Dass sich die Ergebnisse nicht mit den Forderungen von Aktivistinnen und Aktivisten decken werden, sagt auch Malte Hentschke, stellvertretender Geschäftsführer und Referent Klima- und Energiepolitik bei der Klima-Allianz Deutschland. Im Gespräch mit Good Impact erklärt er, warum das so ist und weshalb wir die Klimagipfel dennoch unbedingt brauchen.
Herr Hentschke, Sie waren eine Woche bei der Klimakonferenz in Madrid. Wie beurteilen Sie die Verhandlungen?
Das Ergebnis reicht bei Weitem nicht aus, um der Klimakrise gerecht zu werden. Es wird auch nicht dem gerecht, was zur Zeit auf den Straßen passiert und was die Menschen und vor allem die Jugendlichen verlangen – nämlich eine ambitionierte und entschlossene Klimapolitik. Bei den wesentlichen Punkten hat die Konferenz nicht geliefert.
Was waren die größten Streitpunkte?
Schäden und Verluste wie Überflutungen, die der Klimawandel vor allem in den „Entwicklungsländern” auslöst, werden von den Industrieländern nicht ausreichend finanziell anerkannt. Es herrscht sehr großer Widerstand, dafür zu bezahlen. Vor allem die USA und Australien haben das stark blockiert. Denn die Industrieländer haben Angst, dass sie damit rechtlich Ansprüche schaffen und sie wegen Folgeschäden durch den Klimawandel verklagt werden könnten. Auch die Frage nach Menschenrechten ist aus den Abschlusstexten herausgeflogen. Ein anderes großes Thema war Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens, bei dem es um Kohlenstoffmärkte geht. Das heißt Länder, die weniger für den Klimaschutz unternehmen, können von anderen Ländern CO2-Zertifikate kaufen, um die Klimaziele zu erreichen. Aber die aktuellen schwachen Vorschläge hätten die Tür für Doppelzählungen geöffnet: Es haben klare Regelungen gefehlt, wie diese Minderungen gezählt werden und wer sich diese anrechnen kann. Daher ist es gut, dass noch keine Einigung erzielt wurde und diese schwachen Vorschläge nicht durchgepeitscht wurden. Das muss jetzt auf der nächsten Klimakonferenz in Glasgow final geklärt werden.
Der Klimagipfel sollte als Vorbereitung für nächstes Jahr dienen, wenn viele Staaten im Rahmen des Pariser Klimaabkommens ihre neuen Klima-Aktionspläne einreichen müssen. Ist das gelungen?
Schon beim Sondergipfel im September haben wir wenig Einsatz der großen Industrieländer gesehen, ihre Klimaziele zu erhöhen. Das ist ein großes Problem. Das offizielle Verfahren zur Klimazielerhöhung beginnt zwar erst im nächsten Jahr, aber man hatte gehofft, dass die Staaten ankündigen, was sie tun werden, um die Dynamik zu erhöhen. Die Ankündigungen, die bisher im Raum stehen, stellen das Pariser Klimaabkommen infrage. Sie genügen nicht den Herausforderungen, vor denen wir stehen. Man ist zwar nicht hinter dem zurückgefallen, was schon beschlossen war, aber man konnte es auch nicht verbessern. Daher ist das kein Fortschritt. Bis zur nächsten Klimakonferenz in Glasgow in einem Jahr muss das jetzt fertiggemacht werden.
Was kann eine Klimakonferenz überhaupt leisten?
Sie ist ein Verhandlungsformat, das nicht von heute auf morgen eine wirklich massive Reduzierung von Treibhausgasen weltweit leisten kann. Dafür sind dann die einzelnen Länder mit ihrer nationalen Politik verantwortlich. Sie müssen ihre Hausaufgaben machen. Aber es sitzen alle Staaten der Erde an einem Tisch zusammen. Die Klimakonferenzen sind unser einziger Rahmen, um rechtlich verbindliche Ziele zu setzen. Außerdem vernetzten sich dort zivilgesellschaftliche Akteure. Marginalisierte Menschen, die schon jetzt von der Klimakrise betroffen sind, können dort ihre Sicht vortragen und auf die Verhandlungen einwirken. Dadurch schaffen wir ein Verständnis für globale Probleme.
Sicherheitskräfte der UN und der Veranstalter haben eine nicht genehmigte Demonstration von Umweltgruppen und indigenen Organisationen unterbunden. Wie gut kann sich die Zivilgesellschaft dort wirklich Gehör verschaffen?
Der Raum, den es für zivilgesellschaftlichen Protest gibt, wurde in den vergangenen Jahren immer stärker eingeschränkt. Das ist eine Entwicklung, die wir mit Sorge sehen. Kritische Stimmen aus der Zivilgesellschaft sind erwünscht – aber nur, wenn sie sich in einem festgelegten Rahmen bewegen. Sobald sie friedliche Aktionen darüber hinaus unternehmen, wird ihnen schnell ein Riegel vorgeschoben.
Die EU hat sich zum Ende des Klimagipfel auf einen Green Deal verständigt, um Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinenten zu machen. Was halten Sie davon?
Es war ein wichtiges Signal zum Ende der Klimakonferenz, dass die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Thema in den Mittelpunkt ihrer Amtszeit rückt. Der Green Deal ist auch wirklich ein Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik, der konkret mit Geldern und Zusagen verbunden ist. Die 260 Milliarden Euro jährlich, die zur Verfügung gestellt werden sollen, sind ein sehr wichtiger Anfang. Jetzt müssen klare Bedingungen herausgearbeitet werden, wofür das Geld ausgeschüttet werden kann. Wir kritisieren aber, dass auch ein Türchen für die Nuklearenergie geöffnet worden ist. Das hat aus unserer Sicht nichts mit grüner Energie zu tun. Auch Klimaneutralität bis 2050 wird nicht den Anforderungen des Pariser Klimaabkommens gerecht – Europa müsste das bis 2040 anstreben.
Wie gut hat Deutschland in Madrid abgeschnitten?
Deutschland verhandelt ja zusammen mit der EU und ist ein wichtiger Akteur, um Lösungen zu erarbeiten. Das Problem ist, dass national nicht viel passiert und wir die Klimaziele 2020 und 2030 deutlich verfehlen werden. Da wird Deutschland seiner globalen Verantwortung nicht gerecht. Aber wenn jetzt die EU ihre Klimaziele erhöht, muss Deutschland nachziehen, insbesondere in der Energie- und Verkehrspolitik. Man muss etwa den Nahverkehr in Städten massiv ausbauen, Fahrradinfrastruktur verbessern und Elektromobilität aus erneuerbaren Quellen fördern.
Welche Staaten sind derzeit Vorreiter in Sachen Klimaschutz?
Der Klimaschutzindex von Germanwatch zeigt, welche Länder wie viel für den Klimaschutz unternehmen. Die ersten drei Plätze sind da frei, weil es zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich kein Land gibt, das genug tut, um die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Auf dem 4. Platz kommt dann Schweden, gefolgt von Dänemark. Dort wurde gerade ein Klimaschutzgesetz beschlossen, mit dem die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 70 Prozent reduziert werden sollen. Dänemark setzt außerdem stark auf Windenergie. Auch Costa Rica investiert massiv in erneuerbare Energien und hat sich ambitionierte Ziele gesetzt.
Was genau ist eine UN-Klimakonferenz?
Wenn es um internationale Klimapolitik geht, spielen die Vereinten Nationen (UN) und insbesondere die UN-Klimarahmenkonvention eine entscheidende Rolle. Im Jahr 1992 unterzeichneten zunächst 154 Staaten diesen internationalen Vertrag. Mittlerweile sind es 197. In dem Vertrag geht es um die steigende Erderwärmung sowie deren Auswirkungen. Auf den jährlich stattfindenden Treffen, den UN-Klimakonferenzen (Conferences of the Parties, COP) verhandeln und verabschieden Staaten Beschlüsse. Das Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2015 ist das Ergebnis der entsprechenden Konferenz in Paris. Dort haben sich 195 Länder rechtsverbindlich auf einen globalen Aktionsplan geeinigt. Dadurch soll unter anderem die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad, möglichst auf 1,5 Grad, im Vergleich zum vorindustriellen Level begrenzt werden.Klimakonferenzen bieten eine wichtige Plattform für zivilgesellschaftlichen Protest.