Vergessene Geschichten - Leiharbeit in Deutschland

Der Eine und der Andere

Plamen Valyovski und Milen Gospodinov träumten von einem besseren Leben. Beide arbeiteten in einer deutschen Fleischfabrik. Der eine lebt jetzt wieder in Bulgarien. Der andere hat ein Haus in Deutschland. Was ist passiert?

An einem sonnigen Augusttag schlendert ein Mann durch das bulgarische Dorf Borovan, er grüßt nach links, winkt nach rechts, ein Auto fährt hupend an ihm vorbei. Plamen Valyovski, Flip-Flops an den Füßen, über dem Bauch spannt ein weißes T-Shirt, wirkt wie einer, der für ein paar Wochen auf Urlaub ist in dem Dorf in einer der ärmsten Regionen Bulgariens, dem ärmsten Land der EU. Doch Valyovski wird, wenn sich der Sommer dem Ende neigt, nicht wieder zurück nach Deutschland fahren. Erneut hebt er fast beiläufig die Hand zum Gruß, als ein Pferdegespann an ihm vorbeiklappert. Man kann dabei die Narbe sehen an seinem rechten Daumen. Sie wird bleiben, und sie wird ihn sein Leben lang an Rheda-Wiedenbrück erinnern, an das Glück, das er dort suchte und nicht fand.

Plamen Valyovski ist aufgewachsen in Borovan, einem großen Dorf im Nordwesten Bulgariens, wo heute nur noch bröckelnde Betonfassaden von den kommunistischen Zeiten künden. Damals war Borovan ein wohlhabender Ort. Der Niedergang begann nach der Wende 1989. Die Arbeitslosigkeit stieg, viele Menschen verließen Borovan, davon zeugen noch heute viele verlassene Häuser.

Plamen Valyovski ist inzwischen wieder in Bulgarien, nachdem er zuvor sein Glück in einer deutschen Fleischfabrik suchte und es dort nicht fand.
Bild: Teona Mskhvilidze

Leiharbeit in Deutschland: Nicht Roboter, sondern Mensch

Umgeben von einer Steinmauer liegt Valyovskis Haus in einer ruhigen Seitenstraße. Im großen Garten kläffen die beiden Wachhunde an der Kette. Seine Frau streichelt den Husky und Valyovski sagt: „Ich bin kein Roboter, sondern ein Mensch.“ Er nimmt einen Zug von seiner Zigarette und bläst den Rauch aus. Valyovski sucht nach Worten, nach einem Anfang für seine Geschichte, warum er jetzt hier sitzt und Rauch in die Luft bläst.

Nur Gelegenheitsjobs habe er in Borovan gefunden. Mal als Fahrer und Bäcker, mal als Aufpasser für die Maisäcker und Sonnenblumenfelder zum Schutz vor nächtlichen Dieben. 2015 verlässt er Borovan zum ersten Mal. In Apulien pflückt er Oliven, dann arbeitet er einige Monate in einer Autofabrik in Tschechien.

Durch einen ehemaligen Klassenkameraden erfährt er eines Tages von gut bezahlter Arbeit in einer deutschen Fleischfabrik. Sein Bekannter verdient dort gutes Geld, das möchte er auch. Also fährt er im Januar 2020 gemeinsam mit vier anderen Bulgaren mit dem Auto 2.000 Kilometer nach Gütersloh. Anfang Januar unterschreibt Valyovski den Arbeitsvertrag bei einem Subunternehmen, das für Tönnies Arbeitskräfte rekrutiert.

Tönnies ist der größte deutsche und einer der weltweit größten Schlachtbetriebe. Etwa 20.000 Schweine werden pro Tag im Hauptstandort Rheda-Wiedenbrück geschlachtet. Seit Jahren arbeiten dort vor allem osteuropäische Werkvertragsarbeiter, die nicht nur Schweine und Sauen, sondern auch Rinder zerlegen.

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In Deutschland ist Fleisch zum Billigprodukt geworden. Den wahren Preis zahlen die Tiere, die in Massenhaltung unter teilweise grausamen Bedingungen gemästet werden, und das Heer von Arbeitern, die meist in Sammelunterkünften wohnen und oft an sechs Tagen in der Woche schuften. Valyovski erhält in Verl ein Bett in einer Dreizimmerwohnung zusammen mit neun anderen Tönnies-Arbeitern. Verl, eine Stadt in Ostwestfalen, liegt etwa 20 Fahrminuten von Rheda-Wiedenbrück entfernt. Valyovski teilt sich sein Zimmer mit drei anderen, sie schlafen in Stockbetten. Privatsphäre hat er keine. „Wer duscht zuerst?“ ist die erste Frage, wenn sie müde nach Hause kommen. Die Unterkunft stellt ihm der Subunternehmer, die Miete für das Bett wird ihm vom Lohn abgezogen. Wie viel das ist, sagt ihm niemand.

Fett aus Schweinehälften pumpen

Der Bulgare hat einen massigen Körper, Prankenhände. Harte körperliche Arbeit ist er gewohnt. Sein Job: Fett aus Schweinehälften pumpen. Tausende sind es pro Schicht, die im Sekundentakt an ihm vorbeifahren. Ein anstrengender Job, aber Valyovski ist froh, dass er ihn gefunden hat, denn er verdient jetzt 9,35 Euro in der Stunde, das sind zwischen 1.200 und 1.400 Euro im Monat. Es ist etwa viermal so viel, wie er in Bulgarien verdienen würde, wenn er dort überhaupt einen Job hätte. Und er braucht das Geld, denn zu Hause wartet seine Frau auf die Überweisung aus Deutschland. Ihr Lohn allein reicht nicht aus für Hauskredit und Lebenshaltungskosten.

Svetlana Valyovski leitet das einzige Bestattungsinstitut im Ort. Ihr Lohn allein reicht nicht aus für Hauskredit und Lebenshaltungskosten.
Bild: Teona Mskhvilidze

Im vergangenen Jahr machte das Unternehmen mehr als sieben Milliarden Euro Umsatz. Pro Tag produziert Tönnies 750 Tonnen frisches Fleisch für die Selbstbedienungstheke und 100 Tonnen für die Tiefkühltruhe. Das Unternehmen beliefert deutsche Supermärkte und Discounter. Rund 50 Prozent seiner Produkte exportiert das Unternehmen ins Ausland.

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Leiharbeit in Deutschland: Leben wie im Vakuum

Als im März die Coronakrise ausbricht, besteht Valyovskis Leben aus arbeiten, essen, schlafen. Er ist hier, um Geld zu verdienen. Ein Fahrzeug bringt ihn zur Arbeit und wieder zurück. Von Deutschland und dem Ruhrgebiet sieht Valyovski nicht viel. Hat er frei, dann putzt er, kocht Moussaka oder geht am See in der Nähe seiner Unterkunft spazieren. Wie in einem Vakuum lebt er zwischen der Tönnies-Fabrik und seiner Unterkunft. Das ist das Einzige, was er von Deutschland kennenlernt.

Die Zeit in Deutschland war für Plamen eine harte Erfahrung, nicht nur die Schweineverarbeitung im Sekundentakt, auch das trostlose Leben in Sammelunterkünften.
Bild: imago images / Noah Wedel

Dann kommt der 26. März. Es ist abends, als Valyovski ein halbes Schwein vor sich hat. Eigentlich ist es sein Job, das Fett abzupumpen, doch ein anderer hat vergessen, die Aorta zu entfernen. Valyovski bleiben nur Sekunden, um die Hauptschlagader herauszuschneiden. In der linken Hand hält er eine Pumpe mit integriertem Messer, mit der rechten greift er nach der Aorta. Er holt die Aorta, vergisst das Messer und schneidet sich tief in den rechten Daumen. Er kommt noch am Abend ins Krankenhaus Rheda-Wiedenbrück, wird später in das Klinikum Gütersloh verlegt und dort einen Tag später operiert. So erzählt er es.

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Valyovski wird für mehrere Wochen krankgeschrieben. Doch schon etwa einen Monat nach dem Unfall kommt ein Mitarbeiter des Subunternehmers in die Unterkunft und sagt ihm, dass er zurück nach Bulgarien gehen solle. Nach Deutschland könne er erst wiederkommen, wenn er gesund sei. Er kehrt zurück nach Borovan, doch statt einem Rückfahrticket nach Deutschland erhält er die Kündigung.

Valyovski sitzt im August in einem Café in Borovan, die Narbe an seinem Daumen ist noch sichtbar. Eigentlich müsse er zur Physiotherapie, sagt er, doch in Bulgarien sei das viel zu teuer. Dass sein Traum von einem besseren Leben nach so kurzer Zeit geplatzt ist, macht ihn traurig. Jetzt muss er seinen Kredit irgendwie anders abbezahlen. Wütend ist er auf den Subunternehmer, der ihn so schlecht behandelt habe.

Valyovskis Frau Svetlana leitet das einzige Bestattungsinstitut im Ort. Obwohl sie noch nie in Deutschland war, ist es auch für sie ein Sehnsuchtsland geblieben. Während sie hinter dem Tresen steht, arbeitet und erzählt, spielt ihr Mann an ihrem Rechner zwischendurch ein Onlinekartenspiel. Dabei hält er eine Zigarette in der einen, die Computermaus in der anderen Hand und ignoriert das „Rauchen verboten“-Schild im Büro. Er sucht neue Arbeit. Ergeben hat sich noch nichts.

Plastikblumen im Regal

Etwas außerhalb von Herford, in einer grünen, ruhigen Einfamilienhaussiedlung, steht ein Mann draußen in seinem Garten und unterhält sich mit seinem Nachbarn. Als er die Reporterinnen sieht, eilt er rasch zur Tür, bittet in sein Haus. Hier wohnt Familie Gospodinov. Offene Küche, graues Sofa, Plastikblumen im Regal. In der Wohnküche bietet seine Frau Kaffee an. Milen Gospodinov, rundes Gesicht, große Nase, trägt graue Jogginghose zur Fleecejacke. Sein Freizeitoutfit. Es ist Samstag, heute muss er erst abends zur Arbeit.

Während Plamen Valyovski (oben) wieder in Bulgarien lebt, konnte Milen Gospodinov in Deutschland ein neues Leben starten. Der Preis dafür ist hoch und immer auch eine Frage des Glücks.
Bild: Teona Mskhvilidze

2013 kam er mit 150 Euro nach Deutschland, heute besitzt er ein Haus. Vieles daran hat er selbst gemacht. Den Trockenbau, die Fliesen im Bad, den Putz innen und außen, die Böden. Wenn er davon spricht, dann bilden sich Lachfältchen unter seinen Augen. Gospodinov ist stolz auf sein Haus, auch wenn der Kredit noch lange nicht abbezahlt ist.

Auch Gospodinov hat sich 2012 in Bulgarien anwerben lassen. Damals lebt er in seinem Heimatdorf in der Nähe der Stadt Varna am Schwarzen Meer und hat zwei Jobs: als Lagerarbeiter und als Bauarbeiter. Gearbeitet hat Gospodinov schon immer viel. Und Arbeit gibt es in seinem Heimatort genug. Doch Bekannte seines Bruders erzählen ihm von der Arbeit in der Fleischfabrik in Deutschland. 1.200 Euro Nettolohn, 200 Stunden Arbeit pro Monat, Wohnung wird bezahlt. „Ein guter Deal“, denkt er sich.

Gemeinsam mit seiner Frau geht er im Dezember 2012 in das Büro einer Personalvermittlungsfirma. Dort zeigen sie ihm die Arbeit bei Tönnies in einem Video: Menschen, die am Band stehen und im Akkord Fleisch zerlegen. Er bekommt den Job bei Tönnies, offiziell angestellt ist er bei einem Subunternehmer. Im Mai 2013 geht es los. Vor seiner Abreise kauft Gospodinov einen Trolley, einen Koffer besitzt er nicht. Er war vorher nur einmal im Ausland, in Rumänien. Außerdem holt er sich einen Laptop, um Kontakt mit seiner Familie zu halten.

Das Schweine-System

Die Coronakrise war wie ein Brennglas für die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. Zwischen Anfang Juni und Ende Juli 2020 infizierten sich in Rheda-Wiedenbrück über 2.000 Tönnies-Arbeiter*innen. Plötzlich schaute Deutschland auf die Ausbeutung in der Fleischindustrie. Auf Werkvertragsarbeiter*innen aus dem Ausland, die unbezahlte Überstunden verrichten, in Sammelunterkünften leben und weder die deutsche Sprache noch ihre Rechte kennen. Die Firma Tönnies und andere Unternehmen haben bis dato neue Mitarbeiter*innen aus Osteuropa über Subunternehmen angeheuert, die sich oft auch um den Transport und die Unterkunft der Arbeiter*innen kümmerten. Immerhin: Ab kommendem Jahr werden durch ein neues Gesetz Werkverträge (ab dem 1. Januar) und Leiharbeit (ab dem 1. April) in der Fleischindustrie verboten. Allerdings sieht eine auf drei Jahre befristete Sonderregelung die Möglichkeit vor, Auftragsspitzen auf Grundlage eines Tarifvertrags durch Leiharbeitnehmer*innen aufzufangen – unter strengen Auflagen und nur in der Fleisch-Verarbeitung, nicht beim Schlachten und Zerlegen. Und: Ausgenommen sind jedoch Handwerksbetriebe mit weniger als 50 Mitarbeiter*innen. Auch die Frage nach mehr Tierwohl bleibt weiterhin unbeantwortet.

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Tati, Tati

Von Varna, einer Hafenstadt am Schwarzen Meer, fahren Gospodinov und sieben weitere Männer erst nach Sofia. Von dort aus geht es weiter nach Rheda-Wiedenbrück. Am Ziel angekommen, zeigt ihnen der Fahrer die Fabrik und die Unterkunft. Milen Gospodinov lernt schnell, wie man ruhig und sicher mit dem Fleischermesser schneidet. Was ihm der Meister sagt, das macht er. Nach einem Monat bekommt er eine neue Position und wird vom kleineren Fließband an ein größeres gestellt. Für ihn ein Aufstieg in der Hierarchie. Aber wenn er abends zu Hause anruft, hört er im Hintergrund seinen fünfjährigen Sohn weinen. Er ruft „Tati, Tati“, bulgarisch für „Papi, Papi“.

Im April 2014 holt er seine Frau und seinen Sohn nach Deutschland. Gemeinsam mit einem Kollegen und dessen Frau mieten sie eine kleine Wohnung in Harsewinkel, knapp 30 Kilometer entfernt von Rheda-Wiedenbrück. Am Anfang haben sie keine Möbel. Nach und nach kaufen sie über Kleinanzeigen gebrauchte Tische, Stühle, Bänke und Schränke. Gemeinsam mit seiner Frau macht Gospodinov einen Sprachkurs. Einen Monat lang geht er jeden Tag von 9 bis 11 Uhr vor der Arbeit in der Fleischfabrik zum Deutschkurs. Er lernt buchstabieren, zählen, schreiben. Mit ein paar Worten kann er sich nun vorstellen: „Mein Name ist Milen. Ich komme aus Bulgarien. Ich bin verheiratet. Ich habe ein Kind.“

Auf den Spaziergängen, auf Trödelmärkten, im Deutschkurs macht Milen Gospodinov aus seinem Arbeitsort langsam einen Ort zum Leben. Deutschland und er gewöhnen sich aneinander.

Rheda sei der perfekte Ort, wenn man wenig Geld habe. Immer was los, jeden Sonntag ein Trödelmarkt oder ein Konzert. Milens Lieblingsort ist der Flora-Westfalica-Park, eine drei Kilometer lange Grünanlage mit einem riesigen Spielplatz, dessen Seile sich wie Spinnenbeine über den Sand spannen. Ein Café, ein Teich, ein Wald. Sonntagsspaziergänge sind für ihn damals ein Ausgleich zur Arbeit am Fließband: „Irgendwie musst du den Kopf leeren“, sagt er. Die Arbeit in der Tönnies-Fabrik gibt er irgendwann einfach auf. Seine polnische Vermieterin besorgt ihm den Kontakt zu einer Frau, die Jobs gegen Geld vermittelt. Milen bezahlt 200 Euro. Er nimmt fünf Tage Urlaub bei Tönnies für das Probearbeiten in einer Frikadellenfabrik. „Super Arbeit!“, denkt er sich nach dem ersten Tag. Die Art, wie man miteinander umgeht, miteinander spricht, ist eine andere. Persönlicher. Menschlicher. Nachdem er den neuen Vertrag unterschrieben hat, geht er nicht mehr zu Tönnies. Er kündigt nicht. „Das machen alle so“, sagt er. Nur noch eine Narbe unter dem linken Auge erinnert Gospodinov an die Zeit bei Tönnies. Ein Arbeitsunfall. Das Fleischermesser verfehlte knapp sein Auge.

Denken wie ein Deutscher

Schnell läuft Gospodinov heute in Jeansjacke, Jeans und Turnschuhen durch den Flora-Westfalica-Park. Noch immer fährt er mit seiner Familie hierher. Um den Bau seiner Garage zu finanzieren, hat er einen weiteren Kredit aufgenommen. Abends wäscht er Teller in einem italienischen Edelrestaurant. Immer wieder benutzt Gospodinov das Wort „integrieren“. Ohne Integration gehe es nicht, sagt er. Eine Bulgarin gibt ihm damals den entscheidenden Tipp: „Wenn du aufsteigen möchtest, musst du wie ein Deutscher denken.“ Sie bringt es ihm bei, wie er mit einem deutschen Kopf denkt, so drückt er es aus. Für ihn bedeutet das vor allem: Geld sparen.

Leiharbeit in Deutschland: Von Betrieb zu Betrieb

An manchen Tagen schmerzen ihm noch immer die Arme von der Arbeit am Fließband. Trotzdem sagt er: „Tönnies ist ein Start.“ Eine Möglichkeit, um ohne Sprachkenntnisse in Deutschland anzufangen. Er hat es geschafft, sich aus dem Werkvertragssystem herauszuarbeiten. Selbstverständlich ist das nicht. Viele Arbeiter wechseln von Betrieb zu Betrieb, andere gehen freiwillig zurück in die Heimat oder verlieren wie Valyovski ihren Job. Besonders in den ersten Monaten ist die Fluktuation hoch.

Seitdem Gospodinov zwei Jobs hat, ist Stress sein ständiger Begleiter. Auch heute hat er wenig Zeit. Zurzeit gibt es viele Hochzeiten, auch heute Abend. Gospodinov hat keinen einzigen Ruhetag, keinen Tag, an dem er nicht zur Arbeit fährt. Nächstes Jahr hat er die Garage hoffentlich abbezahlt: „Dann möchte ich weniger arbeiten und wieder mehr spazieren gehen“, sagt er.

Schwerpunkt „Vergessene Geschichten“

Der Konflikt in der Ukraine
Der Friedensprozess im Jemen
Warum wir alle nachhaltiger mit Nachrichten umgehen müssen
Glossar

Von einem eigenen Haus haben die Gospodinovs schon in Bulgarien geträumt. In Deutschland setzten sie ihren Plan in die Tat um. Auf der Terrasse steht der Grill. Hier sitzt die Familie gemeinsam abends mit den bulgarischen Nachbarn und Freunden zusammen. Vieles ist noch nicht fertig. Gospodinov möchte noch eine Badewanne kaufen, seine Frau Mosaiksteine in der Küche verkleben.

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Gospodinov kommt mit einer Handvoll reifer Himbeeren aus seinem Garten. Neben dem Strauch wachsen drei Sorten Tomaten. Besonders stolz sind die Gospodinovs auf die Cherrytomaten. Einige hängen noch grün am Strauch. Die Sonne war rar in den vergangenen Tagen. Solche Tomaten werden in Bulgarien zu fast jeder Mahlzeit gegessen. Ein Stück Heimat in Herford. In Jogginghose geht Milen Gospodinov über den frischen Rasen. Für das Foto zu diesem Artikel möchte er sich eine andere Hose anziehen. „Milen, du bist hier zu Hause. Du musst dich nicht umziehen“, sagt seine Frau.

Dieser Text ist Teil des Schwerpunkts „Vergessene Geschichten – War da was?“ der Jubiläums-Ausgabe 06/20.

Bild: imago images / Noah Wedel

Nachdem Hunderte Arbeiter*innen bei Tönnies positiv auf das Coronavirus getestet wurden, zogen im Juni Demonstrant*innen vors Werk in Rheda-Wiedenbrück. 

Anna-Sophie Barbutev

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