Schwerpunkt: Moore

Moorschutz im Kongo-Becken, aber um welchen Preis?

Das größte tropische Torfmoor der Welt liegt in den Regenwäldern des Kongo-Beckens. Ausgerechnet dort will die Demokratische Rebublik Kongo Öl fördern lassen. Ein Konflikt zwischen Umweltschutz und dem Wunsch nach Wachstum ist entbrannt. Zeit für Austausch.

Grüne Flecken sind selten in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo. Überall im Zentrum der 15-Millionen-Metropole werden Bürotürme und Wohnkomplexe hochgezogen. Bevölkerung und Wirtschaft wachsen. Öffentliche Parks gibt es nicht. Das weitläufige Gelände der katholischen Kirche ist einer der wenigen Orte, an denen große Bäume Schatten spenden. Hier treffen wir Laurette Kapedi, 34, von „Actions pour la Promotion et Protection des Peuples et Espèces Menacés“ (APEM ), einer Nichtregierungsorganisation, die sich für die Rechte von bedrohten Bevölkerungsgruppen und Umweltschutz einsetzt. Sie diskutiert mit Pepito Sakasaka, 33, Journalist und Medienunternehmer, der sich auf Energiethemen spezialisiert hat, insbesondere den Ölmarkt. So entsteht eine Debatte über den Konflikt zwischen Umweltschutz und Entwicklung, über Klimagerechtigkeit und die Frage, was uns Natur wert ist.

Frau Kapedi, Sie kommen aus Kisangani in der Regenwald-Provinz Tshopo. Der Kongo ist bekannt für seine Torfmoore, die auch in Ihre Provinz hineinreichen. Was fühlen Sie, wenn Sie in diesen Ökosystemen unterwegs sind?

Laurette Kapedi: Das sind Orte, an denen die Luft sehr feucht, aber trotzdem frisch ist. Man vergisst, dass wir eigentlich in Zeiten globaler Erwärmung leben. Die Torfmoore spielen eine wichtige Rolle für die Klimaregulierung – und für den Erhalt der Artenvielfalt. Sie sind Juwelen unseres Landes.

Laurette Kapedi

Aktivistin bei der Umweltschutz-NGO „Actions pour la Promotion et Protection des Peuples et Espèces Menacés“

Auch Sie sind mit den Waldgebieten des Landes vertraut, Herr Sakasaka. Sie waren bereits am Mai-Ndombe-See, in dessen angrenzenden Wäldern sich Sumpflandschaften befinden. Und Sie haben Umweltwissenschaften studiert, bevor Sie sich als Journalist auf Öl- und Gasthemen spezialisiert haben.

Pepito Sakasaka: Es ist immer wieder schön, wenn man dieses Grün sieht. Die Menschen leben in einer direkten Verbindung mit ihrer Natur – und das ist toll zu erleben.

Pepito Sakasaka

Journalist und Medienunternehmer, der sich auf Energiethemen und den Ölmarkt spezialisiert hat

Zusammengenommen bilden die Moorgebiete in der Demokratischen Republik Kongo sowie nord-westlich des gleichnamigen Flusses in der benachbarten Republik Kongo das größte tropische Torfmoor der Welt. Rund 29 Gigatonnen an Kohlenstoff sind in den Böden gespeichert. Bislang ist die Region schwer zugänglich und wird wirtschaftlich kaum genutzt. Nun könnte dort bald Öl gefördert werden. Im Juli 2022 hat die Regierung in Kinshasa 27 Öl- und 3 Gas- förderlizenzen ausgeschrieben, von denen sich einige bis in die Moorgebiete erstrecken. Frau Kapedi, Sie leiten bei der Menschenrechts- und Umweltorganisation APEM eine Projektgruppe zu dem Thema. Was war Ihre Reaktion, als Sie von der Ausschreibung hörten?

Kapedi: Das hat mich wirklich beunruhigt. Die Torfmoore sollten dringend geschützt werden. Sie helfen uns, klimaschädliches Kohlenstoffdioxid in den Böden zu binden und die Biodiversität zu bewahren. Wir und andere Akteur:innen der Zivilgesellschaft wollen die Regierung dazu bringen, Wälder nachhaltig zu bewirtschaften und die biologische Vielfalt zu erhalten.

Sakasaka: Also mich hat es gefreut, als ich erfuhr, dass die Regierung endlich die Gelegenheit zur Ausschreibung ergriffen hat. Der Kongo ist auf Einnahmen aus der Förderung von Öl und Gas angewiesen. Heute machen diese nur 2,7 Prozent der Exporteinnahmen des Landes aus, dabei haben wir enormes Potenzial. Auch ich bin für den Schutz der Umwelt – aber gleichzeitig für eine vernünftige Ölförderung.

Seit den 1940er-Jahren, damals noch unter belgischer Kolonialherrschaft, produziert der Kongo Öl; zuletzt etwas mehr als acht Millionen Barrel im Jahr. Bisher beschränkt sich die Förderung auf das schmale Küstengebiet am Atlantik rund um die Stadt Muanda, teils offshore, teils auf dem Land. Umweltorganisationen dokumentieren seit Langem, dass dort Felder und Gewässer verschmutzt werden und lokale Gemeinden nicht ausreichend einbezogen wurden. Nun soll die Ölförderung aufs ganze Land ausgeweitet werden. 22 Milliarden Barrel würden unter der Erde schlummern, auch in den Torfmoorgebieten, heißt es. Macht Ihnen das als Umweltschützer:innen Angst?

Kein internationaler Vertrag verbietet es einem Staat, seine Ressourcen zu nutzen. Alle Nationen haben sich durch Energie entwickelt
Pepito Sakasaka, Wirtschaftsexperte

Kapedi: Ja, das bereitet uns tatsächlich Sorgen. Wir haben von Anfang an schlechte Erfahrungen mit der Ölforderung im Kongo gemacht. Ich habe mit Müttern in den Gemeinden gesprochen. Sie erzählen sogar von Krankheiten, die auf die Ölförderung zurückzuführen sind; von Nasenbluten, von Kindern mit Missbildungen. Außerdem sind Böden verschmutzt; die Menschen haben Probleme, Landwirtschaft zu betreiben.

Sollte sich das in den Moorgebieten wiederholen, wäre das eine Katastrophe, oder?

Sakasaka: Wir haben die Chance, es nun besser zu machen, indem wir von den schlechten Erfahrungen in Muanda lernen. Zum einen wurden die Technologien weiterentwickelt, die bei der Ölförderung zum Einsatz kommen. Das geht heute viel umweltschonender. Und auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen lassen sich anders gestalten, es kann mehr Kontrollen geben, mehr geschultes Personal. Es muss möglich für unser Land sein, nicht in Armut zu stagnieren. Denn um Krankenhäuser zu bauen, braucht der Staat Geld. Um Straßen zu bauen, brauchen wir Geld. Um unser Leben zu verbessern, brauchen wir Geld. Woher soll es kommen, wenn wir Ressourcen haben, die wir nicht nutzen?

Sie sagen, die Ölförderung könnte besser umgesetzt werden. Das würde die negativen Auswirkungen auf die Umwelt jedoch nur verringern, nicht ganz ausschließen. Glauben Sie, dass die Ölförderung Entwicklung mit sich bringt und dies schlicht einen Preis für die Umwelt hat?

Sakasaka: Ja, wenn ein Land sich entwickeln will, dann hat das immer einen Preis für die Umwelt.

Frau Kapedi, der Kongo ist ein Land, in dem sechzig Prozent der Menschen von weniger als 2,15 US-Dollar am Tag leben. Entwickelte Länder haben ihre Moore längst trockengelegt. Ist es da nicht nachvol…

Foto: Justin Makangara

Laurette Kapedi und Pepito Sakasaka diskutieren über die wirtschaftliche Entwicklung der Demokratischen Republik Kongo.

Jonas Gerding

Schwerpunkt Moore

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Moore sind unsere wichtigsten Klimaschützer. Diese Ausgabe zeigt euch, wie Menschen in aller Welt, von Brasilien über die USA bis in die Demokratische Republik Kongo, für den Erhalt und die Wiedervernässung von Feuchtgebieten kämpfen. Grafiken und Fotostrecken eröffnen einen ganz neuen Blick auf das Ökosystem, seine Schönheit und Verletzlichkeit.

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