Historismus: Zur Geschichte des Tennis

Das Königsmörder-Spiel

Wie Tennis von einem Zeitvertreib für Mönche zum ersten feministischen Sport der Welt wurde.

Während die weißen Röcke für Wimbledon gerafft werden und Luca Guadagninos Tennis-Film Challengers mit Zenndaya in der Hauptrolle  die Gen Z für den Sport begeistert, ist es an der Zeit, sich mit der Frage zu beschäftigen: Wie wurde Tennis zum Massenphänomen – und wie zum Vorreiter des athletischen Feminismus?

Geboren wurde Tennis in der Muße der Enthaltsamkeit. Zumindest deuten die meisten Quellen darauf hin. Aus mittelalterlichen Chroniken wissen wir, dass französische Mönche eine Urversion des „Jeu de paume“ erfanden, ein Spiel, bei dem man sich zu Beginn ohne Schläger, sondern nur mit der Handfläche einen Ball zuspielte. Der Zeitvertreib wanderte vom Kloster in die Paläste: Während der Adel in seinen Schlössern Ballhäuser baute, die ausschließlich für den Sport gedacht waren, galt für den Pöbel in Frankreich zwischendurch ein Spielverbot.

Auf den britischen Inseln kostete Tennis 1437 dem schottischen König James I. das Leben. Er ließ einen Abwasserkanal zumauern, in dem während des Spiels immer wieder Bälle verschwanden. Drei Tage später hatte er sich damit den einzigen Fluchtweg vor seinen Mördern versperrt. In seiner heutigen Form wurde der Sport schließlich von Walter Clopton Wingfield auf dem englischen Rasen des 19. Jahrhunderts erfunden. Von dort aus verbreitete er sich um die ganze Welt. So weit, so elitär die Geschichte eines Spiels, das bis heute den Ruf hat, ein Zeitvertreib der Reichen und Schönen zu sein.

Tatsächlich wird insbesondere Männer-Tennis bis heute von auffallend vielen weißen und wohlhabenden Kerlen geprägt. Ganz anders sieht es aber im Frauen-Tennis aus.

Tennis, das „Jeu de paume“ im 18. Jahrhundert (li.); Bobby Riggs und Billie Jean vor dem Battle of Sexes, 1972 (re.). Fotos: Imago/Everett Collection

Schon, als der französische Adel das Ur-Tennis für sich entdeckt hatte, spielten Frauen wie Männer, früh auch in gemischten Teams. Wimbledon – der älteste und prestigeträchtigste Grand Slam der Welt – wurde schon 1884 für Frauen geöffnet. Zum Vergleich: Das erste internationale Frauenfußball- Spiel wurde erst 1971 von der FIFA anerkannt. 2023 waren neun der zehn am besten bezahlten professionellen Athletinnen der Welt Tennisspielerinnen. In kaum einem anderen Sport sind so viele Frauen so gut bezahlt und internationale Stars.

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Doch natürlich mussten sie sich auch hier ihren Stand hart erkämpfen: 1972 erreichte die US-amerikanische Spielerin Billie Jean King, dass die US Open Frauen das gleiche Preisgeld zahlen müssen wie Männern. Ein Jahr später besiegte sie Bobby Riggs in einem groß inszenierten TV-Event, dem legendären Battle of the Sexes. Dies ebnete den Weg für die endgültige Anerkennung von Tennisspielerinnen. King war auch die weltweit erste Profisportlerin, die sich öffentlich als homosexuell outete.

Das Tennis nicht nur Sache der Frauen, sondern auch der nicht weißen Frauen wurde, ist vor allem den Schwarzen US-Amerikanerinnen Venus und Serena Williams zu verdanken, die es aus einfachen Verhältnissen zu zwei der besten Tennisspieler:innen unserer Zeit brachten. Venus Williams war es auch, die durchsetzte, dass Wimbledon, als letztes der großen Turniere, 2007 Frauen endlich das gleiche Preisgeld zahlte wie Männern. Vorbei ist der Kampf allerdings noch nicht: So lagen nach Berichten der Financial Times 2022 die Preisgelder in allen Männerturnieren außerhalb der Grand Slams insgesamt 75 Prozent höher als bei den Frauen.

Foto: Public Domian

Suzanne Lenglen gewann 1920 als erste Spielerin bei den Internationalen Englischen Tennismeisterschaften in Wimbledon in allen drei Konkurrenzen den Titel (Einzel, Doppel und Mixed).

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