Milliarden Menschen weltweit haben keinen Zugang zu sauberem Wasser und Sanitäranlagen. Sichere Trinkwasseranlagen bleiben rund 2,2 Milliarden Menschen verwehrt, Vorrichtungen zum Händewaschen fehlen für etwa 3 Milliarden. Besonders gravierend ist der Mangel an Toiletten: 4,2 Milliarden Menschen haben keine Möglichkeit, funktionierende Sanitäranlagen zu nutzen. Das stellt der jüngste Bericht des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) fest.
Die nicht profitorientierte World Toilet Organization ruft daher seit 18 Jahren am 19. November den Welttoilettentag aus. Mittlerweile ist der Tag offiziell ein Internationaler Tag der Vereinten Nationen. Im Jahr 2015 erkannte die UN-Generalversammlung das Recht auf sicheren, hygienischen und kulturell sowie sozial akzeptablen Zugang zu Sanitäranlagen als Menschenrecht an, auch weil es dabei um Privatsphäre und Würde gehe.
Das sechste der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) dreht sich ebenfalls um sauberes Wasser und Sanitärversorgung für alle Menschen. Um dieses Ziel zu erreichen, fordert etwa Maria Neira von der WHO in einer offiziellen Mitteilung: „Staaten müssen ihre Mittel für Sanitäranlagen verdoppeln, sonst werden wir keinen universellen Zugang dazu bis 2030 erreichen.” Maria Neira betont auch, wie wichtig angemessene Sanitäranlagen aus wirtschaftlicher Perspektive sind: „In Wasser, Sanitär- und Hygieneanlagen zu investieren ist kosteneffizient und in vielerlei Hinsicht gut für die Gesellschaft. Es ist eine essenzielle Grundlage für gute Gesundheit.”
Der Mangel an Klos kann das Grundwasser verschmutzen und Diarrhö, Cholera, Typhus, Hepatitis A und weitere Krankheiten bedingen. Tatsächlich schätzt die WHO, dass unzureichende Sanitäranlagen für jährlich etwa 432.000 tödliche Durchfallerkrankungen verantwortlich sind. Knapp 300.000 Kinder unter fünf Jahren sterben so jährlich wegen unsauberen Trinkwassers, fehlenden Sanitäranlagen und mangelnder Hygiene beim Händewaschen.
Doch der bloße Zugang zu Toiletten oder einem Wasserhahn reicht nicht aus, erklärt Kelly Ann Naylor von Unicef. Der Zugang müsse auch sicher und gut erreichbar sein. Der Mangel an Toiletten gefährdet nämlich nicht nur die Gesundheit von Milliarden Menschen, sondern auch ihre Sicherheit
Vor allem Frauen oder andere benachteiligte Gruppen, wie ärmere Menschen in ländlichen Gegenden oder Menschen mit Behinderungen, sind einem besonderen Risiko ausgesetzt, wenn sie keine sicheren Toiletten benutzen können. Frauen in Indien müssen ihre Notdurft mitunter weit entfernt von ihren Häusern im Freien, etwa auf einem Feld, verrichten. Gerade morgens oder abends, wenn es noch dunkel ist, können sie so leicht Opfer von Vergewaltigungen oder anderer Formen von sexualisierter Gewalt werden. Obendrein leiden Menstruierende stärker an einem Mangel an sauberen Sanitäranlagen.
Große Unterschiede zwischen Stadt und Land
Doch aktuelle Entwicklungen machen Hoffnung: Zwischen 2000 und 2017 haben laut Report von WHO und Unicef 1,8 Milliarden mehr Menschen Zugang zu grundlegender Trinkwasserversorgung, 2,1 Milliarden Menschen mehr können grundlegende Sanitäranlagen nutzen. Doch noch immer ist die Ungleichheit zwischen Stadt und Land gewaltig: 2 Milliarden Menschen fehlt es an grundlegenden Sanitäranlagen, 7 von 10 davon leben auf dem Land, ein Drittel leben in den sogenannten „am wenigsten entwickelten Ländern”, ein sozialökonomischer Status, den die Vereinten Nationen für besonders arme Länder definiert haben. Außerdem werden die menschlichen Ausscheidungen nicht überall fachgerecht entsorgt.
Seit 2000 ist auch der Anteil der Menschen, die im Freien ihren Stuhlgang verrichten müssen, um die Hälfte auf nun nur noch 9 Prozent gesunken. Doch noch immer müssen 673 Millionen Menschen im Freien zur Toilette gehen. Laut Unicef leben die meisten davon in Indien, nämlich 564 Millionen. 75 Prozent der Bevölkerung, die ohne Sanitäranlagen auskommen müssen, leben verteilt auf nur fünf Länder: Indien, Indonesien, Äthiopien, Nigeria und Pakistan.
„Erst Toiletten, dann Tempel“, hatte der indische Premierminister Narendra Modi in seinem Wahlkampf 2014 verkündet. Sein ehrgeiziges Ziel: In nur fünf Jahren sollten fast die Hälfte der 1,3 Milliarden Inderinnen und Inder Zugang zu Toiletten bekommen. Im Oktober erklärte Modi nun tatsächlich, dass mehr als 110 Millionen Toiletten gebaut wurden, mehr als 600 Millionen Menschen hätten dazu nun Zugang – und niemand müsste mehr im Freien zur Toilette gehen. Doch noch ist nicht klar, ob die Toiletten tatsächlich genutzt werden können, indem sie etwa ausreichend instand gehalten und gereinigt werden.
Fäkalien werden zu Dünger
Jenseits dieser Regierungsoffensive setzen sich in Indien seit Jahrzehnten auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie Sulabh International für einen besseren Zugang zu Sanitäranlagen ein. 1,5 Millionen Haushalte versorgte die NGO bereits mit Toiletten und konnte dadurch 20 Millionen Menschen erreichen. Sulabh wird vom Wohn- und Siedlungsprogramm der Vereinten Nationen (UN Habitat) unterstützt. Die NGO installiert kostengünstige und wassersparende Toilettensysteme, die nur einen bis eineinhalb statt der üblichen zwölf bis 14 Liter Wasser benötigen. Vielerorts in Indien fehlen Abwasserleitungen und Kläranlagen. Die Toilettensysteme von Sulabh können Fäkalien in einem abgedichteten Zwei-Gruben-System in rund zwei Jahren zu Dünger abbauen. Ein anderes System der Organisation wiederum wandelt Ausscheidungen zu Biogas um. Damit können Feuerstellen oder Motoren betrieben werden. Die NGO ermöglicht außerdem Frauen aus niedrigeren Kasten, die sich mit dem Reinigen von konventionellen Toiletten verdingen mussten, eine neue Ausbildung.
Auf Musik-Festivals macht auch ein deutsches Social-Start-up mit einer Kompost-Toilette auf das Klo-Problem aufmerksam. Die Kompost-Toiletten von Goldeimer machen aus menschlichen Ausscheidungen Humus. Außerdem verkauft Goldeimer Recycling-Klopapier. Mit den Gewinnen unterstützt das Social Business Projekte der Welthungerhilfe und Viva con Agua. So beispielsweise ein Projekt in Karamoja, Uganda, das von der Welthungerhilfe betrieben wird. Dort werden Sanitäranlagen und Vorrichtungen, um sich die Hände zu waschen, gebaut. Teil des Projekts ist es auch, unter anderem Schülerinnen und Schüler in Hygiene- und Gesundheitsfragen fortzubilden.
Für Malte Schremmer, Geschäftsführer bei Goldeimer, sind Kompost-Toiletten die Zukunft: „In Ländern des Globalen Südens werden hauptsächlich Latrinen gebaut. Bei den Kompost-Toiletten heben wir nicht einfach eine Grube aus, die überläuft, wenn sie voll ist. Hier wird zentral kompostiert und die Sanitärversorgung auf nachhaltige Weise sichergestellt.” Das Pilotprojekt der Welthungerhilfe könnte langfristig in vielen Regionen umgesetzt werden, auch weil diese Toiletten-Lösung komplett ohne Wasser funktioniert. „Denn wo Toiletten Mangelware sind, ist meistens auch sauberes Trinkwasser knapp und sollte nicht genutzt werden, um ein Kanalisationssystem aufzubauen und Fäkalien mit Wasser wegzuspülen.”
Auf das Klo-Problem – und nachhaltige Lösungen wie Kompost-Toiletten – will Goldeimer zusammen mit weiteren Organisationen und Aktivistinnen und Aktivisten auch auf sozialen Medien unter dem Hashtag #WorldToiletDay und im November, dem #Klovember, aufmerksam machen. „Das ist noch immer ein Tabu-Thema, das überhaupt keine Reichweite hat”, sagt Malte Schremmer. „Am wichtigsten ist, dass es in den Fokus kommt und klar wird: Toiletten sind ein Menschenrecht.
Mehr über das Social-Start-up Goldeimer erfährst du in der Folge „Können Klopapier und Toiletten Leben retten?” des GoodJobs-Podcasts „Geil Montag”. GoodJobs ist Teil der Good Impact Family, zu der auch GoodBuy, Good Events, Good Travel, Good News und das Good Impact Magazin gehören.
Zwischen 2000 und 2017 ist der Anteil der Menschen, die im Freien ihren Stuhlgang verrichten müssen, um die Hälfte auf nun nur noch 9 Prozent gesunken.