Was ist Buzzard?
Dario Nassal: Buzzard ist die Idee, eine Plattform zu schaffen für einen neuen, differenzierten Medienkonsum. Der Diskurs ist kaputt, die Fronten sind verhärtet. Uns ist klar geworden, dass wir einen neuen Medienkonsum brauchen. Es ist wichtig, viele Perspektiven auf die Fragen unserer Zeit zu finden. Gerade jetzt während Corona ist es eine Zeit, in der sich viele ihr Weltbild ganz besonders intensiv über die Medien zusammenschustern.
Wenn ich mir die App runtergeladen habe, was bietet sie mir dann?
Dario: Wir bieten eine News-App für Perspektivenvielfalt. Es gibt das Format Buzzard – der Tag, das von Montag bis Freitag zum Feierabend erscheint. Darin bilden wir zu drei Themen des Tages vielfältige Perspektiven aus der deutschen und internationalen Medienlandschaft ab. Alle Beiträge fassen wir zusammen und verlinken zum Original. Und: Wir liefern eine ausführliche journalistische Einordnung.
Felix Friedrich: Die vielen Debatten, die Eingang in die App finden, werden in Zukunft von der Redaktion regelmäßig aktualisiert. Die Nutzer sollen Debatten folgen können, ihre Entwicklung im Zeitverlauf mitbekommen und bekommen in Zukunft im Falle von Aktualisierungen auch eine Push-Notification.
Wie lange arbeitet ihr schon an dem Projekt?
Felix: Dario und ich haben uns während des Studiums kennengelernt. Wir haben uns viel mit internationaler Politik und kontroversen Debatten beschäftigt. Es war ein Prozess über knapp drei Jahre von der Ideenfindung über die zweijährige Prototyp-Entwicklungsphase bis hin zum erfolgreichen Crowdfunding im November und Dezember 2019. Dieser Prozess kulminierte nun am 19. Mai mit dem Launch der App für Smartphones und Tablets und dem Start unseres täglichen Formats.
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Wolltet ihr von Beginn an auch unabhängige Unternehmer werden?
Dario: Am Anfang stand die Einsicht, dass wir und auch viele Menschen, die wir kennen, vor allem Medien mitbekommen und suchen, die unsere eigene Meinung und Weltsicht bestätigen. Wir dachten, es wäre doch fantastisch, wenn es eine Plattform gibt, mit der man die Filterblase aufbrechen kann und Meinungsvielfalt schneller wahrnehmen kann. Als wir begannen die Idee umzusetzen, haben wir gemerkt, dass aus der Idee ein Unternehmen wird – ein Start-up.
Felix: Wir sind nicht zu Verlagen oder Investoren gegangen. Rückblickend war das sehr idealistisch. Es hat dann eben doch drei Jahre gedauert von der Ideenfindung bis zu dem Punkt, an dem wir nun endlich täglich mit einem professionellen Redaktionsteam produzieren können. Aber ich hätte es nicht anders machen wollen. Wir haben den Weg über die Start-up-Inkubatoren und die Medienförderungsprogramme genommen und sind so zu Entrepreneurial Journalists gereift. Wir haben gelernt, mit agilen Projektmanagementmethoden zu arbeiten, erstmal klein anzufangen, zu experimentieren, Kunden zu fragen. So war es möglich, sich allein durch die Crowd zu finanzieren. Uns unterstützen Menschen, die – wie wir – motivierte, kritische Leser sind und den Anspruch haben, von vielen verschiedenen Medien die spannendsten Sichtweisen mitzubekommen. Sicherlich auch, weil fast jeder täglich kaum Zeit hat, wenn man ehrlich ist, selbst auf die Suche zu gehen.
Mit der Crowdfunding-Kampagne für Buzzard habt ihr innerhalb eines Monats mehr als 160.000 Euro eingesammelt. Wie habt ihr euch bisher mit euren Mitgliedern ausgetauscht?
Dario: In der Prototyp-Phase haben wir mit der Community intensiv über die Formate diskutiert. Das Tolle an der Kampagne war, sich erneut auf die Grundidee zu fokussieren und diese zu überprüfen. Die Kampagne hat nur funktioniert, weil die Kommunikation unserer ursprünglichen Idee gut funktioniert hat.
Felix: Wir haben nach dem Crowdfunding 2019 die Prüfkriterien für unsere 1700 Quellen überarbeitet und mit unserer Community und unserem journalistischen Beirat abgestimmt. Wir haben dafür zwei große Umfragen gemacht und das Feedback unserer Nutzer berücksichtigt. Welche Quellen sind ihnen wichtig? Was verstehen sie unter Perspektivenvielfalt? Wo ist die Grenze bei extremistischen Quellen? Auf Basis dieser Ergebnisse wurden in den vergangenen Monaten die App und die Kurationskriterien weiterentwickelt.
Man kann sich das so vorstellen, dass jedes Medium nach sorgfältiger Prüfung auf einem von drei Stapeln landet: Auf dem ersten Stapel liegen Medien, die wir mit großem Grundvertrauen für die Meinungsbildung empfehlen wie etwa die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, den Spiegel oder die Zeit und entsprechende internationale Äquivalente wie etwa den Guardian oder Blogportale wie Netzpolitik. Auf dem zweiten Stapel liegen die Medien, bei denen man sehr genau hinschauen muss: Sie sind wichtig, um demokratische Meinungsvielfalt abzudecken, aber sie verletzten immer wieder journalistische Standards, lassen wiederum allerdings auch konträre Meinungen zu. Dazu gehört etwa der oft einseitig berichtende, amerikanische Sender Fox News. Beispiele wären zudem der linke Blog NachDenkSeiten oder der rechts-konservative Blog Die Achse des Guten. Der dritte Stapel besteht aus Medien, die wir in unserer täglichen Arbeit nicht berücksichtigen, natürlich, wenn sie als verfassungsfeindlich eingestuft werden oder weil sie gegen grundlegende demokratische Werte verstoßen, etwa zu Gewalt aufrufen, den Holocaust verharmlosen oder schlicht kein Impressum haben, sodass unklar ist, wer hinter der Quelle steckt.
Wie kann sich Journalismus auf Dauer noch finanzieren?
Dario: Unsere erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne mit Buzzard ist auch ein Signal an die Medienbranche: Es funktioniert. Man kann eine große Community auf diesem Weg aufbauen. Es gibt da draußen viele Menschen, die für Journalismus bezahlen wollen. Sie wollen aber auch Teil des Projekts, des Produkts sein und Einfluss nehmen.
Felix: Crowdfunding ist ein Weg, bildet eine Basis. Man muss Leute auch für das eigene Unternehmen begeistern. Gleichzeitig kann man so nicht eine gesamte Branche finanzieren. Es muss neue Modelle geben, die Gelder für journalistische Arbeit und Dienste umverteilen. Wir sehen, dass Menschen nach wie vor soziale Medien im großen Stil nutzen, um sich zu informieren. Allein Google News ist ein riesiges Info-Portal, gibt aber den Verlagen relativ wenig von den Erlösen ab. Man muss sich überlegen, welche Plattformen man schaffen kann, über die alle Medienbetreiber und Journalisten in Zukunft profitieren können und nicht jedes einzelne Medium ein Crowdfunding machen muss. Dieses Geld wird nicht reichen. Es wäre doch toll, wenn es einen Beitrag gäbe, den jeder Mensch zahlen kann und alle Medien, die sich über ein bestimmtes Label dafür qualifizieren, bekommen einen Anteil. Allerdings darf der Staat den Journalismus nicht finanzieren. Ein solches Modell muss privat und fair geregelt sein. Vielleicht eine Genossenschaft, der Verlage und Plattformen beitreten können. Es geht nur mit einer alternativen markenübergreifenden Kooperation.
Buzzard finanziert sich über Abos. Die günstigste Variante gibt es für 3,50 Euro im Monat. Mehr Infos gibt es hier.
„Der Diskurs ist kaputt, die Fronten verhärtet“, finden Dario Nassal und Felix Friedrich. Mit ihrer News-App Buzzard wollen sie Perspektivenvielfalt zeigen und stärken.