Mein erstes Mal

Socken selber stopfen

Mit Wolle und Holzei – Socken stopfen ist nicht altmodisch, sondern nachhaltige Fummelarbeit, die entspannt.

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Kürzlich hatte ich das Gefühl, dass ich nicht genug warme Socken parat habe. Der Kontrollblick in den Kleiderschrank nimmt mir meine Sorgen. Eine solide Reserve an handgestrickten Wollwärmern für die Füße wartet auf ihren Einsatz in einer eigenen Schublade. Weil ich das ja eigentlich weiß, denke ich noch ein paar Tage darüber nach. Woher kommt meine unnötige Sorge?

Mir fällt meine Oma wieder ein. Sie ist vor ein paar Jahren gestorben. Seit ich denken kann, gab es entweder an meinem Geburtstag im ersten Dezemberdrittel oder an Weihnachten ein Paar ihrer stets handgemachten Socken. Je nach Stimmung über die Jahre hinweg variierten Muster, Wolltyp und verwendete Farben. Als Kind gab es gerne was kratzig Buntes. Zum Weichlaufen. Wollte sie mir später sanft vermitteln, etwa im Studium, dass ihr mein gelegentlich unsteter Lebenswandel nicht ganz passte, dominierten eher dunkle Töne mit einem klaren hellen Muster. Später dann wurde es gänzlich einfarbig, um die Kombinationsmöglichkeiten mit Jeans und Hosen zu vereinfachen. Schließlich sollte ich ihr Qualitätshandwerk auch tragen.

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Socken Stopfen mit Serien-Oma „Uri“

Oma nahm aber auch Wünsche meinerseits entgegen. Wollte ich, was häufiger ab dem sechsten Lebensjahr vorkam, etwas Passendes zu meinem Fußballverein, gab es die Farben Blau und Weiß in diversen Variationen. Ich wandere nochmal zur Schublade und schaue hinein, greife mir ein braun-rot-beiges Paar mit unscheinbarem Ringelmuster. Die zwei stammen aus der Übergangszeit Studium/Berufsbeginn, da bin ich mir sicher, aber stelle fest: Es gibt Löcher. Durchgelaufen. Hatte ich lange nicht mehr an.

Dann sehe ich sie vor mir, die Oma, klein, fast zierlich, verschmitzt und doch ernst, sitzt sie auf ihrem Sessel und sagt: „Wenn wir alle aufhören, unsere Socken zu stopfen, hat die Gesellschaft ein Problem.“ Jetzt muss ich schmunzeln. In vielerlei Hinsicht ist das ein nachhaltiger Satz.

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Kaputte Socken habe ich bei ihr zum Stopfen ohnehin oft abgeliefert. Also nehme ich die Mahnung ernst und beginne die Recherche online, suche bei Youtube nach Tutorials. Dummerweise habe ich mir von Oma nie die konkreten Arbeitsschritte erklären lassen. Bald werde ich fündig: Bei einer Expertin aus Bayern, die sonst in der Heimat-Soap Dahoam is Dahoam vom Bayerischen Rundfunk mitspielt. Scheint im Süden echt beliebt zu sein, das Format, kannte ich vorher nicht. Die Serie gibt’s jedenfalls seit 2007. „Uri“, die grundsympathische Serien-Oma, erklärt mir jetzt in einem fast siebenminütigen Clip wie’s geht, das Sockenstopfen.

„Im Laden ist es bunt, warm und flauschig“

Ich brauche: Garn oder Wolle, eine stumpfe Nadel, ein Stopf-Ei aus Holz, ein Apfel ginge laut Uri auch. Und, klar, es braucht,„oan Socken mit oam Loch“, erklärt die Expertin im Fernseh-Bayerisch. Check: Ich habe die Nadel und die Socken – und den Apfel. Wobei mich das Arbeitsgerät Holzei dann doch reizt. Kannte ich noch nicht, muss ich haben, klingt sehr professionell.
Also geht’s zum Wollladen um die Ecke. Draußen ist es grau, im Laden bunt, warm und flauschig. Herrlicher Herbst. Mein Ziel beim Einkauf mit Maske: nachhaltige Wolle, nachhaltiges Ei. Letzteres ist kein Problem, mein präferierter Kandidat wurde aus Holzabfällen hergestellt.

Die Wolle ist ein Problem, denn, so klärt mich die freundliche Verkäuferin mit Lesebrille auf, recycelte Baumwolle oder andere schonend gefärbte Alternativen würden in puncto Stabilität nicht wirklich Sinn machen. Es brauche ein solides Stopfgarn, aber auch da gebe es wiederum bei vielen Produzent*innen zumindest das Risiko einer nicht hundertprozentig nachhaltigen Herstellung. Färbung und Pestizideinsatz bei Anbau des Grundstoffs ließen sich leider nicht gänzlich ausschließen. Aber sie hat eine Alternative, die mich überzeugt. Eine ihrer langjährigen Kund*innen stricke Pullover und verkaufe diese. Beim Stricken bleibe zudem ein Rest „Beilaufgarn“, das zur Stabilisierung dient, übrig. Eigentlich würde das Garn weggeschmissen. Doch die Kundin bringe es zurück in den Laden und so könne es weitergenutzt werden. Ideal zum Stopfen. Ich kaufe es in der Signalfarbe Rot, mochte Oma auch. Dann marschiere ich mit Garn und Ei nach Hause.

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Fummelarbeit, die entspannt

Ich schaue mir „Uris“ bayerisches Tutorial noch mal an. Okay, kriege ich hin. Erst das Ei in die Socke und die Stelle mit Loch fixieren, glattziehen. Dann das Stopfgarn durch die Öse an der stumpfen Nadel und am Ende des Fadens einen Knoten rein. An einem Lochrand, aber mit ein paar Millimetern Sicherheitsabstand, damit der Faden stabil sitzt, geht es los. Jetzt enge Bahnen ziehen von oben nach unten, nicht zu fest. Das Loch soll gefüllt – eben gestopft – und nicht direkt geschlossen werden. Dann das Gleiche mit einem neuen Faden von links nach rechts wiederholen.

Also, wie „Uri“ sagt, „a bisserl weben“. Wie bei einem kleinen Teppich. Nach 20 Minuten bin ich fertig. Erst ist es eine ziemliche Fummelarbeit, dann werde ich sicherer. Und: Es entspannt. Das Ergebnis sieht lustig aus und hält. Ich habe die Socken übrigens gerade an, während ich schreibe. Den ersten Belastungstest haben sie bereits bestanden. Ein Blick in die Kleiderschrankschublade zeigt, es gibt noch einige Arbeit, bis es richtig kalt wird. Oma würde jetzt schmunzeln.

Dieser Text erschien ursprünglich am 15. Oktober 2020.

Bild: Unsplash / K8

Zum Socken stopfen brauchst du: Garn oder Wolle, eine stumpfe Nadel, ein Stopf-Ei aus Holz – Der Besuch im Wollgeschäft wirkt sich mit seiner Farbenpracht ebenso positiv auf die Stimmung aus, wie die entspannende Stopf-Arbeit selbst.

Jan Scheper

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