Zukunftsbegriff

Blue Carbon

Die Meere erwärmen sich rasant, während wertvolle Kohlenstoffsenken wie Mangroven und Seegraswiesen verschwinden. Dabei speichern diese „Blue Carbon“-Ökosysteme CO₂ effektiver als Wälder – doch sie sind bedroht.

Die Erde heizt sich auf, gerade die Meere erwärmen sich schneller als vermutet, das zeigen die neuesten Berichte des Weltklimarates IPCC. Gleichzeitig schwinden natürliche Kohlenstoffspeicher. Wälder werden gerodet, Moore trockengelegt. Viel weniger bekannt für ihre Fähigkeit, riesige Mengen an CO2  zu speichern, sind die Küstengebiete. Wissenschaftler:innen sprechen von „Blue Carbon“ (BC) – dem Kohlenstoff, der in den Sedimenten und Pflanzen der Küstenökosysteme durch Photosynthese aufgenommen und gespeichert wird. Ihre Speicherkraft übertrifft die der Wälder deutlich. 

Mangroven, Seegraswiesen und Salzmarschen speichern jedes Jahr bis zu 216 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid – das entspricht etwa einem Viertel  der jährlichen globalen Flugverkehrsemissionen.  Doch: Aquakulturen, Landwirtschaft und Küstenbebauung zerstören diese Lebensräume. Seit den 1940er-Jahren sind mehr als dreißig Prozent der blauen Ökosysteme verschwunden. Heute noch gehen jedes Jahr nach Schätzungen des Bundesumweltministeriums 340.000 bis 980.000 Hektar der blauen Kohlenstoffsenken verloren.

Jahrtausendspeicher im Meer

Dabei sind sie eine entscheidende Ressource im Kampf gegen den Klimawandel. Das Besondere an ihnen? Während Kohlenstoff in Wäldern oft nur für Jahrzehnte oder Jahrhunderte gebunden bleibt, speichern die Pflanzengemeinschaften im Meer ihn über ihre Wurzeln im schlammigen Untergrund für Jahrtausende – und das wesentlich effektiver. Die vegetativen Lebensräume bedecken zwar weniger als ein Prozent des Meeresbodens und machen nur 0,05 Prozent der pflanzlichen Biomasse an Land aus, binden aber mehr als siebzig Prozent des Kohlenstoffs im Meer.

Blue Carbon zu schützen oder wiederherzustellen, wird daher immer wichtiger. Das Ziel: die Freisetzung riesiger Mengen CO2 verhindern, Lebensräume erhalten, Küstengemeinden vor den Folgen extremer Wetterereignisse schützen. Allerdings ist es teuer, Mangrovenwälder zu pflanzen und Salzwiesen zu sanieren. 

Ein Hebel dafür könnten Blue-Carbon-Zertifikate sein, die Unternehmen auf Kohlenstoffmärkten kaufen, um ihre Emissionen zu kompensieren. Das Geld ließe sich ähnlich wie bei Waldschutzprogrammen für den Erhalt von Blue Carbon einsetzen. Eine neue Studie von Ecosystem Marketplace, einer Initiative der NGO Forest Trends, zeigt allerdings, dass die Projekte noch zu klein und die Einstiegshürden zu hoch sind, um Unternehmen für Blue-Carbon-Fonds zu gewinnen. BC-Zertifikate sind bislang teurer als andere Kohlenstoffzertifikate, es werden hohe Vorlaufskosten erhoben und es fehlen Prüfer:innen, die die Wirksamkeit von Blue-Carbon-Maßnahmen evaluieren. Expert:innen fordern daher, den Schutz von Blue Carbon in nationale Klimaschutzpläne aufzunehmen.  

Illustration: Eva Leonhard

Rika Hagedorn

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