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Für mehr Vielfalt in den Parlamenten

Diversität in den Parlamenten? Oft Fehlanzeige. Junge Initiativen wollen das ändern.

Vor vier Jahren war Rebekka Müller noch Abteilungsleiterin in einem Kölner Reiseunternehmen. Hätte damals jemand zu der 34-Jährigen gesagt, dass sie 2022 Bundesvorsitzende der Europa-Partei Volt wird, hätte sie nur ungläubig den Kopf geschüttelt. „Ich hatte nie das Bedürfnis, in die Politik zugehen und habe es mir lange nicht zugetraut.“ Ihr Engagement im Klimaaktivismus und das Erstarken der AfD hat sie zum Umdenken gebracht. Als sie 2019 Mitglied bei Volt wurde, gingalles Schlag auf Schlag: Kölner Vorständin, Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl, Bundesvorsitzende.

Müllers Karriere ist ein Paradebeispiel eines erfolgreichen politischen Quereinstiegs. Dass sie es so weit gebracht hat, habe sie auch Zufällen und vielen Unterstützer:innen im Umfeld zu verdanken, sagt Müller: „Ich konnte es mir leisten, meinen Job zu kündigen, um mich auf meine politische Karriere zu konzentrieren. Das Privileg haben viele nicht.“ Besonders schwer ist es, wenn die Personen nicht so einen deutschen Nachnamen, weiße Haut und einen Hochschulabschluss haben.

Dass der Bundestag noch weit davon entfernt ist, die Diversität der Gesellschaft widerzuspiegeln, kann Pola Lehmann, Politikwissenschaftlerin am Wissenschaftszentrum Berlin, mit Zahlen belegen. Zum Beispiel: Jeder zweite Mensch in Deutschland ist weiblich, im Bundestag dagegen sind nur etwa 35 Prozent Frauen. Seit 2017 ist ihr Anteil damit sogar leicht gesunken. „Das liegt vor allem am Einzug der AfD“, so Lehmann. Nur knapp 14 Prozent der Abgeordneten der rechtspopulistischen Partei sind weiblich. Viele Frauen dagegen gibt es bei den Linken und den Grünen: 54 und 59 Prozent. Unterschiedlich ist das Bild auch in den Landesparlamenten: In Schleswig-Holstein und dem Saarland sind mehr als 37 Prozent Frauen, in Bayern nur 27,3 Prozent.

Auch Menschen mit Migrationshintergrund – laut Statistischem Bundesamt ein Viertel der Bevölkerung – sowie Menschen mit Behinderung, Nichtakademiker:innen und queere Personen sind in der Politik unterrepräsentiert. Immerhin: „Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund etwa ist im Bundestag seit 2017 von 8,2 auf 11,3 Prozent gestiegen“, sagt Lehmann. Bei den Linken sind es sogar 28 Prozent.

Politikexpertin Lehmann ist überzeugt: Mehr Vielfalt zahlt sich aus. Zum einen tragen Menschen mit verschiedenen Hintergründen neue Perspektiven in die Parlamente. Ein Pluspunkt, um die komplexen Probleme der Gegenwart zu lösen. Zum anderen erhöht es das Vertrauen in das System, wenn sich alle repräsentiert fühlen. „Und Vorbilder in den Parlamenten bestärken andere, politisch aktiv zu werden.“

Auch Volt-Vorsitzende Müller haben Vorbilder motiviert. Sie steht kurz vor der Geburt ihrer Tochter – und käme nicht im Traum auf die Idee, deshalb ihre Arbeit als Politikerin zurückzufahren. „Dass andere Frauen Mutter- und Politikerinsein bereits erfolgreich verbinden, hat mich ermutigt“, sagt Müller und schlussfolgert: „Es reicht eben nicht, als Partei nur zu sagen: Kommt zu uns, ihr seid willkommen. Man muss gezielte Angebote schaffen.“ So hat Müller im November 2022 die Initiative Team Europa ins Leben gerufen.

„Dass andere Frauen es bereits erfolgreich verbinden, Mutter und Politikerin zu sein, hat mich ermutigt.“
Rebekka Müller, Volt-Vorsitzende

Die Vision: Menschen mit unterschiedlichem Background und ohne politische Vorerfahrung fit für eine Kandidatur für das EU-Parlament machen. Die Methode: ein kostenloses Trainingsprogramm über zwei Monate. Bewerber:innen müssen in Deutschland wohnen, volljährig und E…

Foto: Unsplash / Christian Lue

Der Bundestag spiegelt längst nicht die Vielfalt der Gesellschaft wider. Mehrere junge Initiativen wollen deshalb bislang unterrepräsentierten Gruppen den Einstieg in die Politik erleichtern. (Symbolbild)

Paula Binz

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