Markus Sauerhammer (SEND) im Interview

Was tun die Parteien für Social Entrepreneurs?

Die Wahl ist insbesondere auch für Sozialunternehmer:innen entscheidend. Im aktuellen Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD stehen gerade mal zwei Sätze zum Thema. Egal wer künftig regiert, wird sich das ändern, glaubt Markus Sauerhammer vom Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND). Die Politik habe vieles durch Corona besser verstanden, sagt er, jetzt muss zügig umgesetzt werden – und blickt positiv in die Zukunft.

Welche Partei tut laut Wahlprogrammen am meisten für Social Entrepreneurs und Sozialunternehmer:innen?

Markus Sauerhammer: Bei allen Parteien – außer der AfD – ist in den Wahlprogrammen unser Thema verankert. Bei der letzten Bundestagswahl 2017 ist die Förderung von Sozialunternehmer:innen nahezu nicht aufgetaucht. Unabhängig davon, welche Regierung wir bekommen, wird es enorme Schritte nach vorne geben.

Konkret?

Richtig ist etwa, dass die Grünen am längsten am Thema sozial-ökologische Transformation in unserem Sinne arbeiten. Das sieht man auch am und im Programm. Auch SPD und FDP sind gut unterwegs, nur bei Kleinigkeiten fehlt aus unserer Sicht noch die nötige Konsequenz. Auch die Union hat große Fortschritte gemacht. Bei den Linken sind es solide Positionen, nur könnten Innovation und Wirtschaft parteiintern noch stärker aufgestellt sein, damit man schneller in die Umsetzung, ins konstruktive Handeln kommen kann.

Wie ist die Lage nach fast zwei Jahren Corona?

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Gemäß unserer brancheninternen Umfragen sind bei den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung viele Sozialunternehmen durchs Raster gefallen. Man hat nachjustiert, kann aber auch nicht über Nacht komplette Strukturen aus dem Boden stampfen. Die Krise war und ist ein Brennglas. Es fehlen noch zielgruppenspezifische Förder- und Finanzierungsinstrumente. Erst hat man versucht, uns in klassische Start-up- oder Wirtschaftsförderprogramme zu schieben, dann in Töpfe für gemeinnützige Organisationen über die KFW. Geld ging aber eher an große Organisationen.

Markus Sauerhammer

ist im Vorstand des Vereins Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND), der 2017 vom Bundesverband Deutsche Startups (BVDS) gegründet wurde. Ziel des Vereins: Sozialunternehmer:innen stärken und Innovationen vorantreiben, um gesamtgesellschaftliche Probleme zu lösen.
Bild: privat

Gibt es verbindliche Zahlen?

Es sind Mittel von 130 Millionen Euro seitens der Regierung zur Verfügung gestellt worden, 80 Millionen Euro sollen in nächster Zeit, also innerhalb der nächsten Monate ausgeschüttet werden. 50 Millionen Euro sind bewilligt, aber noch nicht freigegeben. Damit könnte man direkt nach der Bundestagswahl ein Sofortprogramm für Social Entrepreneurship starten. Zudem diskutieren wir gerade mit mehreren Ministerien und Parteien, ob ein Teil des mit zehn Milliarden Euro ausgestatteten Zukunftsfonds in Impact Investing fließt. Auch haben wir einen Vorschlag gemacht, wie mehrere Milliarden aus „nachrichtenlosen Vermögenswerten” für die Finanzierung innovativer Lösungen unserer großen Herausforderungen mobilisiert werden können. Die Grünen und die FDP haben das in ihre Wahlprogramme aufgenommen. Positiv ist aber: Wir haben trotz allem krisenbeständige Organisationen, die ihre Wirkung gerade während der Krise entfaltet haben – ob etwa in puncto Nachbarschaftshilfe, Kinderbetreuung oder Mental Health. Private Unterstützer:innen und unbürokratische Querfinanzierungen haben vielen unserer Unternehmer:innen sehr geholfen.

Lösen die in den Wahlprogrammen verankerten Punkte, die größten Probleme von Sozialunternehmer:innen zukünftig?

Es geht darum, dass wir jetzt ernsthaft anfangen. SEND hat sich vor der letzten Bundestagswahl 2017 gegründet und damals geschafft, dass zumindest zwei Sätze in den Koalitionsvertrag gekommen sind. Zu Beginn der Krise, im Rahmen von #wevsvirus 2020, dem weltgrößten Hackathon, heben wir das erste Mal eng mit der Regierung zusammengearbeitet. Dabei haben Politiker:innen und Ministerialbeamt:innen wirklich gesehen, was fehlt und vor allem, welches Potenzial durch andere Rahmenbedingungen und andere Finanzierungsinstrumente freigesetzt werden könnte. Das kam im Bundestag an, Fonds wurden aufgelegt. Etwa befindet sich unser Vorschlag zur Gründung eines Impact Fonds, der mit dem Geld von nachrichtenlosen Konten finanziert werden soll, in der Abstimmung.

Auch bei Good Impact: BTW 2021: So wollen die Parteien die Klimakrise bekämpfen

Ist ein besseres Bild davon entstanden, was ihr eigentlich tut und welchen Impact ihr habt?

Sehr viele Menschen haben gemerkt, dass Sozialunternehmer:innen eben nicht einem „naiven Gutmenschentun” anhängen, sondern daran arbeiten, gesamtgesellschaftliche Lösungen für ersten Probleme, gerade in Zeiten des Umbruchs, schnell auf den Weg zu bringen. Das gilt insbesondere für die aktuellen Herausforderungen: Klimakrise, demografischer Wandel, digitale Transformation. Ein Beispiel: Viele Bürgermeister:innen, mit denen wir gesprochen haben, ticken ähnlich wie Social Entrepreneurs. So ist auf allen föderalen Ebenen durchaus etwas in Bewegung geraten. Allerdings waren und sind das nur Pilotprojekte. Die entscheidenden Frage ist: Verschafft die neue Regierung, dem Thema die nötige Aufmerksamkeit. Wir brauchen zwingend die Politik und entsprechende Rahmenbedingungen. Wir müssen schnell zu einem klaren, ernsthaften, zukunftsorientierten Handeln kommen.

BILD: IMAGO /Ikon Images

Seit 2017 hat sich viel getan, für Sozialunternehmer:innen geht’s aufwärts: In den Programmen für die Bundestagswahl 2021 versprechen fast alle großen Parteien, Social Entrepreneurship zu fördern. SEND-Vorstand Markus Sauerhammer erklärt enorm, was ihn optimistisch stimmt – und wo er Nachholbedarf sieht.

Interview von Jan Scheper

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