Gastbeitrag

Warum wir alle mehr netzwerken sollten

Der Kommunikationsberater und Co-Geschäftsführer von On Purpose, Lukas Marzi, findet: Wenn sich Menschen und Unternehmen gegenseitig unterstützen, nutzt das allen – es entwickelt sich eine Dynamik mit vielen neuen Verbindungen und Ideen. Marzi und sein Team bieten Leadership-Programme für Menschen an, die in den sozial-ökologischen Sektor wechseln wollen. Hier erklärt er, warum Netzwerke insbesondere Sozialunternehmen entscheidend voran bringen.

Mein Vater sagte früher immer: „Ein Verein muss sein.“ Ob Rudern, Schach oder Stepptanz war egal – ihm ging es um die Gemeinschaft, auf die er sich heute noch verlassen kann. Wird heute dagegen von Netzwerken gesprochen, kommt vielen das Bild von nervigen Sales-Manager:innen oder Berater:innen in den Sinn, die im Akkord Visitenkarten verteilen und uns mit ihren Mails verfolgen. Nein, danke.

Von dieser negativen Konnotation sollten wir uns lösen. In den Sinn kommen sollte uns eben jene Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft. Niemand geht samstagmorgens zum Yoga, um zu netzwerken. Dennoch kommen wir mit neuen Kontakten und Anregungen wieder raus. Auch ungeduscht mit hochrotem Kopf in kleiner Runde zu schwitzen ist eine Form des Netzwerkens. Schöner formuliert: Gerade ein ehrlicher Austausch ohne konkrete Absicht schafft nachhaltige Verbindungen. Dieses Bild sollten wir prägen.

Lukas Marzi

kommt aus Köln, machte Halt in London und lebt heute in Berlin. Am liebsten bringt er Menschen zusammen, ob beim Foodsharing Dinner, eigenen Gründungsevents oder in Netzwerktreffen bei seiner Company On Purpose. Seit 2021 ist er Co-Geschäftsführer bei dem Sozialunternehmen, das Leadership-Programme für Menschen anbietet, die in den sozial-ökologischen Sektor wechseln wollen.
Bild: Daniela Creanga

Kürzlich hörte ich den Spruch „1 plus 1 ergibt 3“. Für mich verdeutlicht er hervorragend, dass ein Netzwerk immer mehr ist als die Summe seiner Teile. Dies erleben wir oft in unserem Sektor, zum Beispiel im Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft. Er ist erst durch Anwendung dieses Prinzips „die Stimme der nachhaltigen Wirtschaft“ geworden. Der Verband hat mehr als 500 Mitglieder, einzeln können sie wenig bewegen. Zusammengeführt entwickeln sie eine Größe, die einen Wandel maßgeblich voranbringen kann.

Synergieeffekt: die eigene Dynamik des Netzwerkens

Gleiches schafft das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND). Bekannte Player ebenso wie kleine Start-ups bekommen durch das Netzwerk in der öffentlichen Wahrnehmung eine Präsenz, die sie alleine so nicht hätten. Betrachten wir den Austausch im Detail, sehen wir die Wirkung eines weiteren Mechanismus des Netzwerks: den Synergieeffekt.

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Synergie beschreibt das Zusammenwirken Einzelner zu einer Gesamtleistung. Wenn sich Menschen gegenseitig unterstützen und zusammenarbeiten, entwickelt ein Netzwerk eine eigene Dynamik und beginnt aus sich heraus zu wachsen. Dafür braucht es jedoch manchmal eine dritte Instanz, die den richtigen Kontakt herstellt. Ein gutes Beispiel ist das Reflecta.Network. Die Initiative ist nicht nur ein soziales Netzwerk, sondern bringt Menschen, Organisationen und Unternehmen aus dem öko-sozialen Sektor passgenau zusammen. Eine Art Dating-App in nachhaltig.

Wenn wir nun alle diese Punkte zusammenbringen, zeigt sich auch die Bedeutung des Netzwerkens für den Systemwandel: Nachhaltige Unternehmen und gute Ideen werden so nicht nur besser wahrgenommen, sondern auch weiterentwickelt und weitergetragen. Es entsteht ein Momentum, eine Schleife aus Wachstum und positiven Netzwerkeffekten.

Auch Yoga ist eine Form des (unbewussten) Netzwerkens. Foto: Yan Kruko /Pexels

Wirkungsvolle Kettenreaktion

In kleinerem Rahmen wirken die Mechanismen genauso. Unsere „1+1=3“-Formel steht hier für den direkten Austausch mit anderen. Obwohl wir dabei Ideen und Empfehlungen teilen, werden sie mit jedem Austausch nicht weniger, sondern mehr. Jede:r Einzelne ist dabei wie ein Baum mit immer weiteren Verästelungen. Was wir tun ist immer Folge eines früheren Austauschs und Beginn weiterer Begegnungen, vielleicht aber auch der allererste Gabelpunkt, von dem aus eine wirkungsvolle Kettenreaktion in Gang kommt. Ist das nicht Grund genug, mehr zu netzwerken?

Auch bei Good Impact: Social Entrepreneurship: Frauen gründen anders – weil sie anders gründen müssen

On Purpose nutzt all diese Mechanismen: Wenn wir Menschen fortbilden, die aus anderen Bereichen in den sozial-ökologischen Sektor wechseln wollen, setzen wir neue Reaktionen in Gang. Denn wir verbinden Sinnsuchende und bringen jede:n mit zwei Unternehmen zusammen, in denen sie jeweils sechs Monate lang Erfahrungen sammeln können. Unsere Programmteilnehmenden, die Associates, werden zu Change-Maker:innen und tragen die Inhalte unserer Trainings in die Welt. Wir nennen unser Angebot „Leadership-Programm“, weil wir ihnen alle Instrumente an die Hand geben, um eine leitende Rolle im Systemwandel einzunehmen. Von Methoden zur kreativen Erneuerung wie Design Thinking über Wirkungsmessung bis zu demokratischer Unternehmensorganisation nach dem Prinzip der Holokratie. Mehr als 400 Unternehmen, 600 ehemalige Associates sowie alle Trainer:innen, Coaches und Mentor:innen unterstützen das Programm pro bono. Damit formen sie unsere Gemeinschaft – der Impact unseres Netzwerks wird viel größer als die Summe seiner Teile.

Wie jedes Sozialunternehmen hoffen auch wir, dass es uns irgendwann nicht mehr braucht. Bis dahin werden wohl noch ein paar Tage vergehen. Aber sicher einige weniger, wenn wir alle gute Ideen teilen und uns gegenseitig unterstützen – netzwerken eben.

Foto: Cottonbro / Pexels

Durch das Netzwerken können vor allem kleine Start-ups ihre Ideen weiterentwickeln und nachhaltige Verbindungen aufbauen.

Lukas Marzi

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