Die Utopie

Dekolonisierte Museen

Deutschland will seine Museen dekolonialisieren. Wie gelingt das, weit über über die Rückgabe geraubter Kunstobjekte und Reparationen hinaus?

Das ist das Problem:

Ethnologische Museen wollen andere Kulturen zeigen. Wer „anders“ ist und wie „anders“ aussieht, entscheiden dabei meist weiße Europäer:innen. Damit einher geht eine Machtasymmetrie. Werden etwa sakrale Figuren, die während der Kolonialzeit geraubt wurden, ausgestellt, um das vermeintlich „Exotische“ der anderen Kultur zu präsentieren, ist das nicht nur illegal.

Es spiegelt eine auf rassistischen Einstellungen beruhende Überheblichkeit wider: Wir Europäer:innen denken zu wissen, was „gut“, „fortschrittlich“ und „entwickelt“ ist – und setzen das in einen Gegensatz zu den „anderen“, die wir in Vitrinen einsperren und vorzeigen. Aus dieser Logik heraus wurden in ganz Europa Hunderte ethnologische Museen gegründet. Bis heute stellen sie – bis hin zu menschlichen Überresten – Zigtausende Objekte aus, die aus kolonisierten Gebieten geraubt oder anderweitig unter ungleichen Machtverhältnissen erworben wurden.

Das ist der Impuls:

Deutschland will dekolonisieren. In ihrer Koalitionsvereinbarung von 2021 hielt die Bundesregierung fest, „koloniale Kontinuitäten“ sollten überwunden, eine „Partnerschaft auf Augenhöhe und eine Aufarbeitung des Kolonialismus“angestrebt werden. Auch mehrere Bundesländer haben sich auf den Weg gemacht: In Berlin zum Beispiel wurde im April nach mehrjähriger Arbeit ein vom Senat in Auftrag gegebenes „Gesamtstädtisches Erinnerungskonzept Kolonialismus“ präsentiert.

Wichtig ist in dem Zusammenhang allerdings auch: Nichts von all dem wäre geschehen, hätten sich nicht über Jahrzehnte Selbstorganisationen afrikanischer und Schwarzer Menschen sowie Decolonize-Initiativen dafür eingesetzt. In ihrer Sicht ist Dekolonisierung ein Prozess, der über Rückgabe und Reparationen weit hinaus geht – und Machtverhältnisse in der Gesellschaft wie der Welt infrage stellt.

Das ist die Lösung:

Denkt man das weiter, dürfte es ethnologische Museen in ihrer heutigen Form nicht mehr geben. Doch ein Weg wäre, diese als Plattformen für Austausch und kritische Geschichtsaufarbeitung zu gestalten; als Orte, an denen aus verschiedenen Blickwinkeln gleichberechtigt debattiert wird. In einem nächsten Schritt wäre möglich, Objekte zirkulieren zu lassen: Sind Herkunftsländer nach einer Restitution von geraubtem Kolonialerbe daran interessiert, könnten Kulturgüter als Leihgabe in verschiedenen Museen ausgestellt werden. Voraussetzungen sind allerdings eine Partnerschaft auf Augenhöhe, und dass Menschen aus den Herkunftsländern und lokale Künstler:innen entscheiden, wie ihr Kulturgut präsentiert wird. Die Museen der Zukunft würden so auch zu Orten des Widerstands, in denen nicht nur koloniale Strukturen der Vergangenheit verhandelt werden.

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Auch dazu gibt es bereits Ansätze: Im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum etwa stellten 2021 zwei namibische Aktivistinnen den bis heute anhaltenden Kampf um die Anerkennung des deutschen Genozids an den Herero und Nama künstlerisch dar. Erfahrungen mit dieser und weiteren Ausstellungen zeigen: Dekolonisierte Museen können uns unsere Vergangenheit nicht vergessen lassen. Aber sie können die Grundlage dafür legen, dass wir in Zukunft gerechter und empathischer miteinander umgehen.

Foto: IMAGO / serienlicht, Guido Schiefer, IPON

Bis heute stellen europäische Museen Objekte aus, die aus kolonisierten Gebieten geraubt wurden.

Sophia Fehrenbach

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