Kreislaufmode

Mode nach Cradle-to-Cradle

Wenn Mode nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip (von der Wiege bis zur Wiege) designt ist, kann wieder spaßvoll geshoppt und gelebt werden. Denn es gehen keine Ressourcen mehr verloren. Das Ende des Lebenszyklus ist dann ein neuer Anfang

Vermeiden, vermindern, reduzieren, verzichten, minimieren und so weiter und so fort: Die Begriffe klassischer Umweltschutzpolitik klingen wahrlich nicht sehr sexy. Ebenso wie die Botschaft, die jene Konsumenten daraus ableiten, die einen Beitrag zur Rettung des Planeten leisten wollen: „Hör auf, so schlecht, so materialistisch, so gierig zu sein. Tu alles, egal, wie unbequem es auch sein mag, um deinen ‚Konsum‘ einzuschränken. Kauf weniger, gib weniger aus.“ 12 Jahre ist es her, dass der deutsche Chemiker Michael Braungart und der US-amerikanische Architekt William McDonough mit dem Buch „Cradle to Cradle“, aus dem hier zitiert wird, einen völlig anderen Wirtschaftsansatz publiziert und den aktuellen in Frage gestellt haben.

Von der Wiege bis zur Bahre reicht der verbreitete Produktlebenszyklus. „Rohstoffe werden gewonnen, zu Produkten verarbeitet, verkauft und schließlich in eine Art ‚Grab‘ geschafft, gewöhnlich auf eine Mülldeponie oder in eine Müllverbrennungsanlage.“ Wegwerfprodukte sind die Norm, doch „weg“ sind sie damit nicht. Die Berge an Abfall sind bekanntlich nicht das Hauptproblem, es sind vielmehr die darin enthaltenen gefährlichen Stoffe, die die Umwelt peu à peu verseuchen. Öko-Effizienz lautet die bisherige Gegenstrategie.

Doch eine Verminderung von Schadstoffen & Co. sowie ein Recycling, das meist ein Downcycling ist, beenden weder die Erschöpfung von Rohstoffquellen noch die Zerstörung der Umwelt – sie sorgen „lediglich dafür, dass diese Prozesse verlangsamt und hinausgezögert werden“. Braungart und McDonough verurteilen den Ansatz nicht komplett, sehen ihn als besser als nichts an und als Überbrückung, bis optimalere Lösungen gefunden sind. Doch für diese haben sie eine völlig andere, an der Natur orientierte Vision, in der es keine Abfälle und stattdessen Überfluss ohne schlechtes Gewissen und fatale Folgen gibt.

Welches Waschmittel will der Fluss?

Die Querdenker führen das Beispiel des Kirschbaums an. Mit seinen Blüten und Früchten zeigt er sich von einer wahrlich prachtvollen Seite und keineswegs im Graue-Maus-Look, wie es einige Öko-Produkte tun. Die Blüten belasten die Umwelt nicht, im Gegenteil: „Sobald sie zu Boden fallen, verrotten ihre Materialien und zerfallen in Nährstoffe, die Mikroorganismen, Insekten, Pflanzen, Säugetiere und Boden zum Leben brauchen“. Wird das Cradle-to-Cradle-Prinzip angewendet, wird in diesem Sinne schon bei der Produktplanung an dessen „Ende“ gedacht. Dabei gilt es, bis dato ungewöhnliche, aber entscheidende Fragen zu stellen. Beispiel: „Was für ein Waschmittel will der Fluss?“ Lediglich zwei Arten von Produkten sollte es künftig geben: Verbrauchsgüter, die vollständig biologisch abgebaut werden können, und Gebrauchsgüter, die sich endlos, ohne Qualitätsverlust, recyceln lassen.

Zu beiden Varianten gibt es in der Fashion-Branche bereits Pionier-Produkte. Die Change-Kollektion von Trigema, 2006 mit einem voll-kompostierbaren T-Shirt aus Biobaumwolle gestartet und inzwischen 60 Artikel für Damen, Herren und Kinder stark, ist cradle-to-cradle-zertifiziert (vegan ist sie übrigens auch). Voraus gingen zwei Jahre kooperative Forschungsarbeit mit dem Umweltinstitut EPEA, das von Michael Braungart mitgegründet wurde. Die Optimierung nach Cradle-to-Cradle ist ein umfangreicher und hoch wissenschaftlicher Prozess, denn jede Zutat, vom Nähgarn bis zum Etikett, muss den Anforderungen genügen

„Heute verfügen wir über Farbstoffe und Ausrüstungen, die ausnahmslos unschädlich sind und unter Kompostierbedingungen in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden können“, berichtet Wolfgang Grupp jun., Sohn des Firmenchefs und bei Trigema im Verkauf tätig. Mit der Entwicklung der Change-Kollektion ist er zufrieden: „Die Nachfrage steigt stetig. Aktuell hat sie einen Anteil von fünf Prozent an unserem Gesamt-Sortiment, das ebenfalls nachhaltig, da ‚made in Germany‘ ist. Wir arbeiten permanent daran, neue Materialien zu entwickeln und den Design-Spielraum zu vergrößern, doch dazu sind lange Tests erforderlich.“

Auch die niederländische Marke reWrap folgt dem Cradle-to-Cradle-Prinzip. Die zu 100 Prozent biologisch abbaubaren Taschen sind aus natürlichen Materialien wie Kokosfasern, Naturkautschuk, FSC-zertifiziertem Nussbaumholz und Bienenwachs gefertigt. „Das Designkonzept ist eine Herausforderung, aber sehr bereichernd, wenn wir auf die End-Resultate schauen“, sieht Erica Bol die Marke reWrap auf dem richtigen Weg.

Das Schweizer Unternehmen Freitag startete einst mit Taschen eine Erfolgsstory, die aus ehemaligen LKW-Planen hergestellt werden. Es wird stets versucht, in Kreisläufen zu denken und zu handeln, so ist inzwischen auch Cradle-to-Cradle-Mode Bestandteil des Produktspektrums. Denn zunächst suchten die Brüder Daniel und Markus Freitag „nur“ nach ecofairer Arbeitskleidung für ihre Mitarbeiter. „Dann merkten wir, dass es am Markt nichts nach unseren…

Titelbild: Fauve Bouwman/Mud Jeans

Wenn Mode nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip designt ist, kann wieder spaßvoll geshoppt und gelebt werden

Stefanie Hütz

Weiterlesen