Frankreich
Staatskohle für ein blühendes Handwerk
Eine Million Auszubildende pro Jahr – das hat sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron 2018 zum Ziel gesetzt. Das Land kommt diesem Ziel immer näher, denn Berufsausbildungen boomen in Frankreich: 2022 haben 837.000 Menschen einen Ausbildungsvertrag unterschrieben, mehr als doppelt so viele wie 2017. Und jede:r Vierte wählt eine Lehre im Handwerk – mehr als je zuvor. Wie kommt’s?
Im September 2018 ist in Frankreich ein Gesetz in Kraft getreten, das nichts weniger sicherstellen will als die Freiheit, seine berufliche Zukunft selbst zu wählen (Loi pour la liberté de choisir son avenir professionnel). Was nach Selbstverwirklichung klingt, will einfach mehr Menschen in Lohnarbeit bringen. In Frankreich waren laut Eurostat 2017 knapp zehn Prozent der Bürger:innen arbeitslos – in Deutschland nur etwa vier Prozent. Fast jede:r Vierte unter 25 hatte damals keine Arbeit. Das Freiheitsgesetz sollte nun Betriebe dazu bringen, mehr Ausbildungsplätze anzubieten, und Interessierten den Zugang zu Ausbildungsberufen erleichtern. Dafür wurde etwa das Arbeitslosengeld neu geregelt, Geld für Weiterbildung und Gründung zur Verfügung gestellt – und die Berufsausbildung reformiert.
Die Berufsausbildung und damit auch das Handwerk haben in Frankreich einen schweren Stand, denn das Bildungssystem gilt als sehr verschult. Etwa 80 Prozent eines Jahrgangs gehen auf ein Lycée, ein Gymnasium, und machen das französische Abitur, das baccalauréat. Das bac géneral und das bac technologique führen zur allgemeinen Hochschulreife und Fachhochschulreife. Seit 1985 bereitet das bac professionnel auf einen Beruf vor. 2018 machten rund 21 Prozent der Abiturient:innen das bac professionnel.
Das Problem: Schüler:innen beruflicher Gymnasien erwerben dabei ihr Know-how oft nur in 16-wöchigen Praktika. Im Gegensatz zu Azubis in mehrjähriger Berufsbildung sind sie danach kaum fit für den Beruf, es fehlt jede Menge Praxis. Die Folge: arbeitslose Absolvent:innen – und noch weniger Handwerker:innen. Betriebe boten bis zur Reform kaum Lehren an, zumal sie das bac professionnel mitfinanzieren müssen – und kaum noch Geld für eigene Azubis hatten. Ein Teufelskreis.
Diesen Teufelskreis hat das Freiheitsgesetz durchbrochen: Für jede:n Azubi zahlt der Staat den Betrieben seit 2018 im Schnitt 6.000 Euro. Ein Anreiz, der die Firmen dazu bringt, wieder Nachwuchs auszubilden. Insgesamt gibt Frankreich heute 12 Milliarden Euro mehr für die Berufsausbildung aus als Deutschland – das 1,3mal mehr Auszubildende hat. Außerdem hat Frankreich den Zugang zu Berufsausbildungen erleichtert: Das Höchstalter wurde von 26 auf 30 Jahre angehoben, zudem können Interessierte nun jederzeit im Laufe eines Schuljahres mit der Ausbildung beginnen. Mit Erfolg: 2020/21 waren etwa 175.200 junge Handwerker:innen in Ausbildung.
Und wie geht es den Handwerk-Azubis? Nach Angaben der französichen Handwerkskammer sagen 88 Prozent der Handwerker:innen zwischen 16 und 29 Jahren: Ihr Handwerk macht sie glücklich.
Japan
Den Schatz der Takumi bergen
Welchen Stellenwert das Handwerk in einer Gesellschaft heute haben kann, zeigt Japan. Dort gibt es die sogenannten Takumi, was so viel bedeutet wie Meister:innen des Kunsthandwerks. Diese Menschen gehören zu den Besten ihres Fachs und beherrschen ihr Handwerk hervorragend, egal ob Kochen, Tischlern oder Lackieren. Statt mit schweren Maschinen arbeiten sie viel mit der Hand und einfachen Werkzeugen. So nutzen sie zur Metallverarbeitung zum Beispiel kleine Feilen, um mehr Gefühl für das Material zu haben. Um Takumi zu werden, müssen Handwerker:innen jahrezehntelange Erfahrung besitzen. Mindestens 60.000 Arbeitsstunden sind nötig, das entspricht einer 30-jährigen Karriere bei acht Arbeitsstunden an 250 Tagen im Jahr.
Ein Unternehmen, in dem Takumi eine große Rolle spielen, ist Toyota. Der japanische Automobilhersteller beschäftigt mehr als 375.000 Mitarbeiter:innen – rund 500 davon sind Takumi und arbeiten in der Qualitätskontrolle der Lexus-Produktion, der Luxusmarke von Toyota. Mit ihrer Expertise entwickelt Toyota auch Maschinen weiter: Zum Beispiel zeigen Takumi den Programmierer:innen von Lackierrobotern, welche Bewegungen diese ausführen müssen, um den Lack möglichst effizient und geschmeidig aufzutragen.
Ihr Wissen geben die Takumi weiter, indem sie Mitarbeiter:innen weltweit ausbilden und schulen. Damit Toyotas Takumi-Lehrlinge genauso perfekt arbeiten wie ihre Meister:innen, müssen sie zum Beispiel vorher eingearbeitete Detail-Mängel im Metall der Autos finden.
Auch der älteste Handwerksbetrieb Japans, Kongō Gumi, setzt auf die Erfahrung von Takumi: Der Familienbetrieb exis…