Kolumne Histourismus

Wie Erfinderinnen unsichtbar gemacht worden sind

Frauen wurden in Naturwissenschaft und Technik jahrhundertelang von Männern unsichtbar gemacht, ihre Erfolge gestohlen. Nun werden sie langsam anerkannt.

Ich bin kein Ford-Fan und habe auch sonst nicht viel mit Autos am Hut, aber der Werbespot der Karossenschmiede zum diesjährigen Weltfrauentag imponiert mir: In dem Video stellt Ford Kanada ein „Men’s Only“-Auto vor, das ohne Scheibenwischer, Navigationssystem, Heizung und Rückspiegel auskommen muss. Alles Dinge, die von Frauen erfunden oder maßgeblich mitentwickelt wurden. So erhielt die Erfinderin Mary Anderson 1903 das Patent für die erste Scheibenwaschanlage der USA, die Afroamerikanerin Gladys West entwickelte die mathematischen Modelle, auf denen das moderne GPS-System basiert.

Hatte ich vor dem Weltfrauentag 2023 schon einmal von diesen beiden Damen gehört? Natürlich nicht. Jahrhundertelang wurden Frauen unsichtbar gemacht, insbesondere, wenn es um wissenschaftlichen Fortschritt und technische Innovation ging. Ein weiblicher Daniel Düsentrieb passt einfach nicht in unseren historisch und kulturell männlich geprägten Geniekult. So wurde den vielen Frauen, die hinter diesen Genies standen (bei dem britischen Vater der Computer Alan Turing war es zum Beispiel die Informatikerin Joan Clarke), stets das Rampenlicht verwehrt. Durch den systematischen Ausschluss von Frauen, erst an Universitäten und dann in den Laboren und Preis-Komitees, hielt sich bis tief ins 20. Jahrhundert hinein das Narrativ von den rational denkenden Männern und den gefühligen und daher für die Wissenschaft ungeeigneten Frauen.

Anerkennung bleibt oft aus

Dem Feminismus sei Dank arbeiten immer mehr Universitäten und Unternehmen ihre sexistische Wissenschaftsgeschichte auf. Wie im Fall der Britin Rosalind Franklin, die in den 50er-Jahren als Erste bewiesen hatte, dass die DNA die Form einer Doppelhelix hat. Die Forscher James Watson und Francis Crick von der Universität Cambridge stahlen ihre Ergebnisse mithilfe von Franklins Kollegen Maurice Wilkins – und bekamen den Nobelpreis. In einem Buch über die Doppelhelix schwärmte Wilkins davon, wie attraktiv Franklin ohne ihre Brille sei. Als Kollegin auf Augenhöhe akzeptierte er sie nie. Erst seit wenigen Jahren erfährt Franklin endlich Anerkennung, mehrere Ausstellungen und Vorträge, so an ihrem ehemaligen College, haben sie gewürdigt, die Europäische Weltraumorganisation ESA hat einen Mars-Rover nach ihr benannt, Kiel eine Schule.

Rosalind Franklin, Foto: CC BY-SA 4.0

Geschichten wie diese trösten mich sehr, aber sie machen mich auch traurig. Denn sie zeigen, wie viel noch zu tun ist. Von wie vielen Frauen, die durch ihre genialen Ideen und harte Arbeit unsere Gesellschaft vorangebracht haben, werden wir nie erfahren, weil Männer ihre Spuren zu gut verwischt haben? Liebe Leser:innen, wenn ihr das nächste Mal einen Geschirrspüler befüllt, denkt an seine Erfinderin Josephine Cochrane. Wenn ihr über den Stern der Hollywood-Legende Hedy Lamarr schreitet, dann in dem Wissen, dass sie auch maßgeblich an der Entwicklung des Wi-Fi beteiligt war. Wenn ihr in einer regnerischen Nacht sicher in einem Wagen sitzt und die Scheibenwischer einschaltet, dankt Mary Anderson.

Foto: Unsplash / Diane Serik

Frauen sind in der Wissenschaft noch immer unterrepräsentiert.

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