Gegen Stereotype posten
Sandra Gallner ist Elektronikerin und Influencerin (@electricsandy)
„Ich bin seit einem Jahr Meisterin der Energie- und Gebäudetechnik und hauptsächlich in Neubauten rund um den Starnberger See und in München tätig. Dabei habe ich oft einen wunderschönen Blick: über das Wasser, ins Grüne. Am liebsten baue ich Verteilungen, das heißt, ich schließe die im Haus verlegten Leitungen an den entsprechenden Stromkreis an. Eine meiner Lieblingsaufgaben ist auch das Programmieren von Smart-Home-Anwendungen. Smart sind etwa Jalousien, die bei Sturm automatisch hochfahren, damit sie nicht kaputt gehen.
Auf meinen Job bin ich aber rein zufällig gekommen. Nach der Realschule habe ich eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement angefangen – in dem Betrieb, in dem ich heute Elektrikerin bin. Irgendwann habe ich mal bei einem Monteur ausgeholfen. Eigentlich sollte ich nur eine Leiter halten … Am Ende fragte mich mein Ausbilder: Hast du nicht doch Lust auf Elektro? Handwerksjobs hab ich mir bis dahin nicht zugetraut, reine Männersache, dachte ich. In meiner Berufsschulklasse und im Lehrjahr war ich dann tatsächlich auch die einzige Frau – aber fühlte mich total akzeptiert. Die meisten finden es toll, dass mehr Frauen in den Beruf gehen. Aber natürlich gibt es auch ein paar, die einfach nicht sehen wollen, dass man den Job als Frau genauso gut machen kann. Heute gibt es auf Instagram viele Vorbilder, zum Beispiel Elektrikerin Magdalena (@electriciangirl_), Tischlerin Isabelle (@die.tischlerin) und Dachdeckerin Jennifer (@jenni_vom_dach). Selbst aktiv bin ich dort seit 2018 als ‚electricsandy‘. Um jüngere Menschen zu erreichen, am besten Schüler:innen, nun auch bei TikTok. Ich möchte gleichzeitig Mut machen und Stereotype entkräften. Elektriker:in zu sein ist so viel mehr als auf der Baustelle stehen, Schlitze in Ziegel klopfen, um die Leitungen reinzubekommen, Kabel ziehen. Oft sitze ich am Laptop, schreibe ein Programm und übertrage es anschließend auf die jeweiligen Bauteile. Mir ist es wichtig, dass meine Follower:innen ein realistisches Bild von meinem Beruf bekommen. Das bedeutet, dass ich in meinen täglichen Insta-Storys auch zeige, wenn etwas mal nicht klappt und ich genervt bin.
Das war nicht immer so. Während meines Meisters und nach der Gesellenprüfung habe ich eine Content-Pause eingelegt. Ich hatte Angst, für Fehler im Internet verurteilt zu werden. Heute weiß ich: Keine:r kann alles wissen, vor allem nicht in der anspruchsvollen Elektrotechnik. Bei meinen rund 20.000 Follower:innen funktionieren die Posts und Storys am besten, in denen ich Dinge erkläre: ‚So baue ich eine Steckdose ein‘, statt: ‚Hey, heute stehe ich auf der Baustelle‘. Ab 5.000 Follower:innen kamen Anfragen von größeren Unternehmen rein, etwa von Bosch oder der Messe Dortmund. Dort war ich dann mit einer anderen Instagrammerin unterwegs, Anna-Lena (@elektrikerin_2020). Manchmal helfen wir Elektriker:innen uns per Insta-Storys sogar gegenseitig: ‚Weiß jemand, wie ich diese Verteilung hinbekomme?‘ … ‚Klar, probier mal …‘“
Mutzusprecherin
Heidi Balkenhol verhindert Ausbildungsabbrüche mit VerA
„Viele Jugendliche fühlen sich in der Ausbildung überfordert, sind unsicher oder überlegen sogar, abzubrechen. Das ist weder gut für die Auszubildenden noch für unsere Gesellschaft, der Fachkräfte fehlen. Und da setzt unsere Initiative Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen (VerA) vom Senioren Experten Service (SES) der Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit an.
VerA ist eine kostenlose Eins-zu-eins-Betreuung für Azubis durch ehrenamtliche Seniorinnen und Senioren. Wir unterstützen sie bei Problemen in der Schule, im Betrieb, aber auch bei persönlichen Anliegen – je nachdem, wo sie Hilfe benötigen. Manche haben Prüfungsangst, andere haben ein Problem mit Behörden-Bürokratie, einem Ausbilder oder Geldsorgen. Wir hören ihnen zu, versuchen Lösungen zu finden, wollen Rückhalt geben. Wir sind also keine klassische Nachhilfe, bei Bedarf helfen wir aber auch bei Hausaufgaben oder vor anstehenden Prüfungen. 21.000 Azubis hat VerA seit 2009 begleitet, mit einer Erfolgsquote von 75 Prozent.

Ich begleite seit 2018 ehrenamtlich Azubis und treffe sie in der Regel einmal pro Woche. Das ist eine sinnvolle Aufgabe, die mir viel Freude bereitet. Oft arbeiten die Azubis, die ich betreue, in Handwerksberufen, sodass ich ihnen gut zur Seite stehen kann, weil ich selbst aus diesem Bereich komme. Bisher durfte ich sechs Azubis bis zum Ende ihrer Ausbildung begleiten – zu allen hatte ich einen guten Draht und alle haben ihre Ausbildung gut abgeschlossen – das ist jedes Mal aufs Neue ein tolles Gefühl!
Die Begleitung ist für den Betrieb und die Azubis kostenlos, weil unter anderem das Bildungsministerium uns fördert. Unsere Senior:innen haben die unterschiedlichsten Abschlüsse und in den verschiedensten Berufen gearbeitet, deshalb können sich alle Azubis bei uns melden. Sie müssen nur einen Online-Antrag stellen. Aktuell kann die Bearbeitung der Anträge leider bis zu zwei Monate dauern, ansonsten sind sie aber sehr unkompliziert. Wir suchen aber immer nach Verstärkung, um schnellere Betreuung möglich zu machen.“
Vier-Tage-Woche im Sanitärbetrieb
Detlef Büring lockt Lehrlinge mit New Work an
„Wir haben in unserem Sanitärbetrieb Eugen Büring GmbH in Münster im September 2023 eine Vier-Tage-Woche eingeführt. Unsere Monteur:innen haben jetzt freitags frei, zuvor haben sie dort ohnehin nur fünf Stunden gearbeitet. Diese fünf Stunden werden montags bis donnerstags nachgeholt. Die Wochenarbeitszeit bleibt zwar mit 37 Stunden gleich, aber unsere Mitarbeitenden haben ein langes Wochenende. Das soll ihnen eine bessere Work-Life-Balance ermöglichen: mehr Zeit für Familie, Freund:innen und Alltags-Erledigungen, Arztbesuche et cetera. Wir erwarten aufgrund des Austausches mit anderen Vier-Tage-Woche-Betrieben auch, dass wir weniger Krankheitstage haben werden und insgesamt effizienter arbeiten.
Ich habe die Belegschaft zuvor in Einzelgesprächen gefragt, ob sie sich eine Vier-Tage-Woche vorstellen können. 92 Prozent fanden die Idee gut. Die anderen Mitarbeitenden konnten wir davon überzeugen, das Projekt mit allen zusammen sechs Monate lang auszuprobieren. Es gab nur einmal Klärungsbedarf, als es um den Urlaubsanspruch ging: In den sechs Monaten sinkt der nämlich anteilig von 30 Tagen auf 24, weil Urlaub in Deutschland nicht an Arbeitsstunden gebunden ist, sondern an die Anzahl der Arbeitstage. Das hat erst für etwas Unverständnis gesorgt, aber wir konnten es klären. Nach zwei Wochen hat sich außerdem ein Mitarbeiter gemeldet, der die längere Arbeitszeit sehr anstrengend findet. Er will dem Projekt trotzdem weiterhin eine Chance geben.
Nach der Probezeit werden wir mit jeder Person resümieren: Wie geht es ihr und ihrer Familie mit der Vier-Tage-Woche? Ist die Belastung an den vier Arbeitstagen eventuell doch zu hoch? Sollte die Mehrheit der Mitarbeitenden wieder zurück in die Fünf-Tage-Woche wollen, da…
Das Handwerk wird diverser, digitaler und nachhaltiger.