Agrarwende

Die Zukunft der Landwirtschaft

Monokulturen, überdüngte Böden, Resistenzen, Massentierhaltung, schwindende Artenvielfalt – die Intensivlandwirtschaft steht vor massiven Problemen. Experten machen sich Gedanken, wie ihre Zukunft ökologischer werden könnte

Hier sind sie früher über die Bodenfurchen gehol­pert, die schweren Landmaschinen, die großen Trecker. Hier haben sie ihre Staubspuren gezo­gen beim Pflügen, Mais ausgesät oder Weizen. Im Sommer wogten gleichförmig die Halme, schein­bar bis zum Horizont. Bis irgendwann die Mähdrescher ka­men. Heute passiert an diesem Ort jahrzehntelanger land­wirtschaftlicher Geschäftigkeit: nichts. Nichts mehr wird hier beackert, die Fläche ist sich wieder selbst überlassen. Der Großacker, einst ein Moor, ist heute wieder eines. Der Boden ist neu vernässt worden, er speichert und filtert jetzt wieder Wasser. Echtes Fettkraut hat sich neu angesiedelt, das schon beinahe ausgestorben war, auch Fieberklee und die Gemeine Moosbeere. Der Hochmoor-Bläuling flattert, ein Rauschbeeren fressender Falter, und es gibt auch wieder Moorfrösche, deren Männchen sich zur Paarungszeit in Blau färben.

Vom Maisfeld zurück zur Moorlandschaft, von der Agrarindus­trie-­Fläche zum Artenschutz­-Biotop? Im Jahr 2018 erscheint das vielen in der Branche als eine unrealistische Forderung, ersonnen von Naturschützern und Umweltorganisationen, die von einer großen Agrarwende träumen. Die scheinbar das Rad zurückdrehen wollen, die glauben, man könne auch mit weniger Monokulturen, Gift und Gülle eine wachsende Welt­bevölkerung satt bekommen. Die unsere moderne Intensiv­landwirtschaft mit ihren bedrohlichen Folgen für Mensch und Umwelt ökologisieren möchten. Zu ihrem Plan gehört auch der Rückbau von Acker- und Ausgleichsflächen, zum Wohle von Artenschutz und Ökosystem, wie am Beispiel Moor be­schrieben. Wie stehen die Chancen, dass das in 10, 20 Jahren in Deutschland tatsächlich passiert? Wird sie kommen, die große Wende in der Landwirtschaft?

Traum von der Agrarwende

Dass sich etwas ändern muss, ist allen Beteiligten klar. Den Bauern selbst, vielen Verbrauchern, sogar der Politik. Die Landwirtschaft ernährt uns, sie liefert unser Fleisch, Ge­treide und Gemüse. Aber diese Leistung verschwindet in der öffentlichen Diskussion hinter einem zunehmend schlech­ten Image. Die Kritikpunkte sind nicht strittig: „Vor allem die Konzentration auf wenige Fruchtarten, der hohe Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln auf dem Feld und von Arzneimitteln im Stall belasten die biologische Vielfalt und verunreinigen Gewässer, Böden und Luft immer noch mehr als nötig“, fasst das Umweltbundesamt (UBA) im Juni 2018 in einem Bericht zusammen. Das UBA ist Deutsch­lands zentrale Umweltbehörde, eine staatliche Institution. Ihre Präsidentin Maria Krautzberger fordert: „Mehr Ökolo­gie darf kein Nischenthema sein. Wir brauchen mehr Umweltschutz, auch in den konventionell arbeitenden Betrie­ben.“ Stichwort Ökologisierung.

Krautzberger meint zum Beispiel die Landwirte, die Schweine oder Geflügel im Nordwesten Deutschlands hal­ten, einer sehr stark auf Tierhaltung konzentrierten Region. Dort kommt es auf den Feldern zu massiven Nährstoffüber­schüssen, weil zu viel Gülle verteilt werden muss; Stickstoff gelangt so als Nitrat ins Grundwasser, in Seen und Flüsse. So weit, so bekannt. Aber es gibt auch Folgen der Intensivtierhal­tung, die weniger präsent sind, zum Beispiel, dass Stickstoff auch als Ammoniak und Lachgas in die Luft entweicht. Lach­gas ist ein Treibhausgas mit wesentlich klimaschädlicherer Wirkung als Kohlenstoffdioxid. Ammoniak wiederum wird von Wind und Regen in Gebiete getragen, die weit weg von den gedüngten Äckern liegen: Wälder, Naturschutzgebiete, Berge. Den Stickstoffüberschuss zu reduzieren, ist daher ein enorm wichtiges Ziel – von dem Deutschland allerdings, wie das UBA schreibt, noch weit entfernt ist.

Ein weiteres Beispiel: der großzügige Einsatz von Pestizi­den auf Feldern und Äckern. Er lässt Ins…

Titelbild: no one cares/Unsplash

Die Intensivlandwirtschaft steht vor massiven Problemen. Doch es gibt Ideen für eine echte Agrarwende

Christiane Langrock-Kögel

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