Gebetsaufruf-Debatte in Köln

Allah und die Almans

In Köln dürfen Moscheen zum Gebet aufrufen und manch eine:r fürchtet mal wieder den Untergang des Abendlandes. Dabei bereichern sich unsere Kulturen schon seit 1200 Jahren gegenseitig.

Seit Oktober 2021 dürfen kölsche Moscheen in einem zweijährigen Modellversuch Freitag Nachmittag für ein paar Minuten zum Gebet aufrufen, wenn sie einen entsprechenden Antrag stellen. Die Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter und der Islamkritiker Hamed Abdel-Sama empörten sich daraufhin, der Muezzinruf Adhan enthalte im Gegensatz zum christlichen Glockengeläut die explizite Überlegenheits-Botschaft, dass Allah der Größte sei. Abdel-Sama sieht darin gar „Propaganda“ und „Ideologie“. Auch einige besorgte Kölner Einwohner:innen befanden, das wäre jetzt ein bisschen zu viel des Guten, und „das passe halt nicht zu Köln“.

Ich als Katholikin finde das alles äußerst Brechreiz stimulierend. Nur weil Kirchenglocken nonverbal sind, ändert das nichts daran, dass die christliche Lehre dem muslimischen Glaubensbekenntnis Allahu Akbar – Gott ist am größten – in nichts nachsteht. Es ist die zentrale Aussage aller monotheistischen Religionen. Übrigens wird das arabische Wort Allah auch von arabischen Christ:innen, Alevit:innen und manchen Juden und Jüdinnen verwendet.

Die in Europa stark im kollektiven Gedächtnis verankerte Islamophobie hat ihren Ursprung lange vor der türkischen Arbeitsmigration und dem Islamismus. Bereits seit seiner ersten Präsenz in Europa um das 8. Jahrhundert herum wird der Islam als Gegner des Westens inszeniert. Die Historikerin Almut Höfert schreibt dazu: „Es gilt der Primat der Andersartigkeit, der gemeinsame Entwicklungen und Strukturen verdeckt.“

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In seinem Buch „Der Islam in Deutschland” blickt der Islamwissenschaftler Michael Rohe genau deshalb auf die positiven Begegnungen der Menschen in Deutschland mit der islamischen Kultur, deren Frequenz so manche:n überraschen dürfte. In einer Phase des Hasses in der Epoche der Kreuzzüge auf Islam und Judentum (aufgrund dessen es auch brutale Pogrome der Deutschen an Juden und Jüdinnen gab) begann gleichzeitig ein reger Kultur- und Wissenschaftsaustausch mit der islamischen Welt. Seit dem 12. Jahrhundert trugen die Kaiser des Heiligen Römischen Reichs einen arabischen Krönungsmantel mit islamischen Schriftzügen. Kaiser Friedrich II. beschäftige – damals teils weit überlegene – muslimische Gelehrte und Handwerker an seinem Hof. Während das Wissen der Antike im mittelalterlichen Europa in Vergessenheit geriet, wurden die Schriften von Euklid, Platon und Co von Gelehrten in Bagdad bis Granada übersetzt, bewahrt und weiterentwickelt. Unter anderem diesem Transfer, dessen Geschichte man im Buch „Aladdin’s Lamp“ von John Freely nachlesen kann, sind auch die dutzenden deutschen Lehnworte aus dem Arabischen wie Algebra, Gitarre oder Zenit zu verdanken. 1736 wurde eine ständige osmanische Kommission in Berlin gegründet, Muslime wurden in die preußische Armee aufgenommen und König Friedrich Wilhelm I. richtete für sie in der Potsdamer Garnison eine Moschee ein. 1798 entwickelte sich das Fundament des ersten muslimischen Friedhofs in Berlin. Die Wissenschaft, die Literatur und die Künste entdeckten den „Orient“ für sich, Goethe schrieb den West-Östlichen Divan als Hommage an die persische Dichtung und Lessings Nathan der Weise sprach sich für die Ebenbürtigkeit des Islams und des Judentums mit dem Christentum aus. Wie gut, dass es auch heutzutage zahlreiche Gemeinden gibt, die das genauso sehen: Bereits seit den 90er-Jahren erlauben Städte wie Dortmund, Siegen oder Oldenburg Moscheen die Übertragung des Gebetsrufs über Lautsprecher.

Bild: IMAGO / Joko

Ein Symbol für das friedliche Zusammenleben von Muslim:innen und Nicht-Muslim:innen in der Hauptstadt, aber auch für die Verbundenheit der Muslim:innen untereinander: Seit 1928 lädt die älteste Berliner Moschee Muslim:innen aller Länder und Glaubensrichtungen zum Gebet ein.

Morgane Llanque

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