Aktivist*innen starten World Gold Day

Der Schmutz der Goldindustrie

Gold ist immer noch eine der begehrtesten Ressourcen der Welt. Dennoch wissen nur wenige, wie viel Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen mit dem Abbau des Edelmetalls zusammenhängen. Aktivistin und Unternehmerin Guya Merkle hat den ersten World Gold Day ins Leben gerufen, um auf die Missstände aufmerksam zu machen: Sie will die Industrie nachhaltig verändern.

Gold das ist Glamour, Reichtum und eine Welt jenseits unseres Alltags. Die Barren, die unter den großen Banken der Welt gehortet werden, und der kostbare Schmuck, der von Hollywoodstars getragen wird, scheinen auf den ersten Blick wenig mit der Lebensrealität der meisten Menschen zu tun zu haben. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass die faire und ökologische Produktion von Kaffee und Mode in aller Munde ist, aber kaum jemand über faires und ökologisches Gold spricht.

Dabei ist die Goldindustrie eine der schmutzigsten überhaupt. Beim Abbau des Edelmetalls werden Menschen wirtschaftlich ausgebeutet und hohen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt. Etwa 20 bis 30 Millionen Menschen arbeiten weltweit im kleinhandwerklichen Goldminensektor, auch „Artisanal-Small-Scale-Gold-Mining“ oder kurz ASGM genannt.

Insgesamt sind schätzungsweise 100 Millionen Menschen davon wirtschaftlich abhängig. Laut zahlreichen Studien der International Labour Organization (ILO) müssen in den Minen auch Hunderttausende Kinder Gold ohne technische Hilfsmittel aus den Minen in Ländern wie Indonesien, Kolumbien oder Kenia fördern. Dabei setzen sie sich hochtoxischen Substanzen wie Quecksilber und Zyanid aus, die beim Goldabbau verwendet werden – meist ohne Schutzkleidung. Die Chemikalien vergiften die Menschen und auch die Umwelt: Tonnen von Quecksilber gelangen beim Goldabbau als Abfallprodukt in Böden und Gewässer. Unter diesen Bedingungen werden etwa 15 Prozent des weltweiten Goldbedarfs gewonnen. Die genaue Zahl ist aufgrund der hohen, illegalen Aktivität und mangelnden Transparenz der Branche schwer zu bestimmen.

Über 100 Millionen Menschen weltweit sind vom Goldabbau abhängig

Guya Merkle hat sich zum Ziel gesetzt, diese Zustände zu verändern: Die Aktivistin und Unternehmerin stellt mit ihrem Label Vieri seit 2012 Schmuck aus 100 Prozent recyceltem Gold her. Außerdem hat sie die Earthbeat Foundation gegründet, die die Goldindustrie zum Umdenken bewegen will.

Für den 14. November 2019 hat die Stiftung den ersten World Gold Day ins Leben gerufen, um auch außerhalb der Schmuckindustrie Menschen für das Thema zu sensibilisieren. „Ziel ist es, die ganze Welt darauf aufmerksam zu machen, wie schädlich die Produktion von Gold für die Umwelt und die Arbeiter ist. Wir wollen die Menschen auch daran erinnern, dass sie selbst etwas tun können, um diese Situation zu verbessern.“

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Guya Merkle mit dem Hashtag des World Gold Day. Bild: Guya Merkle

Gold, sagt Merkle, stecke eben nicht nur in Schmuck und in der Finanzindustrie, sondern auch in unseren Handys und anderen Elektrogeräten. „Jährlich werden in Deutschland 124 Millionen Handys einfach so weggeschmissen. Wenn man dieses Geld zurück in den Kreislauf bringen könnte, dann wäre so viel Gold gewonnen, dass man upcyclen könnte.“ Aus 40 Handys kann man laut Merkle etwa ein Gramm Gold gewinnen. Aus diesem Gramm kann man wiederum einen kleinen Ring herstellen. Auch wenn das nach wenig klingt, schont ein solcher Ring die Umwelt gewaltig. In der ASGM-Industrie muss für die Gewinnung eines Gramms Gold eine Tonne Gestein bewegt werden.

Im Rahmen des World Gold Day ruft die Earthbeat Foundation daher gemeinsam mit dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) dazu auf, die vier alten Handys, die durchschnittlich in jedem deutschen Haushalt lagern, an Sammelstellen zu schicken, die die Handys nachhaltig entsorgen und das darin vorhandene Gold recyclen. 

Gold-Recycling kann viel zum Umweltschutz beitragen

Damit soll vor allem auch der weitverbreiteten Praxis, nicht standardgemäß entsorgten Elektromüll in afrikanische Staaten zu schaffen und dort zum Beispiel durch Verbrennung zu entsorgen, entgegengewirkt werden. Prominente Unterstützer*innen der Kampagne sind unter anderem Alina Merkau vom Sat1-Frühstücksfernsehen, Einhorn, Viva Con Agua, Jessie Weiß vom Online-Mode-Magazin „Journelles“ und Ben Schneider von der Band Deichkind. Die Stiftung arbeitet aber auch mit Universitäten zusammen, die einen Monat lang über Social Media auf das Thema aufmerksam machen wollen.

Merkles Ziel ist es, nicht nur mehr recyceltes Gold in den Umlauf zu bringen, sondern auch den kleinbergbaulichen Sektor im Goldabbau langfristig überflüssig zu machen. Aber was geschieht dann mit der Lebensgrundlage der über 100 Millionen Menschen, die von dem Einkommen der Minenarbeiter*innen abhängig sind? 

Das Problem ist, dass diese Menschen praktisch nicht an den Gewinnen ihrer Arbeit beteiligt werden.
Guya Merkle, Aktivistin und Unternehmerin

„Wir wissen, dass Millionen Menschen dann ihre Arbeit verlieren. Doch das Problem ist, dass diese Menschen praktisch nicht an den Gewinnen ihrer Arbeit beteiligt werden. Noch dazu riskieren sie Leben und Gesundheit“, sagt die Unternehmerin. Deshalb konzentriert sich ihre Stiftung darauf, Projekte zu unterstützen, die den Arbeiter*innen ein alternatives, sicheres und ökologisches Arbeitsumfeld schaffen. Das Pilotprojekt befindet sich in Uganda: Hier erschließen sich Minenarbeiter*innen mit Imkerei eine neue Einkommensquelle.

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Merkles eigenes Label bringt gerade die nach eigenen Angaben erste Schmuckkollektion der Welt auf den Markt, die vollständig aus recyceltem Handy-Platin besteht. „Das Edelmetall wird komplett aus kaputten Handys gewonnen, die in Gemeinden unter anderem in Ghana und Uganda eingesammelt werden, in der besonders preiswerte Handys oft nur eine sehr kurze Lebenszeit haben und in unglaublich hoher Zahl weggeworfen werden. 25 Prozent des Erlöses der Kollektion geht zurück in diese Communitys.” Merkle will außerdem darauf aufmerksam machen, dass neben Gold auch andere wertvolle Stoffe in Elektrogeräten beim Recycling wiedergewonnen werden: zum Beispiel Kobalt und seltene Erden.

Nicht Zertifikate, sondern radikal anderer Konsum können die Industrie langfristig verändern

Merkle beobachtet, dass es durch das neue ökologische Bewusstsein in der Gesellschaft immer mehr Nachfrage und Interesse an fair produziertem und besser recyceltem Gold gibt. Dennoch ist ihr eigenes Label auch nach sieben Jahren immer noch nicht profitabel. „Ich verstehe mich als Sozialunternehmerin: Der Großteil unserer Einnahmen wird direkt in Forschung und unsere Projekte gesteckt. Langfristig müssen wir es aber auch schaffen, Umsatz zu machen. Sonst können wir der Industrie nicht zeigen, dass es anders geht. Deshalb gebe ich den Traum vom Profit nicht auf.“

Merkle weiß, dass es auch große Hersteller*innen gibt, die ein Interesse an recyceltem Gold haben: Das Problem ist aber, dass es davon einfach nicht genug gibt, um eine große Produktion abzudecken. 

Aber gibt es neben recyceltem Gold überhaupt eine Möglichkeit, faires Gold zu beziehen?

Selbstverständlich gibt es die“, sagt Florian Harkort vom Fairtrade-Händler Fairever. Es gibt zwei Minen, die nach ,Fairmined Ecological Gold‘-Standard zertifiziert sind. Das Fairmined-Siegel wird von der Alliance for Responsible Mining (ARM), einer anerkannten NGO vergeben. Bei den zwei Minen handelt es sich um die Kleinbergbau-Organisationen Empresa Minera Oro Puno in Peru und Shijir Khishig Partnership in der Mongolei. In beiden Minen wird komplett ohne schädliche Chemikalien gearbeitet und die Schürfer erhalten einen fairen Preis nach Fairmined-Standard. Das heißt mindestens 95 Prozent des Londoner Goldpreises plus eine Prämie von 6.000 US-Dollar pro Kilogramm Gold für Gemeinschaftsprojekte. Global gesehen ist die Menge Gold, die ökologisch und fair zugleich abgebaut wird, aber minimal. Auf jeden Fall unter 0,01 Prozent.

Harkort arbeitet außerdem mit einem Goldschürfer in Österreich zusammen, der dort ökologisches Flussgold in einem Kieswerk fördert. Die Gewinnung erfolgt rein mechanisch und der Kies wäre sowieso abgebaut worden. Das Gold ist dabei nur ein ,Abfallprodukt.“

Für Merkle reichen Zertifikate  jedoch nicht aus. „Viele Firmen flüchten sich in die Ausrede, fair zertifiziertes Gold zu beziehen“, sagt sie. Das ändere aber oft nichts an den wirklichen Arbeitsbedingungen und vor allem nicht an der Umweltzerstörung in der Industrie, findet Merkle. „Es reicht langfristig einfach nicht, faire Zertifikate zu verteilen und sich darauf auszuruhen. Wir müssen das ganze System, unseren ganzen Konsum ändern.“

TITELBILD: MUILLU/UNSPLASH

Die Goldindustrie beutet Menschen und Natur aus. Doch das könnte sich ändern – zum Beispiel mit recyceltem Gold.

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