Modest Fashion

„Wir müssen in der Mode alle mitdenken“

Sara Naggar hat vor sieben Jahren ihr Fair Fashion Label LIA gegründet. Entworfen wird in Deutschland, produziert vor allem im eigenen Atelier in der Türkei. Hier spricht sie über den Wunsch nach mehr Stoff, Identität und Selbstwert.

Frau Naggar, was war der Anlass für Ihr eigenes Modelabel?

Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, doch als ich als Schülerin anfing, den Hijab zu tragen, fiel mir auf, wie wenig Musliminnen in der westlichen Modewelt mitgedacht werden. Damals waren ultraknappe Shorts und bauchfreie Tops angesagt. Also fing ich an, selbst Tücher und Kleider zu entwerfen und zu nähen. Der Entschluss, mich damit selbstständig zu machen, kam aber erst während meiner ersten Schwangerschaft, ich wollte es selbst in die Hand nehmen und ein ehrlich gemeintes Angebot schaffen. Nicht nur für Musliminnen, sondern für alle Frauen, die sich bedeckter kleiden möchten. Ein Tuch ist erst einmal nur ein Tuch.

Modest Fashion

Mode, die sich nach bestimmten religiösen Bekleidungsvorschriften richtet, aber auch bei Frauen ankommt, die keine Lust mehr haben, viel Haut zu zeigen. Designer*innen sind fast ausschließlich Frauen. Zu den Multiplikatorinnen gehören unter anderem das muslimische Ex-Model Halima Aden und die kuwaitisch-amerikanische Influencerin Ascia.

Bild: Henry Flaming

Nichts zum Anziehen finden – wie ist das gerade auch für junge Menschen?

Natürlich ist das nicht schön, wenn du mit deinen Bedürfnissen und Wünschen so gar keine Rolle spielst. Nicht in Geschäften, nicht in Zeitschriften, nicht in der Werbung. Aber letztlich kannte ich es nicht anders und hatte das große Glück, dass wir in den Ferien in die Türkei oder nach Dubai gereist sind. Dort war die Auswahl für mich größer und meine Schwester und ich durften ein bisschen mehr shoppen. Wobei meine Schwester kein Kopftuch trägt, wir sind da vollkommen frei.

Auch auf Good Impact: Stoppt die kulturelle Aneignung in der Mode!

Mittlerweile gilt Modest Fashion als Wachstumsmarkt, was sagen Sie dazu?

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Mehr Auswahl ist gut. Klar. Aber man merkt, dass es bei den großen Modeketten letztlich doch um Marketing und Geld geht. Viele Stücke haben nichts mit Modest Fashion zu tun, sie sind zwar lang und fließend, aber zu durchsichtig und aus schlechter Qualität. Bei Modest Fashion geht es nicht nur um möglichst viel Stoff. Es geht um Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, Identität und Selbstwert. Gerade als junger Mensch fühlst du dich besser und auf Augenhöhe, wenn du Kleidung findest, die dir gefällt und entspricht. Wie oft sind nicht-muslimische Mitschüler*innen auf mich zugekommen, weil sie meinen Style cool fanden – so fangen Gespräche an, Freundschaften. Deswegen ist es mir so wichtig, immer auch günstigere Stücke anzubieten, die sich möglichst viele leisten können. Auch das bedeutet für mich fair.

Foto: Eleni Bogatini

Sara Naggar entwirft Modest Fashion für Frauen, die keine Lust haben, viel Haut zu zeigen.

Heike Littger

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