Gründen & Denken

Lasst uns verkrustete Altersbilder sprengen

Ach, du wirkst aber schon erwachsen. Oh, du bist ja grau geworden. Egal ob jung oder alt, oft arbeiten wir uns als Altersbildern ab, wenn wir Menschen einordnen. Schluss damit, sagt Gründer Robert Eysoldt, wir sollten einfach schauen, was jede:r kann und will unabhängig vom Geburtsdatum.

Mit Ihrer Initiative Age Bombs wollen Sie unser Denken über Alter in die Luft jagen. Was läuft denn falsch? 

Robert Eysoldt: Wir sprechen viel zu einseitig über Alter, weil wir dem Thema häufig ausweichen. In der Schule lernen wir es nicht, in Unternehmen meiden wir es. Denn dann müssten wir uns mit unserer Endlichkeit auseinandersetzen. Wo stehe ich gerade in meinem Leben, was habe ich noch vor? Solche Fragen verunsichern uns. Das spiegelt sich in der Sprache. Oh, du bist ja grau geworden. Oder umgekehrt: Oh, du siehst gar nicht aus wie sechzig. Wir packen unser eigenes Lebensalter in ein Koordinatensystem des Vergleichs. Ah, geht noch. Oder andersrum bei Jungen: Du wirkst aber schon sehr erwachsen. Na bitte. Doch die klare Trennung zwischen Alt und Jung verschwimmt längst. Es gibt genauso aktive Ältere wie antriebslose Jüngere. Und die gewohnte Abfolge – Ausbildung, Arbeit, Ruhestand, Tod – löst sich ja zunehmend auf. Das macht einerseits frei, andererseits unsicher. Wir müssen endlich lernen, offen über Alter zu sprechen. Und sollten dabei gleich die Generationenklischees über Bord werfen. Nur so bringen wir alle Altersgruppen an einen Tisch. Denn die großen Probleme von Arbeitskräftemangel bis Klimakrise können wir nur gemeinsam lösen. 

Boomer, Gen X, Y, Z –  die Kategorien taugen nichts?  

Individuell sicher nicht, denn Alter ist nur ein Datenpunkt von vielen, um sich auf einer Karte zu positionieren. Wenn man sein eigenes Alter anschaut, sieht man ja sofort, wie unterschiedlich die Gleichaltrigen sind. Herkunft, Bildung, Stadt oder Land, Beruf, kulturelles Umfeld – es gibt unendlich viele andere Dinge, die uns prägen. Daher fühlen wir uns bei einigen Themen stärker mit Menschen aus anderen Altersstufen verbunden als mit Gleichaltrigen. Generationenlabels sind so angestaubt wie VHS-Kassetten im Netflix-Zeitalter. Sie sind nichts als ein Schubladensystem.

Was schlagen Sie vor?  

Nehmen wir Unternehmen: Lasst Kategorien wie Alter fallen. Erprobt Teams aus Menschen mit ähnlicher Energie, unterschiedlichen Fähigkeiten und einfach Lust auf Neues. Egal ob sie 30 oder 50 sind, egal in welcher Rolle sie stecken, wie lange sie schon fürs Unternehmen arbeiten und wie viel Erfahrung sie haben. Das trainiert uns auch, offen zu bleiben …

… und uns von Stereotypen zu lösen …

… genau. Die Jungen haben die tollen Ideen, die Alten mehr Expertise? Unsinn, Ideen können aus jeder Ecke schießen, Expertise geht prima auch ohne jahrzehntelange Erfahrung. Gerade jetzt, wo Arbeitskräfte Mangelware werden, können sich Firmen auch gar nicht leisten, in alten Zuschreibungen zu verharren. Statt zu vermuten, ach, eine KI-Schulung lohnt sich bei dem Ü60-Mitarbeiter eh nicht mehr, einfach mal nachfragen: Was willst du lernen, was hast du vor, was interessiert dich jetzt? Statt davon auszugehen, ach, die junge Kollegin kann bestimmt noch keine Führungskraft mit Älteren im Team werden, einfach checken: Hat sie das Know-how, die Energie und hat sie Bock? 

Was ist für Age Bombs der nächste Schritt?

Ich will eine Debatte in Gang setzen, halte Vorträge bei Stiftungen, auf Festivals und Kongressen, mache Workshops. Der nächste Schritt sind Schulungen in Unternehmen. Viele Marketing-Strategien zum Beispiel richten sich derzeit an die Zielgruppe 55+. Warum sprechen sie nicht einfach altersübergreifend Leute an, die das Gleiche mögen? Surfen, Kochen, Mode etwa. Und ich rate dazu, Altersbilder zu überdenken. Viele, die jetzt alt werden, sind mit Popmusik groß geworden, haben auf der Straße demonstriert oder auf der Love-Parade getanzt. Die kann man nicht mit orthopädischen Schuhen in Beige abspeisen.  

Robert Eysoldt

ist Creative Consultant und Business Coach. 2025 startete er Age Bombs, eine Initiative für Age Diversity. Auf den Namen kam er durch Computerspiele, in denen man von Level zu Level steigt:  Die Bomben stehen für ihn dabei für Herausforderungen im Leben – die entweder weitflächig umgangen, entschärft oder beseitigt werden müssen. agebombs.com

Foto: Yves Sucksdorff

Robert Eysoldt, Gründer von Age-Bombs

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