jäger im Online-Forum noch wissen, begießen er und der Jagdveranstalter später mit einer Flasche Jack Daniels. Erst als sie leer ist, fällt Taylor überglücklich ins Bett.

In Rumänien, das hat sich in der Jagd-Szene herumgesprochen, kommen Trophäenjäger auf ihre Kosten: 2021 sorgte die Meldung für Aufsehen, dass Prinz Emanuel von und zu Liechtenstein dort den womöglich größten Bären Europas schoss. Umweltorganisationen mutmaßten, der 17 Jahre alte Braunbär musste sterben, damit der Adelige sich die riesige Trophäe in sein Schloss hängen konnte.
Die Wälder Rumäniens scheinen zu einer Art Paradies für zahlungskräftige Safari-Jäger geworden zu sein. Nicht irgendwo in Afrika, sondern mitten in der EU erfüllen sie sich den Traum von der Großwildjagd. Dabei sind Braunbären seit Einführung der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie im Jahr 1992 eigentlich streng geschützt.
Dadurch erholten sich die Bestände der Tiere. Das rumänische Umweltministerium veröffentlichte Anfang April einen Bericht, wonach derzeit zwischen 10.000 und 13.000 Bären in Rumänien leben, die mit Abstand größte Population in der EU. Doch mit den Tieren kamen auch die Probleme wieder: Die Bären reißen Schafe, Ziegen, dringen in Häuser ein, verletzen Menschen. Nachdem vergangenes Jahr eine italienische Wanderin in Rumänien von einem Bären getötet wurde, erlaubte das rumänische Parlament die jährliche Jagd auf bis zu 500 Braunbären.
Zwar gehen Biolog:innen nicht davon aus, dass die Population dadurch ernsthaft gefährdet…
Gefragt als Trophäe: der Braunbär.