Ein Beispiel: In vielen Supermärkten sind Bio-Gurken immer noch in Plastik verpackt. Die Alternative: Eine konventionelle Gurke, ohne Plastik. Was ist da die bessere Wahl für die Umwelt?
Den persönlichen Plastikmüllberg so gering wie möglich halten
38 Kilo – so viel Plastikmüll produzierten die Deutschen laut dem Plastikatlas pro Kopf und Jahr. Ein großer Teil davon stammt aus dem Supermarkt, im Form von Verpackung. Und nicht alles davon wird zu neuen Produkten recycelt, sondern gerade mal 16 Prozent. Deinen persönlichen Plastikmüllberg solltest du also so gering wie möglich halten. Das gelingt zum Beispiel, indem du unverpackte Produkte einkaufst.
Aber ist es nachhaltiger, unverpackte Lebensmittel einzukaufen, als solche in Bio-Qualität? „Der direkte Vergleich ist schwierig“, findet Dr. Guido Reinhardt, Leiter des Fachbereichs Biomasse und Ernährung des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu).
Der Grund: Der Effekt von Verpackung auf die Umwelt lässt sich vor allem in Treibhausgasen messen. Bei Bio stehen andere Faktoren im Vordergrund: „Der Biolandbau hat den Vorteil, dass keine chemisch-synthetischen Pestizide eingesetzt werden, dass die landwirtschaftlichen Nutzflächen und Böden nachhaltiger genutzt werden und, dass die Landwirte tendenziell nachhaltiger wirtschaften“, so Reinhardt. Rein rechnerisch lassen sich die beiden Kriterien deshalb schlecht vergleichen.
Bio und unverpackt sind nachhaltig – nur unterschiedlich
Beide Faktoren sind also nachhaltig – aber auf unterschiedliche Art. Lässt sich dann überhaupt sagen, welches Kriterium wichtiger ist?
Vielleicht nicht – dieser Auffassung waren zumindest weitere Experten des ifeu, die wir im Zuge der Recherche befragt haben. Oder zumindest nicht pauschal: Man müsste den Einzelfall immer im Kontext betrachten. „Schon Aussagen, die für Wasserflaschen gelten, können bei Saftflaschen in die Irre leiten“, erklärt Benedikt Kauertz, Leiter des Bereichs Umweltbewertung komplexer Systeme.
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Warum überhaupt die Verpackung?
Im Supermarkt ist Bio-Obst und -Gemüse häufiger verpackt als konventionelle Sorten – die Gurke ist nur ein oft zitiertes Beispiel. Das klingt erst mal paradox – denn wer der Umwelt zuliebe Bio-Lebensmittel kauft, spart logischerweise eher auch Verpackung. Es gibt aber verschiedene Gründe für die Lebensmittelverpackungen:
„Bei Discountern werden bestimmte Lebensmittel eingeschweißt, damit der Kunde nicht heimlich konventionelle durch Bio-Lebensmittel vertauschen kann und damit weniger zahlt“, so Dr. Guido Reinhardt vom ifeu. Ihm zufolge werden ausgerechnet die Bio-Lebensmittel verpackt, weil Einzelhändler diese seltener verkaufen – damit kostet die Verpackung weniger. Mit dem ökologischen Anbau der Ware hat es also nichts zu tun.
Die Folie hat aber auch praktische Gründe. Einer österreichischen Studie zufolge kann sie die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängern – bei Salatgurken um den Faktor 2,7. Das ist ein wichtiges Argument, denn weggeworfene Lebensmittel haben eine große Umweltlast: Produktion und Lagerung haben Energie verbraucht, Emissionen erzeugt oder die Umwelt anderweitig belastet.
Die einzige Ausnahme: „Wenn die Lebensmittel an Obdachlose oder Bedürftige weitergegeben werden, zum Beispiel über eine Tafel, dann ersetzen sie andere Lebensmittel.“ Und diese anderen Lebensmittel hätte man erst einmal produzieren müssen. Deshalb ist hier die Ökobilanz besser. Die Weitergabe funktioniert aber nur, wenn die Lebensmittel nicht verdorben sind, sondern nur unansehnlich oder das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist.
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Immer mehr Supermärkte verzichten auf die Plastikfolie
Bei Edeka und Netto gibt es die Salatgurke mit einer Lasermarkierung, bei Rewe mit Klebeetikett anstelle einer Plastikhülle. Und nicht nur die: Immer mehr Supermarktketten nutzen zumindest für Teile ihres Bio-Obst- und -Gemüsesortiments Verpackungsalternativen wie Aufkleber oder Banderolen.
Komplett hat die Umstellung noch nicht funktioniert. Rewe erklärt, dass es dafür verschiedene Gründe gibt: Zum einen würden die Kund*innen beispielsweise bei Karotten die verpackte Option vorziehen. Zum anderen würden Sorten wie Salat und Broccoli mit der Folie länger halten.
Außerdem müssen erst entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden: „Die Umstellung auf eine ressourcenschonende oder umweltfreundlichere alternative Verpackungsart scheitert aktuell oft noch an den gegebenen Möglichkeiten der Packstellen der Lieferanten, die erst in entsprechende Anlagen investieren müssen“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Welche Gurke ist nun besser?
Nicht jeder Supermarkt hat schon auf plastikarme Verpackungen umgestellt – und bei bestimmten Bio-Obst- und -Gemüsesorten wird uns die Plastikfolie wohl noch eine Weile erhalten bleiben. Wie also solltest du dich entscheiden, wenn du vor der Wahl stehst?
Bleiben wir beim Beispiel der Salatgurke im Supermarkt. Ob diese in Plastik verpackt ist oder nicht, macht rein rechnerisch keinen großen Unterschied, erklärt Dr. Guido Reinhardt vom ifeu. Denn die Plastikfolie der Bio-Gurke landet in der Regel zuhause im Mülleimer, nicht in der Natur oder in den Weltmeeren. Von dort gelangt sie in eine Müllverbrennungsanlage und wird thermisch verwertet – das heißt, dass die Wärme, die entsteht, zur Fernwärmeversorgung oder Stromerzeugung genutzt wird, anstelle von Erdöl. Deshalb fällt die Entsorgung bei der Klimabilanz weniger ins Gewicht als die Herstellung. „Die Gesamtumweltbelastung, die durch die Folie entsteht, ist überschaubar gering“, folgert Reinhardt.
Das bedeutet natürlich nicht, dass in Plastik verpackte Produkte per se nachhaltig sind. Um Müll zu sparen, solltest du sie vermeiden, wenn es dir möglich ist. Nur in diesem speziellen Fall der Salatgurke ist „Bio“ das wichtigere Kriterium.
Das lässt sich aber nicht auf andere Lebensmittel übertragen: Ein Apfel ist zum Beispiel Lagerware – er bleibt durch Kühlung frisch. Einer Rechnung des Umweltbundesamts (UBA) zufolge kann ein Apfel aus Neuseeland im Juni die bessere Ökobilanz haben, weil er kein halbes Jahr gelagert werden musste. Zur Saison schneiden die Äpfel aus Deutschland besser ab. Auf Verpackung geht das UBA in der Rechnung aber nicht ein.
CO2: Spare an den richtigen Stellen
Also ist die Bio-Gurke nachhaltiger, trotz Plastik? Das kann sein – aber der Unterschied ist gering. Wenn du deinen CO2-Fußabdruck verringern möchtest, dann sind die Gurken in deinem Einkaufswagen nicht das Problem.
Am besten kaufst du möglichst wenig Fleisch und tierische Produkte, denn bei deren Herstellung entstehen viele Treibhausgase. Ein Beispiel: Verwendest du palölfreie, vegane Margarine (0,8 Kilogramm CO2-Äquivalente) statt Butter (24 Kilogramm C02-Äquivalente), kannst du in einem Jahr (sechs Kilo Butter) etwa 140 Kilo CO2-Äquivalente sparen. So viel entsteht bei einer Autofahrt von Leipzig nach Paris.
Und was soll ich jetzt kaufen?
Der Apfel ist also nachhaltiger, wenn er aus der Region kommt – außer er lagert zu lange. Und die Bio-Gurke mit Plastikfolie ist tendenziell der konventionellen ohne vorzuziehen. Übrigens: Kauft man die Bio-Gurke im Bio-Handel, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, auf eine Gurke in Plastikfolie zu treffen.
Muss man sich also für jedes Obst und Gemüse eine eigene Regel merken?
Nein, das musst du nicht. Besser, du beachtest ein paar generelle Tipps beim Einkaufen im Supermarkt:
- Erstens solltest du Bio-Produkte bevorzugen. Einzige Ausnahme: „Wenn sie per Flugzeug nach Deutschland kommen oder wenn sie in einem Einwegglas angeboten werden“, so Dr. Reinhardt vom ifeu. Denn die Herstellung von Einweggläsern kostet viel Energie, das zusätzliche Gewicht beim Transport führt zu mehr Emissionen.
- Zweitens ist saisonal und regional produzierte Ware am nachhaltigsten. Die zweitbeste Option ist Reinhardt zufolge Ware, die in Europa produziert und per LKW nach Deutschland transportiert wurde – solange sie nicht in beheizten Treibhäusern angebaut wurde. Das sei zum Beispiel meist bei Obst und Gemüse aus Spanien und Bulgarien der Fall, weil die Gewächshäuser nicht beheizt werden müssen. Dann kommen Waren aus beheizten Gewächshäuser, zum Beispiel aus Nordeuropa, dann die Flugware.
Klar: Ob ein Pfirsich mit dem LKW oder Flugzeug transportiert wurde und welche Temperatur im Gewächshaus herrschte, steht in der Regel noch nicht auf dem Etikett. Aber bei regionaler Saisonware ist die Chance zumindest recht hoch, dass Anbau und Transport wenig energieaufwendig waren.
Was du auf den ersten Blick erkennst: Ob die Salatgurke eingepackt ist oder nicht. Bevor du jetzt zur eingeschweißten Bio-Gurke greifst: Es gibt eine noch bessere Option – nämlich die unverpackte Bio-Gurke. Die findest du wie gesagt immer öfter auch in Supermärkten. Teilweise wirst du auch auf dem Wochenmarkt fündig und in jedem Bio-Laden mit Obst- und Gemüseabteilung.
Unsere Kooperationspartner*innen
Enorm kooperiert mit Utopia.de, einer deutschsprachigen Website über nachhaltiges Leben und bewussten Konsum.Wer beim Einkauf auf Nachhaltigkeit achtet, sieht sich regelmäßig mit einem Paradox konfrontiert: Bio-Obst und -Gemüse ist in Supermärkten häufig in Plastik verpackt, Produkte aus konventionellem Anbau gibt es hingegen lose.