Zwischen meterhohen Skulpturen aus Holz, inmitten eines lichtdurchfluteten Ateliers, sitzt Gunther Gerlach. Sein Haus in Bremen Oslebshausen hat er selbst gebaut. Der ehemalige Kunstdozent hat schon einiges erlebt, wenn es um aktivistisches Engagement geht. Proteste gegen den Vietnamkrieg und den Kapitalismus, Anti-Atomkraft-Demonstrationen mit Platzbesetzungen in Gorleben und Brokdorf, Bürgerinitiativen für den Erhalt des alten Weser-Kraftwerks in Bremen. Doch noch nie hatte sein Protest eine Brisanz wie heute. Regelmäßig zieht es den 68-Jährigen auf die Straße. „Anfang der 70er-Jahre protestierten wir mit einem unruhigen Gefühl. Immer mit der Frage im Hinterkopf, was wir aus unserem Leben machen wollen. Die Antwort war: Wir wollen das System verändern, den Kapitalismus abschaffen. Aus heutiger Sicht waren wir auch etwas umherirrend, noch auf der Suche“, sagt Gerlach. Heute dagegen sei der Protest anders. „Die Klimakrise ist weltumspannend. Wir stehen am Kipppunkt zur Katastrophe und wollen die ganze Welt retten. Das ist ein wahnsinniger Anspruch.“
Der Künstler unterstützt Forderungen nach Klimaneutralität und einem nachhaltigen und bewussten Umgang des Menschen mit der Natur. Konkret bedeutet das: sofortiger Ausstieg aus dem Kohleabbau, Reduzierung des Verkehrs und des Ausstoßes von CO2. „Klimagerechtigkeit, ökologische Landwirtschaft, Artenschutz und eine stärkere Beteiligung der Gesellschaft an demokratischen Prozessen – aus meiner Sicht sind das die wichtigen Ziele“.
Umweltaktivist*innen: Künstlerisches Veto
Seine Kunst nimmt viel Raum in seinem Leben ein, seit 45 Jahren ist er als Bildhauer und Zeichner aktiv. Mit der Kunstgruppe Climart bringt er diese mit dem Protest in Einklang. Die Gruppe will mit Aktionen im öffentlichen Raum auf die Dringlichkeit eines Umdenkens aufmerksam machen. Um den drohenden Anstieg des Meeresspiegels durch das Abschmelzen der Polkappen aufzuzeigen, haben die Aktivist*innen einen riesigen Wasserstandsanzeiger als Symbol für zukünftige Aktionen gebaut.
Berechnungen von Forscher*innen der gemeinnützigen Agentur Climate Central im US-amerikanischen Princeton legen nahe, dass der klimawandelbedingte Meeresanstieg mehr Küsten gefährden wird als bislang angenommen. Bei weiterhin hohen Emissionen könnten mehrere Millionen Menschen schon ab 2050 von jährlichen Überflutungen bedroht sein. Bremen, Hamburg und Ostfriesland gelten unter anderen als gefährdet. In Gerlachs Augen braucht es einen kulturellen und gesellschaftlichen Wandel, um das Problem anzugehen: „Wenn kein Umdenken stattfindet, nützt uns auch das Elektroauto nichts.“
In seinem Wohnort Bremen engagiert sich Gerlach bei Aktionen des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) und Fridays for Future (FFF) sowie bei Demos gegen Rechts. Durch die Corona-Pandemie geht er momentan nur unter entsprechenden Auflagen auf die Straße. Er bedauert, dass der Protest nicht in seiner gewohnten Form und Tragweite stattfinden kann. In der Vergangenheit war Gerlach auch bei einigen Aktionen von Extinction Rebellion (XR) beteiligt. Extinction Rebellion, auf Deutsch etwa „Rebellion gegen das Aussterben“, gilt als die radikale Schwester von Fridays for Future. Die Initiatoren rufen zu gewaltfreiem zivilen Ungehorsam auf. Festnahmen sind bei Aktionen wie den
Im Kampf vereint: Jung und Alt auf Klima-Demonstrationen wie hier in Berlin.