Familie 2020

Familienmodell: Gleich machen!

Viele junge Paare wünschen sich eine partnerschaftlichere Aufteilung der Aufgaben in Familie und Job. Aber nur die wenigsten wagen dann den Schritt zur echten Gleichberechtigung. Wir haben ein Paar besucht, bei dem es funktioniert

Ein Kind stellt das ganze Leben auf den Kopf, das hören werdende Eltern ständig. Erst lächeln sie es eifrig weg, ein paar Monate nach der Geburt wird heftig genickt. Bei Hanna und Martin Drechsler, sie 32, er 36, ist diese Weisheit sogar noch ein bisschen wahrer. Die beiden Hamburger haben nach der Geburt ihres Sohns Jonne tatsächlich ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Beide haben die Jobs gewechselt, sind in ein generationenübergreifendes Wohnprojekt gezogen und haben ihren Alltag komplett neu organisiert.

Gleichberechtigung bei Arbeit und Familie

„Wir haben uns in der Schwangerschaft viele Gedanken gemacht, wie wir als Familie leben wollen“, sagt Hanna. Ein klassisches Bild mit Mann als Ernährer und Frau als Vollzeit-Mama kam für beide nicht in Frage. Das Problem war nur: Hannas Stelle wurde aus betrieblichen Gründen gestrichen, Martins Job als Vertriebler bei einem Spirituosenhersteller passte nicht zu einem Teilzeitmodell. „Eine Kündigung war quasi die einzige Chance, meine Vorstellungen von Familie umzusetzen.“ Zum Glück fand der Sozialpädagoge schnell eine neue Stelle bei der Hamburger Väter gGmbh, die Unternehmen in Sachen Familienfreundlichkeit berät. 30 Stunden arbeitet Martin dort. Auch Kulturwissenschaftlerin Hanna ist nach zehn Monaten Elternzeit ins Berufsleben zurückgekehrt und hat eine Coaching-Ausbildung gemacht. Jetzt baut sie sich eine Existenz als Freiberuflerin auf. Wie Martin arbeitet auch sie rund 30 Stunden pro Woche.

Mit dieser partnerschaftlichen Aufteilung sind die beiden die Ausnahme. Zwar wünschen sich immer mehr Frauen und Männer so ein Modell, aber sind die Kinder erst einmal auf der Welt, klafft zwischen Wunsch und Wirklichkeit eine große Lücke. Laut der 2017 erschienen OECD-Studie „Dare to Share“ dominiert in Deutschland immer noch der „Eineinhalbverdienerhaushalt“: Er arbeitet ganz, sie halb.

Argwohn und Kopfschütteln

„Männer in Teilzeit oder partnerschaftliche Familienmodelle sind noch nicht im gesellschaftlichen Mainstream angekommen“, bestätigt Volker Baisch. Der 51-jährige Sozialwirt ist Geschäftsführer der Väter gGmbH, Martins Arbeitgeber. Aus seiner Sicht gibt es in Wirtschaft und Gesellschaft noch viel zu wenig positive Beispiele für neue Rollenbilder. „Der hart arbeitende Versorger, der lange im Büro bleibt und seine Karriere vorantreibt, gilt in vielen Unternehmen immer noch als die Norm“, sagt er. Frauen, die schnell in Vollzeit zurückkehren und Männer, die für den Nachwuchs au…

Titelbild: Jan von Holleben

Familienleben: Gleichberechtigung sollte es auch hier geben

Birk Grüling

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