Sie sind die Gärtner des Regenwalds, entsorgen morsche Äste beim Klettern, verteilen Samen undlassen Neues wachsen, damit sich die feuchten Blätternester um sie herum niemals lichten: Orang-Utans, übersetzt „Menschen des Waldes“, sind endemisch auf Borneo und Sumatra, es gibt sie nur hier auf der Welt. Mehr als 17.500 Inseln gehören zu Indonesien, sie schmiegen sich an den Äquator wie grüne Schmuckstücke. Hier sind weltweit die meisten Säugetierarten und 17 Prozent aller Vogelarten beheimatet, etwa der Koboldmaki mit seinen großen Knopfaugen oder der erst kürzlich entdeckte Wakatobi-Nektarvogel, der die Farben der Ukraine-Flagge auf seiner Brust trägt.
Doch ihre Welt wird immer kleiner. Ölpalmen versperren ihre Pfade, laugen die Böden aus. Das Fruchtfleisch der Pflanzen, rötlich wie Orang-Utans und Schmiermittel unserer Zivilisation, steckt in allem, von Kraftstoff bis Keksen. Die größte Insel, Borneo, die sich Indonesien mit Malaysia und Brunei teilt, hat bereits die Hälfte ihres Dschungels verloren. Davon zwischen 2000 und 2018 mindestens 39 Prozent an die Palmölindustrie, zeigen Daten des Center for International Forestry Research (CIFOR) in Bogor, Indonesien.
Rodungsverbot greift
2019 eine gute Nachricht: Die indonesische Regierung beschließt ein permanentes Rodungsverbot für neue Palmöl- und Holzplantagen sowie für den Bergbau in Moorgebieten und Primärwäldern, also Wäldern, die nahezu unberührt sind. Zuvor, 2011, hatte sie ein temporäres Rodungsverbot (Moratorium) veranlasst und mehrmals verlängert. Zwischen 2016 und 2021 konnte die jährliche Rodungsrate von Regenwäldern drastisch verlangsamt werden. Im Zeitraum 2021/2022 gingen in Indonesien aber immer noch 113.500 Hektar Waldfläche verloren, vermeldet das indonesische Umweltministerium. Zum Vergleich: Berlin misst knapp 90.000 Hektar. Darin eingeschlossen sind Primär- und Sekundärwälder, also sowohl intakte als auch durch menschliche Eingriffe gestörte Ökosysteme, die dennoch wichtige Funktionen als Kohlenstoffsenken und Lebensräume erfüllen.
Neben dem Rodungsverbot hatte die Regierung Genehmigungen für den Bergbau, die Forstwirtschaft und Plantagen zurückgezogen und Lizenzen für „Social Forestry“ eingeführt: „Kleinbauern vor Ort bekommen Zugang zu Wäldern und werden damit, so die Idee, zu ihren Beschützern“, erklärt Bimo Dwi Satrio, Forstwissenschaftler bei CIFOR. Das funktioniert ähnlich wie in der Demokratischen Republik Kongo durch rechtliche Auflagen: Das Land darf nicht verkauft werden, es muss nachhaltig bewirtschaftet werden und der Anbau von Ölpalmen ist verboten. Viele Menschen bewerben sich für das 2016 gestartete Programm, so Dwi Satrio. Aber: „Die eigentliche Herausforderung beginnt, wenn ein Kleinbauern-Kollektiv die Lizenz erhalten hat – ein Geschäft aufzubauen und rentabel zu führen, erfordert Ressourcen, die Locals häufig nicht haben.“
Ausgerechnet ein Start-up aus Deutschland möchte helfen. Fairventures Social Forestry (FSF) wurde 2019 gegründet und ist in der indonesischen Provinz Zentralkalimantan auf Borneo aktiv, zusammen mit der Schwester-NGO, Fairventures Worldwide. Einer der Gründer, Johannes Schwegler, sagte 2022 in einem Podcast der Menschenrechtsorganisation International Justice Mission: Der ökologische Ansatz allein sei falsch, man könne Regenwälder nicht einfach abriegeln, wie es viele Umweltschützer:innen fordern. „Einheimische sollten ihre Wälder bewirtschaften können, so wie wir das auch tun.“
Tisha Ramadhini baut das Geschäft vor Ort mit auf, sechs Dörfer sind schon dabei. Die Projektregion Gunung Mas liegt im Herzen Zentralkalimantans – des Flachlands zwischen Sumpfgebieten an der Javasee im Süden und bewaldeten Hügeln im Norden. Zuvor studierte Ramadhini Waldmanagement in Banjarbaru, Süd-Kalimantan. Wenn sie nicht für Fairventures unterwegs ist, pflegt sie einen Permakulturgarten zusammen mit ihrem Partner. „Ich bin verrückt nach Erde und Mikroorganismen, der Funktionsweise von Pflanzen und Bakterien.“
Garten im Gummi-Dschungel
Ihre Sicht auf den Waldverlust um sie herum hat sich im Laufe der vergangenen Jahre verändert. Zuerst habe sie die Menschen verurteilt, die Bäume töten, um Geld zu verdienen. „Jetzt sehe ich, dass die Zerstörung meist eine Verzweiflungstat ist.“ Wir sollten niemals über Menschen urteilen, sagt sie, die in Waldgebieten leben, dort schlafen, wohnen und sich ernähren müssen. In den Medien gehe es oft um die Rettung der Primärwälder auf Borneo, „die grüne Lunge der Erde oder wie sie sie nennen“. Ramadhini selbst habe aber noch nie einen Primärwald gesehen, obwohl sie hier aufgewachsen ist. Das meiste seien Sekundärwälder mit jeder Menge Kautschukbäumen, die von Generationen indigener Menschen bewirtschaftet wurden. „Gummi-Dschungel“ nennt Ramadhini sie liebevoll – verwilderte, biodiverse Stückchen Erde, die Fairventures gemeinsam mit den lokalen Gemeinden bewahren will.
Und zwar so: Das Land der Lizenzinhaber:innen – aktuell etwa 3.000 Hektar – wird in zwei Kategorien unterteilt, eine kommerzielle Fläche und eine Schutzzone. Kommerzielle Flächen sind degradiertes, ausgelaugtes Land, auf dem fast nur noch Sträucher wachsen. Davon gibt es viele in der Region. Schutzzonen sind intakte Wälder, sie bleiben unberührt. Die degradierten, kommerziellen Flächen dagegen werden in Agroforstsysteme umgewandelt: Felder, auf denen Bäume und Zwischenfrüchte wie Kakao und Ingwer nebeneinander gedeihen. Die Vielfalt schützt vor Bodenerosion und hemmt die Ausbreitung von Krankheiten – pestizidfrei. Fairventures stellt Equipment und Setzlinge und schult zu Agroforstwirtschaft, wobei Ramadhini betont, dass der große Erfahrungsschatz Einheimischer einbezogen wird: „Wir stehen immer im Dialog.“ Denn Felder mit Bäumen, die Früchten Schatten spenden, sind auch in Indonesien eine uralte Anbaumethode indigener Menschen und keine neue Erfindung.
[shortcode_enorm_featured_image_captio…Sengon ist eine in Asien heimische Pflanze, die extrem schnell wächst: sechs bis acht Meter pro Jahr. Ihr Holz kann etwa zum Bauen oder für Möbel genutzt werden.