Streitgespräch: Verteilungspolitik

Brauchen wir eine Klimaabgabe für Reiche?

Sollen die Reichen mit einem Klimasoli für ihren erhöhten CO2-Ausstoß zahlen? Stefan Bach, Experte für Vermögensverteilung am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, hält das für angemessen. Thorsten Alsleben von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft sieht darin reine Symbolpolitik. Wir haben mit den beiden ein konstruktives Streitgespräch geführt.

Privatjets, Pools, Häuser an allen Ecken der Welt – das reichste ein Prozent der Welt pustet nach Berechnungen des World Inequality Lab der Paris School of Economics 100 Tonnen CO2 pro Jahr in die Luft, der globale Durchschnitt liegt bei 6 Tonnen. In Deutschland verbraucht das Top-1-Prozent 35-mal so viel wie das ärmste Drittel der Bevölkerung. Sollten wir Reiche extra zur Kasse bitten?

Stefan Bach: Das kann man machen. Denkbar wäre zum Beispiel ein Klimasoli. Wer in Deutschland viel verdient, könnte zeitlich befristet eine Sondersteuer zahlen. Die reichsten 8 Prozent der Steuerzahlenden, das sind etwa 4 Prozent der Bevölkerung mit einem Jahreseinkommen ab 85.000 Euro brutto, zahlen bis heute einen Solidaritätsbeitrag für die östlichen Bundesländer. Den könnten wir umwidmen und zu einem Klimasoli machen. Zumindest für die Bestverdienenden ab einem Jahresverdienst von 130.000 Euro. Das wäre praktisch eine Erhöhung der Spitzensteuersätze.

Sie haben ausgerechnet, was das bringen würde.

Bach: Derzeit spült der Soli gut 12 Milliarden Euro im Jahr in die Staatskasse. Er basiert auf einem Steuersatz von 5,5 Prozent, man könnte das auf 7 oder 10 Prozent erhöhen, das gäbe Mehreinnahmen von 3 bis 9 Milliarden Euro. Das ließe sich schnell, unbürokratisch und am besten zeitlich befristet umsetzen.

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Bach: Die Steuererhöhung selbst bringt nur wenig für den Klimaschutz, da die Betroffenen ihren Verbrauch dadurch voraussichtlich nicht sehr einschränken werden. Natürlich kann man mit dem Geld Klimaschutzmaßnahmen fördern. Vor allem verteilungspolitisch ist es sinnvoll, Hochverdienende stärker zur Kasse zu bitten.

Herr Alsleben, was halten Sie davon?

Thorsten Alsleben: Das leuchtet mir nicht ein. Wir haben doch längst eine massive Umverteilung. Viele Klimaschutzmaßnahmen und Förderprogramme – zum Beispiel zur Gebäudesanierung – werden aus Steuergeldern finanziert. Das einkommensreichste Prozent zahlt mehr als 24 Prozent der Steuern. Von den oberen 50 Prozent kommen etwa 94 Prozent der gesamten Lohn- und Einkommensteuer. Sie finanzieren also auch zu 94 Prozent das Förderprogramm für Gebäudesanierung. Ich halte es für falsch, Steuern für den Klimaschutz zu erhöhen. Deutschland ist jetzt schon Hochsteuerland, sowohl bei den Unternehmens- wie auch bei den Lohn- und Einkommenssteuern. Und bei den Spitzenverdienern werden fast 50 Prozent fällig. Wenn wir da noch einen Klimasoli drauflegen, grenzt das an Enteignung. Innovative Unternehmen im Land zu halten oder hochqualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, wird aussichtslos.

Verteilungspolitisch ist es sinnvoll, dass Hochverdienende mehr zahlen
Stefan Bach
Stefan Bach ist Mitarbeiter der Abteilung Staat am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin und Dozent an der Universität Potsdam. Zu seinen Schwerpunkten gehören Steuerpolitik, Einkommens- und Vermögensverteilung.

Bach: Ja, wir haben relativ hohe Belastungen in unserem System. Aber ist es deshalb auch gerecht? Seit Jahrzehnten werden wohlhabende Menschen entlastet, obwohl ihre Einkommen und Vermögen stärker steigen als bei den Normalbürger:innen. Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen sind gesunken.

Alsleben: Aber wenn wir Investoren nach Deutschland holen wollen, dürfen wir sie nicht noch stärker mit hohen Steuern abschrecken. Die Direktinvestitionen im ersten Halbjahr 2023 sind schon eingebrochen, es fehlen Fachkräfte, die wir – gerade für die Transformation – dringend benötigen. Wenn sie 100.000 Euro verdienen und dann geht die Hälfte für Steuern und Sozialabgaben drauf, werden sie niemals kommen. Reiche stärker zu belasten, mag das Gerechtigkeitsgefühl einiger Menschen befriedigen. Unter dem Strich würde es uns allen schaden.

Bach: Das ist richtig, angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation in Deutschland sollten wir vorsichtig sein mit zusätzlichen Belastungen, vor allem bei Unternehmen. Aber auf Dauer geht da mehr, etwa bei hohen Erbschaften oder Immobilien, wo es große Steuerprivilegien gibt.

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Finden Sie also nicht, dass die Verantwortung der Reichen für die Klimakrise zu wenig finanziell berücksichtigt wird, Herr Alsleben?

Alsleben: Welche Reichen meinen Sie? Wenn irgendwelche Ölscheichs mit Privatjets und Jachten unterwegs sind, da bin ich auch mit Verboten dabei. Leider haben wir darauf keinen Einfluss. Einfluss haben wir nur auf die Reichen in Deutschland. Eben zum Beispiel über die Lohn- und Einkommensteuer. Den Hebel nutzen wir ausreichend. Um die Klimakrise effektiv und sozial gerecht zu lösen, halte ich die CO2-Bepreisung für ideal. Wir müssen den Schaden bepreisen, der durch CO2 verursacht wird.

Wie genau?

Alsleben: Über einen hohen CO2-Preis und einen weiteren Ausbau des Zertifikatehandels können wir umweltschädliches Verhalten für alle teurer machen und damit Reiche anteilig stärker zur Kasse bitten. Denn wenn Reiche 35-mal so viel verbrauchen wie der Durchschnitt, zahlen sie natürlich auch 35-mal so viel ein. Diese CO2-Bepreisung sollten wir konsequent auf alle Bereiche ausdehnen. Sodass jede Tonne CO2 in jedem Sektor gleich viel kostet und der Preis Jahr für Jahr steigt, weil die Menge an Zertifikaten sinkt.

Bach: Natürlich zahlen die Reichen beim CO2-Preis mehr als die Armen, weil sie mehr verbrauchen. Aber relativ zum hohen Einkommen macht das bei ihnen viel weniger aus. Daher können sie sich einen satten CO2-Preis locker leisten. Warum also sollten sie nicht so weitermachen wie bisher? Umgekehrt bei den Armen: Sie verbrauchen zwar wenig, aber bei ihrem geringen Einkommen spüren sie alle Zusatzkosten sofort. Geld für Autofahren oder Heizen wird knapper. Deshalb bräuchten wir in jedem Fall ein Klimageld, das einen Teil der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung wieder an die Einzelnen verteilt. Prinzip: Alle bekommen das Gleiche aus dem Topf, wer weniger als der Durchschnitt verbraucht hat, macht Gewinn. Obwohl sie viel weniger eingezahlt hat, bekäme eine arme Familie mit vier Kindern den gleichen Betrag wie eine reiche Familie mit vier Kindern. Eine große Umverteilung.

Verlangen Sie im Ernst von Unternehmen jetzt ein Prozent vom Vermögen?
Thorsten Alsleben
Thorsten Alsleben ist Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Der Jurist arbeitete als Politik-Redakteur, Berater und für die Wirtschaftsunion. Soziale Marktwirtschaft sieht er als besten Weg zu ökonomischer und sozialer Sicherheit.

Alsleben: Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Herr Bach. Dieses Klimageld gehört unbedingt dazu, um das Modell sozial gerecht zu machen. Und wir wären sehr viel weiter, wenn wir es jetzt endlich einführen würden. Die Bundesregierung hat das ja im Koalitionsvertrag angekündigt, noch ist nichts geschehen. Und auch wenn das mit der Haushaltssperre nun schwieriger wird, sollte sie unbedingt daran festhalten. In anderen Ländern gibt es das Klimageld längst.

Bach: Nur wird die Bepreisung allein nicht reichen, weil sich viele die Kosten für klimaschonende Fahrzeuge und Gebäude nicht leisten können. Und wir müssen vorankommen mit dem Klimaschutz. Deshalb brauchen wir viele Instrumente, auch Förderung, zum Beispiel für Elektroautos oder Wärmepumpen. Selbst wenn das Geld durch die Haushaltssperre jetzt knapper wird. Und hier kommt der Klimasoli ins Spiel. Auch eine Vermögensabgabe oder -steuer von 0,5 bis 1 Prozent pro Jahr bezogen auf die Rendite könnte sinnvoll sein.

Alsleben: Dann verlangen Sie jetzt im Ernst von den Unternehmen: Ihr müsst sowieso schon euren ganzen Betrieb umstellen, digitalisieren, transformieren, aber um es euch so richtig schwer zu machen, nehmen wir euch noch mal ein halbes oder ein Prozent vom Vermögen weg? Ich glaube nicht, dass das jetzt ein richtiges Signal ist. Wir sind derzeit das einzige Industrieland mit negativem Wachstum. Da kann man einem Komapatienten auch gleich den Stecker ziehen.

In den USA werden Extra-Steuern für eine kleinere Gruppe diskutiert – die Superreichen. Denn nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung ist ihr CO2-Fußabdruck 1.000-mal so hoch wie der des nationalen Durchschnitts. Ist so eine Superreichen-Steuer sinnvoll?

Bach: Beschränken wir sie auf eine kleine Gruppe, kann das funktionieren. Zum Beispiel Menschen mit einem Vermögen ab 10, 20 Millionen Euro. Sonst ist der bürokratische Aufwand zu hoch, um die Vermögenshöhe überhaupt erst mal festzustellen.

Alsleben: Wenn wir von Superreichen sprechen, muss man wirklich aufpassen. Das oberste Prozent beginnt hierzulande nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung bei etwa 1 bis 2 Millionen Euro Vermögen pro Person. Klingt immer so viel. Aber wenn da auch etwa die selbst genutzte Immobilie einberechnet wird, deren Wert sich in den letzten 20 Jahren verdreifacht hat, ist man schnell in dieser Gruppe. Außerdem sind in den Vermögen oft auch Rücklagen für die Altersversorgung oder Firmenanteile im Familienbetrieb enthalten, der über Generationen gehalten wird und den deutschen Mittelstand ausmacht. Bei einer Vermögensabgabe wird es letztlich sehr viele Ausnahmen geben, der Effekt verpufft großteils. Die Vermögenssteuer ist wegen der schwierigen Ermittlung und der Ausnahmen die ineffizienteste Steuer überhaupt. Keine andere Abgabe verschlingt so viel für Bürokratie.

Man kann Inlandsflüge oder kleine Jets schon höher besteuern
Stefan Bach

Bach: Gut, aber 1 bis 2 Millionen Euro sind schon viel Geld. Das verdient kaum einer im Leben, geschweige denn, dass so viel übrig bleibt, neben dem, was man zum Leben braucht. Viele Reiche haben geerbt, im Durchschnitt ist die Hälfte eines Privatvermögens in Deutschland geerbt, bei den Superreichen liegt der Anteil noch höher.

Alsleben: Lassen Sie uns darüber in zwei, drei Jahren noch mal diskutieren. Wenn Deutschland dann wieder 2 bis 2,5 Prozent Wachstum hat, kann ich mir auch eine Reform der Erbschaftssteuer oder eine Vermögenssteuer vorstellen, wenn dadurch mittelständische Unternehmen nicht substanziell belastet werden. Jetzt ist ein ganz falscher Zeitpunkt, über solche Abgaben zu sprechen.

So eine Besteuerung ist reine Symbolpolitik und hilft dem Klima nicht
Thorsten Alsleben

Sollte man also lieber Luxuskonsum stärker besteuern? Privatjets, Jachten, Villen?

Alsleben: Was bringt es, Privatflugzeuge zu besteuern oder Inlandsflüge? In Deutschland sind sie nur für 0,1 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Das ist reine Symbolpolitik. Das hilft dem Klima nicht.

Bach: Einzelmaßnahmen sind immer willkürlich und werden schnell als übergriffig empfunden. Wo fängt übertriebener Luxus an? Auch muss man die Jachten und Villen einer Person erst mal alle erfassen, viele sind ja im Ausland. Inlandsflüge oder kleine Jets aber könnte man schon höher besteuern, wenn man sie nicht ganz verbieten will.

Von allein sind Reiche und sehr wohlhabende Menschen offenbar wenig sparbereit: Pro Kopf ist der CO2-Ausstoß in Deutschland zwischen 1991 und 2019 um 34 Prozent gesunken, beim wohlhabendsten Drittel deutlich weniger. Das oberste Prozent verbraucht sogar mehr denn je. Woran liegt das?

Bach: Ich glaube nicht, dass Wohlhabende per se weniger zu Klimaschutz bereit sind. Der Effekt liegt sicher auch daran, dass viele Menschen sich mehr leisten können. Flugreisen, große Wohnungen, Autos. Selbst wenn die Technik effizienter geworden ist, steigt dann insgesamt der Verbrauch. Das wird sich in den nächsten Jahren ändern, wenn klimaschonende Technologien günstiger werden.

Alsleben: Langfristig können Reiche auch Vorreiter sein und für den Absatz von innovativen Technologien sorgen. Die ersten E-Autos, die ersten Teslas, wurden ja nicht von der Mittelschicht gekauft.

Die Hilfsorganisation Oxfam fordert in einer aktuellen Studie, dass nicht nur Einzelpersonen, sondern auch die reichsten Länder der Welt mehr zahlen müssten.

Bach: Schon richtig. Wir brauchen weltweite Lösungen für das Klima. Es ist angemessen, dass reichere Staaten einen größeren Beitrag leisten. Sie emittieren ja schon seit mehr als 150 Jahren CO2, während viele Schwellenländer erst seit wenigen Jahrzehnten am Start sind. Nur wenn die Industrieländer jetzt in Vorlage gehen, können wir die politische Akzeptanz von Klimaschutz erhöhen. Dass Deutschland nur etwa 4 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortet, ist nicht so wichtig. Wir sollten zeigen, dass die Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft möglich ist.

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Alsleben: Also ein Vorbild sind wir nicht gerade mit unserem Minuswachstum und steigendem CO2-Ausstoß. Wir haben die Kernkraftwerke abgeschaltet und schrauben jetzt mühsam die CO2-Schleudern Kohle und Gas hoch. Statt den reichen Ländern Extra-Abgaben aufzudrücken, muss die Weltgemeinschaft endlich ein globales Handelssystem mit weltweit einheitlichem CO2-Preis und einer jährlich sinkenden Anzahl von Zertifikaten vereinbaren. Dann haben alle den gleichen Anreiz zu sparen. Alle Länder sollten sich beteiligen – in einer Art Klimaclub.

Allerdings halten Kritiker:innen den CO2-Preis für viel zu gering, um schnell genug Effekte zu erzielen.

Alsleben: Ich finde nicht, dass er zu niedrig ist. Wir sind bei fast 100 Euro pro Tonne, das können Mittelständler kaum stemmen. Er ist ein guter Anreiz, um eine CO2-freundliche Produktion einzuführen. Der CO2-Preis ist der Königsweg, nicht Verbote. Auch für Reiche.

Fotos: Florian Schuh, Gottfried Schwarz

Stefan Bach (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) und Thorsten Alsleben (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft)

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