Unter Wasser, an Land und in der Luft

So wird KI für den Umweltschutz eingesetzt

Von klugen Robotern, die Müll sammeln oder Korallenriffe beschützen, und einem Programm, das die Sprache der Wale entschlüsselt – wir haben uns umgeschaut.

Umweltschutz-KI: Dodo sammelt Müll

2008 eroberte ein kleiner Müllsammel-Roboter namens Wall-E die Herzen vieler Kinobesucher:innen: Im gleichnamigen Film räumt er die durch Umweltzerstörung unbewohnbar gewordene Erde auf. Das Münchner Start-up Angsa Robotics tüftelt seit 2019 an einem Müllsammelroboter namens Dodo, der dem Filmhelden nicht nur nacheifert, sondern ihm auch optisch nahekommt. Der Roboter soll vor allem kleinteiligen Müll wie Zigaretten, Kronkorken oder Plastikschnipsel beseitigen. Laut Weltgesundheitsorganisation werden bis zu zwei Drittel der Zigaretten achtlos auf den Boden geschmissen.

Dabei kann bereits ein Stummel 40 bis 60 Liter Grundwasser verschmutzen. Angsa Robotics hat daher ein Künstliches Neuronales Netz entwickelt, das in einem fahrbaren Roboter verbaut ist. Das Hirnfutter für dieses Netz ist ein großer Datensatz an Müll-Bildern, durch deren Analyse die KI lernt, Abfall zu identifizieren. Dodo fährt so lange über eine Grün- oder Kiesfläche, bis seine Kameras und Sensoren Müll erkennen. Wie ein Elefant mit seinem Rüssel fährt er einen kleinen Sauger aus und inhaliert das Objekt. Der Roboter lässt sich über eine App starten und kontrollieren. Dort wird auch der zu reinigende Bereich genau definiert. Durch GPS-Tracking findet der kleine Helfer die effizientesten Wege durchs Grüne, ohne dabei mit Gegenständen zu kollidieren. Betrieben wird der Roboter mit wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Batterien. Angsa Robotics plant drei Einsatzgebiete für Dodo.

Müllsammler Dodo.
Foto: Angsa Robotics

Seine ersten Praxis-Erfahrungen wird der Roboter im Laufe des Jahres auf öffentlichen Grünflächen in Berlin sammeln. Dafür kooperiert das Start-up mit der Berliner Stadtreinigung. Außerdem möchte Angsa Robotics Dodo zum einmaligen Mieten anbieten: etwa für Veranstalter:innen von Festivals und Events. Und auch in Freibädern oder Hotelanlagen kann der Roboter bei der Reinigung helfen. (Text von Paula Binz)

Mit Walen reden

Bereits in den 1960er-Jahren gelang dem US-amerikanischen Zoologen Roger Payne der Nachweis, dass Blauwale über große Distanzen zueinander singen. Diese Entdeckung der „Walgesänge“ war ein treibender Faktor bei der Gründung der weltweiten „Save the Whales“-Bewegung, eine der erfolgreichsten Naturschutzkampagnen überhaupt, die entscheidend zur Reduktion des internationalen Walfangs beitrug.

Doch welche komplexen Informationen transportieren Wale mittels ihrer rhythmischen Klicklaute? Seit April 2021 arbeitet das gemeinnützige Projekt CETI („Cetacean Translation Initiative“; Cetacean ist die Säugetier-Ordnung der Wale) mit Sitz in New York daran, die Sprache der Pottwale zu dechiffrieren, mit internationalen Expert:innen für Linguistik, Robotik und Maschinelles Lernen. Ein erster Prototyp eines Aufnahmegeräts soll in einem 20-Kilometer-Radius vor der Küste des karibischen Inselstaates Dominica Pottwalgespräche aufnehmen und analysieren. Zusätzlich werden kleinere Geräte entwickelt, die an Walen anhaften, ohne die Tiere zu verletzen. In einem zweiten Schritt soll die Walsprache dann mittels Künstlicher Intelligenz übersetzt werden. Eine erste Vermutung von David Gruber, einem der führenden Meeresbiologen des Projekts: „Sie klingen wie Morsezeichen.“ Der Unterschied zu menschlichem Morsecode: Ihre Regeln sind nicht bekannt.

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KI soll Struktur und System darin finden und es ermöglichen, Pottwale besser zu verstehen. Und die geplanten Haftsender sollen noch mehr aufzeichnen, etwa Tauchtiefe oder Bewegungsverhalten – das kann dabei helfen, die Tiere weiter zu studieren und zu schützen. Robert Wood, Ingenieurwissenschaftler und Teil des Projektes: „Einer unserer ursprünglichen Beweggründe war die Sensibilisierung für einen besseren Schutz des Planeten, da wir hier nicht die einzige intelligente, sprachfähige Spezies sind.“ CETI ist das bislang größte Projekt zur Inter-Spezies-Kommunikation der Menschheitsgeschichte. (Dirk Walbrühl, Perspective Daily)

Umweltschutz-KI: Robo schützt Riffe

Wenn Korallenriffe gesund sind, ähneln sie einer bunten Fantasiewelt voller Schwämme, Tentakel, Flossen und Sterne. Stirbt ein Riff, wird diese Welt dunkel. Etwa ein Viertel aller Meereslebewesen sind von Korallenriffen abhängig. Doch die Ozeanerhitzung setzt ihnen massiv zu. Und nicht nur sie: Der Dornenkronenseestern, Fressfeind Nummer 1 von Steinkorallen im Indopazifik, ist verantwortlich für etwa 40 Prozent des Korallenrückgangs im australischen Great Barrier Reef. Knallrot leuchten seine giftigen Stacheln, wenn er sich über die Steinkorallen wälzt und nur Kalk-Skelette hinterlässt. Doch Rettung naht: Ein knallgelbes, kleines U-Boot namens RangerBot hat den Überfall erspäht und fährt seinen Spritzen-Arm aus. Der Seestern bekommt eine tödliche Ladung Essig injiziert.

So soll es zumindest künftig aussehen. Bislang kontrollieren Tauchende die Populationen in mühsamer Handarbeit. Forschende der australischen Queensland University of Technology und die Great Barrier Reef Foundation entwickeln den KI-Roboter. Einen Prototyp haben sie schon getestet. Dank Echtzeit-Computervision und maschinellem Lernen kann er Dornenkronenseesterne mit 99,4-prozentiger Wahrscheinlichkeit identifizieren und unschädlich machen. Navigiert wird der RangerBot per Tablet vom Boot oder der Küste aus. In Zukunft soll er autonom arbeiten, auch nachts.

Ist mit einer Essigspritze bewaffnet: der RangerBot.
Foto: Queensland University of Technology

Normalerweise kommt die heimische Seesternart nur vereinzelt vor und bewahrt die Vielfalt im Riff, weil sie schnell wachsende Korallen frisst und langsameren eine Chance gibt. Allerdings wird sie nun zur Plage. Verursacht hat das der Mensch. Denn die natürlichen Fressfeinde der Seesterne sind überfischt und Dünger gelangt vom Acker ins Meer, wo sich die Seesternlarven über das angeregte Algenwachstum freuen. Daher kooperiert das RangerBot-Team mit Landwirt:innen. Der Robo wird derweil schon anderweitig eingesetzt: Er überwacht die Wasserqualität und haucht kranken Riffen neues Leben ein. Dafür bringt er Millionen Korallenlarven von A nach B – wie ein Robo-Umzugsservice. (Miriam Petzold)

Falle für Wilderei

Zehntausende Elefanten müssen jedes Jahr allein in Afrika sterben, weil es Menschen auf ihre Stoßzähne abgesehen haben. Kamerafallen, akustische Sensoren, Satelliten und Drohnen werden schon länger dazu eingesetzt, Wilderer:innen aufzuspüren und am Töten zu hindern. Immer öfter werden die Missionen durch Künstliche Intelligenz unterstützt. Air Shepherd etwa, eine 2015 in Südafrika gestartete Initiative der US-amerikanischen Lindbergh-Stiftung, nutzt Drohnen mit Kameras und Infrarottechnik. Diese können auch nachts Bildmaterial und GPS-Daten von Wildschütz:innen sowie Tieren sammeln und an ein Kontrollzentrum übertragen. Dort werden die Bilder nicht mehr von müden Menschen ausgewertet, sondern von einem KI-Programm. Ranger:innen können schneller und zuverlässiger alarmiert werden.

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Ein anderes KI-System, PAWS (Protection Assistant for Wildlife Security), kann das Verhalten von Wilderer:innen voraussagen – ähnlich dem Netflix-Algorithmus, der lernt, was Nutzende gerne schauen, und Vorschläge macht. PAWS wird mit Daten gefüttert, die von Ranger:innen auf Patrouille aufgezeichnet werden, zum Beispiel Orte, an denen Jagende Lagerfeuer gemacht oder Fallen gelegt haben. Kombiniert mit geografischen Informationen über den Park (Flüsse, Straßen, Neigung, Anzahl der Tiere et cetera), lernt das System das Verhaltensmuster von Wildschütz:innen und zeigt an, wo sie am wahrscheinlichsten zuschlagen werden.

Entwickelt wurde es von Forschenden der Harvard-Universität, in Zusammenarbeit mit dem WWF. Nach erfolgreichen Tests der Software in Uganda und Kambodscha, wird sie seit 2020 in 800 Parks in mehr als 60 Ländern eingeführt. Erschwert wurde das allerdings von der Corona-Pandemie. Parks mussten schließen, Patrouillen reduziert oder eingestellt werden, vor allem in Afrika und Asien. Das hat auch die Arbeit von Air Shepherd verändert. Die Initiative musste ihre Drohnenmissionen an Land unterbrechen – konnte sich derweil aber für den marinen Naturschutz einsetzen. Die Miniflieger surrten übers Meer, um illegale Fischerei aufzuspüren. (Miriam Petzold)

Foto: IMAGO / imagebroker

Sieht gefährlich aus – und ist es auch: der Dornenkronenseestern ist giftig und futtert gern Korallen. Ein kleines U-Boot, der RangerBot, verhindert das.

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