20 Jahre Erneuerbare-Energien-Gesetz

Der nachhaltige Exportschlager

Fast die Hälfte des Stroms in Deutschland kam in diesem Jahr bisher aus erneuerbaren Energien. Im Jahr 2000 waren es noch gut sechs Prozent. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat in 20 Jahren viel bewegt. Doch es bleibt eine Dauerbaustelle.

Die Energiewende ist ein Exportschlager. Nicht nur die Idee, auf Strom aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse zu setzen. Das Wort Energiewende wird im Englischen regelmäßig gebraucht – und das deutsche Gesetz dazu, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), wurde von vielen Ländern nachgeahmt. Am 1. April ist es seit zwei Jahrzehnten in Kraft, 20 Jahre EEG also. Zum runden Geburtstag gibt es einen neuen Rekord für Ökostrom. Aber nach Feiern ist der Branche trotzdem nicht zumute.

Als das EEG beschlossen wurde, regierte Rot-Grün unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) noch keine eineinhalb Jahre. Damals waren Solaranlagen noch eher etwas für Überzeugungstäter, kein Mainstream. Um das zu ändern, sollte die Einspeisung so vergütet werden, dass Ökostrom einspeisen sich lohnt – und zwar über 20 Jahre. Die EEG-Umlage, die das finanziert und die alle Bürger mit ihrer Stromrechnung bezahlen, bringt Kritiker bis heute auf die Palme.

20 Jahre EEG: Der Streit um die Umlage

Beim Bundesumweltministerium ist bis heute das Zitat des damaligen Umweltministers Jürgen Trittin (Grüne) zu finden: „Es bleibt dabei, dass die Förderung erneuerbarer Energien einen durchschnittlichen Haushalt nur rund 1 Euro im Monat kostet – so viel wie eine Kugel Eis.“ Das war 2004. Die Umlage lag damals bei 0,54 Cent pro Kilowattstunde, 2000 war sie bei 0,19 Cent gestartet. Dieses Jahr sind es 6,76 Cent – da hält die Inflation der Eiskugel-Preise nicht mit, zum Glück. Fast ein Viertel des Strompreises ist derzeit die EEG-Umlage. Von nun an fallen allerdings alte Anlagen nach und nach aus der Förderung, weil der Förderzeitraum von 20 Jahren abläuft.

Der Ausbau der Erneuerbaren kam schnell voran, immer mehr Anlagen bekamen Fördergeld – daher stieg die Umlage. Zugleich wurden aber vor allem Solaranlagen immer billiger, und die Kosten für die Ökostrom-Produktion sanken. Die Energiewende wurde marktreif. „Das EEG war damit ein hoch erfolgreiches Instrument der weltweiten Wirtschaftsförderung“, sagt die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE), Simone Peter. Seit der letzten großen EEG-Reform bekommen Ökostrom-Produzenten für neue Anlagen keine feste Vergütung mehr, sondern müssen sich bewerben. Wer am wenigsten Fördergeld will, bekommt den Zuschlag.

20 Jahre EEG: Zahl der Stromausfälle ist rückläufig

Erneuerbare Energien hatten 2019 einen Anteil von rund 43 Prozent am Bruttostromverbrauch. Im ersten Quartal 2020 waren es nach Berechnungen der Denkfabrik Agora Energiewende fast 50 Prozent – das ist Rekord. Die Klimaschutz-Fortschritte Deutschlands gehen zu einem großen Teil auf den Umbau der Stromerzeugung zurück. Wind und Sonne lösen die Kohle ab. „Vor 20 Jahren hielten große Energieversorger es nicht für möglich, dass mehr als ein paar Prozent Erneuerbare Energien ins Stromsystem passen würden“, sagt Agora-Energiewende-Direktor Patrick Graichen. „Heute haben wir an vielen Tagen mehr als die Hälfte des Stroms aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft, manchmal sogar fast 100 Prozent.“ Gleichzeitig sei die Zahl der Stromausfälle in all den Jahren immer weiter gesunken.

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Dem Branchenverbands BEE zufolge beschäftigen die Erneuerbaren rund 340.000 Menschen. Der Atomausstieg Deutschlands wird 2022 beendet, der Kohleausstieg bis spätestens 2038 ist weitestgehend beschlossen. Längst geht es nicht mehr nur um Strom. Erneuerbare Wärme für Wohnungen, Brenn- und Kraftstoffe auf Wasserstoff-Basis, die mit Ökostrom gewonnen werden, sind die Zukunftsthemen.

Streit um Mindestabstand zwischen Windrädern und Wohnhäusern

Zum 20. EEG-Geburtstag ist die Stimmung in der Branche aber eher mies. Grund ist die Politik: Die große Koalition hat zwar offiziell das Ziel, den Ökostrom-Anteil bis 2030 auf 65 Prozent hochzuschrauben. Doch der Ausbau der Erneuerbaren stockt, vor allem Windräder an Land haben es schwer. Lange Planungs- und Genehmigungsverfahren und teils massiver Widerstand von Anwohnern werden als Hauptgründe genannt.

Die schwarz-rote Koalition im Bund allerdings hat sich im Streit um einen 1000-Meter-Mindestabstand zwischen Windrädern und Wohnhäusern verhakt. Eine Bund-Länder-AG, die das Lösen sollte, kommt wegen der Corona-Krise nicht ins Arbeiten. Daran hängt – bisher – auch die Aufhebung des sogenannten Solardeckels, einem Förderstopp bei 52 Gigawatt installierter Leistung, die Marke dürfte bald erreicht sein. Zum Vergleich: In der Urfassung des Gesetzes im Jahr 2000 lag der Deckel noch bei 0,35 Gigawatt.

Wasserstoffstrategie der Bundesregierung fehlt noch

Daneben gibt es weitere Probleme: Der Netzausbau ist etwas aus dem Blickfeld gerückt, bleibt aber ein Nadelöhr – vor allem für die sogenannten Stromautobahnen vom windreichen Norden in den Süden ist der Zeitplan eng. Beim Thema Speicher müssen Gesetzgeber und Branche vorankommen, wenn das Horrorszenario „Dunkelflaute“ – kein Wind, kein Sonnenschein – seinen Schrecken verlieren soll. Für Wasserstoff fehlt weiterhin sogar die unverbindliche Strategie, die die Bundesregierung schon im Jahr 2019 vorlegen wollte. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Die Branche nutzt daher das Jubiläum 20 Jahre EEG für Appelle: „Gerade vor dem Hintergrund der aufziehenden Wirtschaftskrise muss sichergestellt werden, dass weiterhin in den Ausbau der Erneuerbaren Energien investiert wird und sie die Energieversorgung von morgen gewährleisten können“, sagt die Chefin des Energieverbands BDEW, Kerstin Andreae. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI, Holger Lösch, mahnt an, die EEG-Kosten für Verbraucher und Firmen zu senken: „Die jährlich rund 25 Milliarden Euro EEG-Kosten stellen inzwischen eine Hürde für die Weiterentwicklung der Energiewende dar.“ Das Ziel müsse sein, die Stromkosten möglichst rasch vollständig von den Zusatzbelastungen durch das EEG zu entlasten.

imago images / Christian Ohde

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz gibt es am 1. April seit 20. Jahren. Das Datum ist Zufall, das Gesetz nicht. Allerdings stockt gerade der Ausbau der Erneuerbaren (Symbolbild).

Teresa Dapp und Andreas Hoenig, dpa

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