Cradle to Cradle NGO

„Wir schaffen Werte, nicht Schadstoffe“

Das Konzept „Cradle to Cradle“ denkt Produkte in Kreisläufen. Die gleichnamige NGO will unsere Wirtschaft komplett umgestalten. Ein Gespräch mit den Geschäftsführenden.

Welche Folgen hätte eine konsequente Kreislaufwirtschaft nach dem Prinzip „Cradle to Cradle“ (C2C)?

Nora Sophie Griefahn: Bei Cradle to Cradle existiert kein Müll mehr. Denn man produziert Dinge direkt für das jeweilige Nutzungsszenario, sodass sie entweder in biologische oder technische Kreisläufe gehen können, wo sie zirkulieren und nützlich bleiben.

Was unterscheidet biologische von technischen Kreisläufen?

Nora: Ein Fahrradreifen, dessen Abrieb am Ende in die Umwelt gelangt, ist ein Beispiel für einen biologischen Kreislauf eines Produktes, das verbraucht wird. Ein Fahrradreifen muss nach Cradle to Cradle so gestaltet werden, dass sein Material biologisch abbaubar ist und Nährstoff für etwas anderes werden kann. Bei einem Produkt, das hingegen genutzt und nicht verbraucht wird, ist es wiederum wichtig, dass man alle Materialien voneinander trennen und wiederverwenden kann – das ist der technische Kreislauf. Man muss genau dokumentieren, wo man welches Material verwendet. So können Produkte zu Materialbanken werden, zu Rohstoffen.

So wie euer neues Büro in Berlin, wo in einem alten DDR-Plattenbau eine Fläche von 400 Quadratmetern nach C2C-Maßstäben saniert wurde.

Tim Janßen: Wir haben mit gesunden Materialien gebaut, demontierbar und kreislauffähig. Als Dämmstoff haben wir naturbelassenes Seegras verwendet. Unsere Fenster bestehen aus kreislauffähigem Glas und Aluminium und sind komplett demontierbar. Unser Teppichboden besteht aus Teppichfliesen, die aus einer kreislauffähigen Kunststofffaser, Polyamid 6, gefertigt und so gewebt sind, dass sie achtmal mehr Feinstaub aus der Luft filtern können als herkömmliche Teppichböden.

Nora: Die Wände sind noch die Betonwände des Plattenbaus, aber wir haben enorme Mengen an Schadstoffen entfernt, wie etwa die phenolhaltige Klebeverbindung für den PVC-Boden. Wir zeigen, dass Cradle to Cradle auch beim Sanieren von Bestandsgebäuden möglich ist und nicht nur im Neubau. In den Niederlanden wurde etwa das Rathaus in Venlo nach den C2C-Prinzipien gebaut.

Ist es nicht wahnsinnig teuer, so zu bauen?

Nora: Unterm Strich kann sich C2C finanziell lohnen, denn man bekommt bei jedem Produkt das Material am Ende zurück. Derzeit designen wir günstige Produkte für den Moment, nicht für das Danach. Wenn wir auf die realen Preise blicken, wäre ein C2C-Produkt auch jetzt schon günstiger. Wir müssen die Kosten ernst nehmen, die wirklich in einem Produkt stecken.

Also externalisierte Kosten, die die Gemeinschaft etwa für Umweltfolgeschäden bezahlt?

Tim: Wenn wir den angesprochenen nicht-kreislauffähigen Reifenabrieb nehmen, der in…

Bild: Cradle to Cradle e.V.

Die Umweltwissenschaftlerin Nora Sophie Griefahn und der Wirtschaftswissenschaftler Tim Janßen führen seit 2012 gemeinsam die Cradle to Cradle NGO.

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