Das Interview mit Marten Laciny aka Marteria und seinem Label-Manager Chris Otto findet im Berliner Club Anomalie statt. Die Kollektion, die er heute hier präsentieren will, besteht zum großen Teil aus recycelten Plastik aus dem Meer, sowie zertifizierter Bio-Baumwolle. Das Plastik wird von der spanischen Initiative Seaqual bezogen, die die Plastiknetze von Fischern einsammelt und recycelt.
Über den Herstellungsprozess hat das Label eine Dokumentation gedreht. Zum Interview trägt der Rapper einen gelb-schwarzen Sweater aus der Kollektion, der stark an die Uniform einer gewissen Science-Fiction-Serie erinnert.
Habt ihr beim Design der Klamotten bewusst an Star Trek gedacht?
Chris Otto: Nee, eines unserer Crew-Mitglieder, Bendma, hat aber tatsächlich als erstes ein Star-Trek-Foto in die Runde geschickt, als er die Klamotten gesehen hat. Da wurde uns dann klar, dass wir ziemlich nah dran sind.
Marteria: Wie heißt dieser Klingone nochmal?
Aha, es sind keine Star-Trek-Fans anwesend.
Marteria: Ich bin auch der Einzige, der Star Wars nicht feiert, hab ich nie verstanden. Muss daran liegen, dass ich Ossi bin. Hab neulich mal versucht, mir alle Filme anzugucken. Da ist so ne Mülltonne, die redet und blinkt – versteh ich nicht.
Viele Teile der Kollektion sehen Unisex aus.
Chris Otto: Immer, wenn ich die Jogginghose aus der Kollektion mit nach Hause gebracht hab, hatte meine Freundin die dann sofort an und wollte sie auch nicht mehr ausziehen. Die Teile funktionieren also scheinbar für Männer und Frauen.
Marteria: Wir waren sehr lange richtig unbedacht beim Merchandise, wir hatten immer viel zu viel nur für Typen. Von meinen Instagram-Followern zum Beispiel sind aber genau die Hälfte Frauen, für die wollen wir mehr machen.
Marteria, du hast als Model in New York angefangen, dann aber der Modewelt den Rücken gekehrt. Warum entwirfst du auf einmal Klamotten?
Marteria: Als Model bist du so eine Art Instrument, da hast du was an und rennst einmal hoch und wieder runter. Es war verrückt das mal kennenzulernen, ich finde es aber geiler, selbst etwas zu gestalten. Deshalb ist es schön, dass ich als Designer meine eigene Kollektion präsentieren kann.
Und warum nachhaltig?
Marteria: Wir sind als ganze Crew auf die Idee gekommen. Unser Label Green Berlin gibt es seit 2004. Damals war das halt ein Kifferding, nun hat der Name eine zweite Ebene gekriegt. Wir wollen was für die Natur machen. Ich bin Angler und ich sehe, wie die Welt sich verändert. Ich sehe verrückten Wind, verrückte Wasserstände, überall im Meer ist Plastik. Ich komm aus Rostock, und wenn man vom Meer kommt, dann hat man dafür auch eine besondere Verantwortung. Deshalb wollten wir Klamotten aus recycelten Plastik aus dem Meer herstellen.
Ist die Neuproduktion nachhaltiger Mode nicht immer ein Widerspruch, weil jedes Produkt Teil des ohnehin schon übersättigten Modemarkts ist und den Konsum weiter ankurbelt? Wäre es also nicht besser, wenn wir…
Marteria: …alle nur noch nackt rumlaufen?
…unsere Kleidung so lange wie möglich tragen und vor allem Secondhand-Klamotten kaufen?
Marteria: Wir sind nicht die perfekten Öko-Aktivisten. Das sind wir einfach nicht. Wir versuchen nun einen ersten Schritt zu machen. Ziel ist es, ein Bewusstsein schaffen, dass man Dinge anders machen muss. Das wir uns alle wieder mehr auf die Natur besinnen müssen.
Chris Otto: Grundsätzlich ist es natürlich richtig, dass man weniger konsumieren sollte. Wir denken aber, es macht auch mehr Sinn, einen recycelten Pulli für 80 Euro zu kaufen, der dann auch lange hält, statt ein Shirt für 5 Euro bei H&M zu kaufen. Und wie Marten schon sagte, können wir ja auch nicht nichts machen. Wenn man sagt, dass man Plastik zurück in den Kreislauf bringt, ist es ja definitiv nicht dasselbe wie einen Windbreaker aus neuem Rohöl herzustellen. Wir nehmen etwas, das eh schon weggeschmissen wurde, bauen es um und verwerten die Ressourcen weiter.
Auch recycelte Kleidung aus Synthetikfasern ist schlecht für die Umwelt: bei jeder Wäsche lösen sich Kunststofffasern, die über das Abwasser wieder im Meer und im Grundwasser landen.
Chris Otto: Wir haben im Produktionsprozess über diese Waschbeutel nachgedacht, die es gibt, um das Mikroplastik zu filtern, Guppyfriend haben da aber das Patent drauf, wir können die nicht einfach so selber machen. Außerdem hätte das den Preis nochmal hart hochgetrieben, noch einen Waschbeutel für 40-50 Euro dazu zu verkaufen. Aber wir wollen die Leute da gerne darauf hinweisen, dass es cool ist Guppy-Beutel zu benutzen. Wir wollten durch die Verwendung von Plastik Awareness für Kreislaufwirtschaft und die Säuberung der Meere schaffen.
Der Windbreaker kostet 169 Euro. Der Sweater etwa 70. Für viele Leute in eurer Zielgruppe ist das wahrscheinlich sehr viel Geld. Habt ihr Angst, dass ihr damit jemanden verschreckt?
Chris Otto: Wir starten den Prozess: Wir machen die Sachen so günstig wie möglich, aber Qualität und nachhaltige Materialien haben ihren Preis. Wenn aber alle mitmachen und recyceltes Plastik irgendwann als Rohstoff viel billiger ist, dann können wir die Sachen preislich nochmal etwas anpassen. Wir sind neu in diesem Geschäft, wir haben uns viel abgeschaut bei Patagonia und anderen Firmen, die das geil machen, wir glauben aber, dass wir mitunter die ersten in der Musikszene sind, die das machen.
Billie Eilish hat dieses Jahr ihre erste nachhaltige Kollektion für H&M entworfen.
Marteria: Ich bin praktisch Billie Eilish von Deutschland!
Sowohl Eilish, als auch Musiker*innen wie Björk, Massive Attack und die Toten Hosen versuchen das Thema Green Touring anzusprechen. Coldplay will sogar völlig aufs Touren verzichten, bis sie eine CO2-neutralere Möglichkeit gefunden haben, auf Tournee zu gehen. Was wollt ihr in diesem Bereich tun?
Marteria: Wir wissen, dass ein Konzert, was CO2-Verbrauch angeht, Wahnsinn ist. Aber ein Konzert ist nun mal auch was sehr Wichtiges, Emotionales, das den Menschen sehr viel gibt.
Ja klar, man könnte aber zum Beispiel doch versuchen, nur mit dem Zug zu touren und erneuerbare Energien zu verwenden.
Chris Otto: Klar, man kann auch kompensieren, wie wir das mit den Flügen für die Dokumentation gemacht haben. Die Fans lieben Konzerte und ganz darauf verzichten ist natürlich schwierig. Aber was wir wollen, ist ein Start, es ein bisschen besser machen. Mit Mode oder mit Konzerten – wir gucken, was wir kompensieren können.
Marteria: Ich finde wir müssen auch krass auf die Festivals schauen. Deutschland ist ein krasses Festivalland, wo wir den absoluten Müllwahnsinn haben. Das könnte man viel geiler machen. Wir würden als Label auch gerne mal ein eigenes Festival in Berlin machen, darüber denken wir nach, und das muss dann ökologisch und geil sein. Vom Strom bis zum Essen.
Chris Otto: Letztes Jahr sind wir alle zusammen mit E-Bikes von Berlin aus zum Splash Festival (bei Chemnitz, Anm. d. Red.) gefahren. Mit 20 Leuten, das war super. Wir würden niemandem sagen, ihr müsst das machen! Aber indem wir das selbst so machen, motivieren wir vielleicht auch andere Leute dazu.
Wann kommt eigentlich das nächste Marteria-Album?
Marteria: Das dauert noch ewig! Ich hab jetzt mal erst ein Jahr Pause und nehme mir diese Auszeit für private Projekte, aber ich schreibe auch die ganze Zeit Musik. Und wenn ich wieder bereit bin, geh ich auch wieder ins Studio. Ich hab durchgeackert die letzten Jahre, eigenes Album, zwei, drei Jahre Tour, Album mit Casper, Festivals und irgendwann muss ich auch mal innehalten und mich neu inspirieren lassen. Jetzt geht es erst mal um die Kollektion. Wer weiß, vielleicht mach ich mal ne Angel-Sendung auf DMA – nachhaltiges Angeln.
Willst du unseren Leser*innen kurz erklären, was an Angeln nachhaltig ist?
Natürlich ist es nachhaltig, wenn man den Fisch, den man isst, selber fängt, statt irgendwelchen Industrielachs zu kaufen. Ich bin so ein Selbstversorger, ich hab meinen Gemüsegarten und mein Gewächshaus und im Sommer an der Ostsee muss ich nichts im Supermarkt einkaufen, ich räucher Fische mit meinem Vater, der Nachbar hat die Hühner, ich hab meine Kartoffeln und Mohrrüben, voll geil. Man darf halt nicht überfischen und das Ökosystem kaputtmachen.
Der Rapper Marten Laciny aka Marteria posiert in einem Hoodie aus seiner ersten Modekollektion: Die Kleidungsstücke bestehen zu großen Teilen aus recyceltem Plastik.