Namibia ist ein Wüstenstaat – und der einzige Ort auf der Erde, an dem die Wüste auf das Meer trifft. Hier stoßen zwei uralte Kräfte aufeinander, Wasser und Erde, die beide die andere verdrängen wollen. Namibia besitzt eine Fläche von 825.615 Quadratkilometern – das ist so groß wie Deutschland und das Vereinigte Königreich zusammen. Es hat aber nur 2,5 Millionen Einwohner*innen – also weniger als Berlin. In der Hauptstadt Windhuk und im ländlichen Norden des Landes, dem Owamboland, leben die meisten von ihnen.
Das südafrikanische Land ist sehr jung. Nicht nur, weil es erst seit 30 Jahren unabhängig ist. Sondern auch, weil die Durchschnitts-Namibierin zwischen 18 und 25 Jahre alt ist. Es ist nicht unüblich, in diesem Alter schon Kinder zu haben. Das Land hat ein Problem mit Schwangerschaften von Minderjährigen im Alter von 13 bis 19 Jahren. Um die 1.500 Fälle werden jedes Jahr vom Ministry of Gender Equality, der staatlichen Anlaufstelle für Frauenrechte, verzeichnet. Das ist eine der höchsten Raten im südlichen Afrika. Trotzdem ist bis heute der Zugang zu Verhütungsmitteln unter anderem wegen hoher Kosten eingeschränkt. Die Coronakrise hat die prekäre Lage von Frauen noch mal verschärft: Verhütungsmittel wie die Pille sind knapp geworden.
Abtreibung ist immer noch durch den südafrikanischen „Abortion and Sterilization Act 2“ von 1975 reguliert. Zu diesem Zeitpunkt stand Namibia unter dem Mandat des Apartheidsregimes. Laut dem Gesetz ist eine Abtreibung nur unter den folgenden Bedingungen legal: wenn die Schwangerschaft das Leben oder die psychische Gesundheit der Frau gefährdet; wenn das Kind vielleicht mit einer Behinderung geboren wird; wenn die Schwangerschaft durch Inzest oder Vergewaltigung zustande kommt, oder wenn die Frau eine körperliche oder geistige Behinderung hat, die sie ihre Schwangerschaft nicht verstehen lässt. Die Abtreibung darf nur dann vorgenommen werden, wenn zwei Ärzt*innen und ein*e Oberärzt*in die oben genannten Bedingungen bestätigt haben und sie in einem staatlichen Krankenhaus durchgeführt wird.
Frauenrechte in Namibia: 62.000 Unterschriften
Es gibt immer mehr Menschen in Namibia, die das nicht hinnehmen wollen und sich für mehr Selbstbestimmung einsetzen – für alle Geschlechter. Beauty Boois ist non-binär und Aktivist*in. Nicht-binäre Menschen identifizieren sich weder als Frau oder Mann. Das Pronomen, das im Englischen für sie oft benutzt wird, ist „they“. Auch Boois möchte so angesprochen werden. They lebt als Autor*in in Windhuk und startete im Juni 2020 eine Online-Petition für die Legalisierung von Abtreibung in their Heimatland. 62.000 Unterschriften konnte die Petition bereits sammeln. Für Namibia – zweitdünnst besiedelter souveräner Staat nach der Mongolei –, ist das eine beachtliche Summe.
„Ich habe die Petition dieses Jahr ins Leben gerufen, weil mir ein Anstieg von sexueller Gewalt aufgefallen ist. Ich glaube, das liegt auch am fehlenden Wissen über Frauenrechte“, erklärt they erst 20-jährige*r Aktivist*in. „Zu entscheiden, ob man eine Abtreibung will oder nicht, sollte ein Menschenrecht sein.“
Das Recht auf Selbstbestimmung
Die Initiative „Voices for Choices and Rights Coalition“, die von Beauty Boois mit ins Leben gerufen wurde, organisiert gemeinsam mit weiteren feministischen Organisationen wie etwa MeToo Namibia, Sister Namibia, PowerPad Girls und Y-Fem eine große Protestbewegung. Ab Juli 2020 demonstrierten die jungen Aktivist*innen monatelang in Windhuk. Das Recht auf Selbstbestimmung und legale Abtreibung stand dabei an vorders…
Im Juli 2020 begann die größte Protestbewegung für Frauenrechte in der Geschichte Namibias. Aktivist*innen kämpfen für mehr Selbstbestimmung und gegen häusliche Gewalt.