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Ich stochere mit den Fingern durch meinen Biomüll auf der Suche nach verwertbaren Resten. Nichts ist brauchbar. Die Überbleibsel der Vortage sind bereits vertrocknet oder schimmeln. Ich werfe alles in die Biotonne. Doch es soll mein letzter Gang dorthin sein.
Ich habe ein Projekt gestartet: Von nun an werde ich all meine Lebensmittel komplett verarbeiten und weiterverwenden. „Zero Waste Cooking” heißt diese Methode. Dabei werden die Reste von Lebensmitteln wie Obst- und Gemüseschalen nicht weggeworfen, sondern genießbar zubereitet. Abfälle sollen vermieden und die Umwelt so geschont werden.
Als ich „Zero Waste Cooking“ recherchiere, finde ich im Internet allerlei Rezepte wie Chips aus Kartoffelschalen. Doch lieber wende ich mich zunächst an meine Familie, um Tipps für die ganzheitliche Zubereitung von Lebensmitteln zu erhalten. Denn was heute als außergewöhnlich verkauft wird, gehört für viele Menschen auf dem Land zur gängigen Praxis und war der Alltag unserer Großeltern und deren Vorfahren.
Meine Tante, die noch immer in dem ostthüringischen Dorf lebt, aus dem ich stamme, verrät mir einige Tricks. Die Schalen und das Kerngehäuse von Früchten kann ich trocknen und zu Früchtetee aufkochen. Die zarten Blätter von roter Beete und Blumenkohl kann ich in Salate schneiden. Ideen, die mir plausibel erscheinen und die ich bisher noch nie umgesetzt habe. Am Ende ergeben die Reste von Obst und Gemüse immer einen guten Kompost für Gartenbeete, versichert meine Tante. Die Natur kennt keinen Müll, nur einen Kreislauf. Alles, was sie uns gibt, nimmt sie wieder auf.
Die Menschheit liebt Müll
Doch als ich im Supermarkt ankomme, mit einem Haufen Rezepte im Gepäck, stelle ich fest: Der Menschheit ist der Kreislauf egal, sie liebt Müll. Genauer gesagt Verpackungen. Zwar bieten selbst Discounter mittlerweile einen Teil ihres Obst- und Gemüsesortiments unverpackt an. Diese Variante ist aber oft teurer als die mit Plastikhülle. Zudem gibt es manche Produkte wie Feldsalat fast ausschließlich in verpackter Form, selbst in Bioläden, die sonst ein sehr breites – wenn auch kostspieliges – Angebot an unverpacktem Obst und Gemüse haben. Eine gute Lösung bilden hier Wochenmärkte, auf denen Lebensmittel oft zu günstigen Preisen ohne Plastikhülle verkauft werden. Doch was tun, wenn man weder genügend Geld, noch einen Wochenmarkt in der Nähe hat?
Glücklicherweise lebe ich in Berlin und gebe mein Geld gerne für gute Lebensmittel aus. Den Einkaufswagen fülle ich mir daher mit losem Obst und Gemüse. Mein Glück endet an dieser Stelle jedoch. Natürlich möchte ich nicht nur Obst und Gemüse einkaufen. Ich will auch Haferflocken, Sojajoghurt und veganen Leberwurstersatz, weil ich mich vegan ernähre. Doch das sind alles verpackte Produkte. Gut, Haferflocken kann ich in einem Unverpackt-Laden einkaufen. Davon gibt es in Berlin viele. Man bekommt Nüsse, Mehl, Gewürze und sogar Spülmittel. Aber die unverpackte Ware ist teurer und ich muss einen Umweg mit dem Fahrrad nehmen.
Zero Waste als Herausforderung
Was ist mit Lebensmitteln, die ein kurz- bis mittelfristiges Ablaufdatum haben wie Joghurt? Ich kann ihn im recyclebaren Glas kaufen. Doch sowohl im Supermarkt als auch im Bioladen finde ich nur Joghurt aus tierischer Milch im Glas. Die von mir bevorzugte pflanzliche Variante ist stets in Plastik verpackt. Das macht mich stutzig, denn ich vermute, dass sich viele Menschen, die nach dem „Zero-Waste“-Prinzip leben, vegan ernähren. Essen sie gar keinen Joghurt? Mein Dilemma verschlimmert sich bei dem Gedanken an den in Plastik verpackten veganen Leberwurstersatz. Auf dem Land halten viele Menschen noch eigene Schafe und Hühner, die bei der Schlachtung fast vollständig verarbeitet werden. Was ist nun die umweltschonendere Option?
Bereits zwei Stunden nach meinem Entschluss, abfallfrei zu kochen, bin ich am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Mein Plan, ohne Lebensmittelreste zu kochen, hat sich als Krise für meinen kompletten Lebens- und Ernährungsstil entpuppt. Ist eine Ernährung ohne Müll möglich?
Ich kaufe den Sojajoghurt und die vegane Leberwurst. Die Haferflocken werde ich bei Gelegenheit in einem Unverpackt-Laden besorgen, beschließe ich. Wenn ich wegen ein paar Plastikhüllen durchdrehe, haben weder die Umwelt noch meine Psyche etwas davon. Es hilft bereits, weniger verpackte Ware zu kaufen und die gekauften Produkte ganzheitlich zu verwenden. Letzteres war ja auch der ursprüngliche Plan.
Zu Hause mache ich aus Kartoffeln und Blumenkohl eine Suppe. Die Schalen der Kartoffeln mariniere ich in Öl und Salz und röste sie anschließend im Ofen, um Chips herzustellen. Sie sind ein wenig zu dunkel, als ich sie aus dem Backofen ziehe. Meine Tante hat mich bereits vorgewarnt, dass ich am Anfang ein bisschen herumprobieren muss. Ich folge auch ihrem Rezept für einen Salat mit den inneren Blättern des Blumenkohls. Zuerst schmeckt es ungewohnt. Doch beim zweiten Bissen bin ich überzeugt: Das ist lecker!
Beim Kochen fällt meist ein Haufen Gemüseabfall an. Manches davon kann man aber noch gut weiter verwerten.