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Softball hinter Gittern

In der Justizvollzugsanstalt Heinsberg trainieren Inhaftierte und Ehrenamtliche zusammen Softball. Was macht es mit den Gefangenen, wenn der Vereinssport zu ihnen kommt?

„Plöng.“ Der neongelbe Ball klirrt auf den Schläger und saust über das Softballfeld. Es ist so abgesteckt, dass es spitz zuläuft und an die Form eines Diamanten erinnert. An der Spitze steht der „Batter“, auf Deutsch Schlagmann. Kurz blickt er dem Ball hinterher, dann geht ein Ruck durch seinen Körper, er läuft los. Bis zur First Base, der ersten Station von vier, um einen Punkt zu holen. Kühl und grell strahlen die Flutlichter von hohen Metallmasten herab auf den Kunstrasen. Oben an den Masten sind Drahtseile mit orange-weißen Kugeln befestigt. Als Netz schirmen sie das Feld ab – gegen Hubschrauber.

Eine Sicherheitsvorkehrung gegen Fluchtversuche aus der Luft. Denn der Platz liegt hinter Gittern, in der nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalt (JVA) Heinsberg. Hier sind knapp 300 Männer zwischen 14 und 24 Jahren inhaftiert. An diesem Freitagabend schlagen, werfen, rennen 16 von ihnen. Zweieinhalb Stunden Sportplatz statt Zelle. Hier begegnen sie Mitgliedern eines Vereins, der sonst in Freiheit trainiert. Seit März 2017 kommt der Base- und Softballverein (BSV) Wassenberg einmal im Monat hierher zum Softball „Slow Pitch“, einer in den USA beliebten Freizeitvariante des Baseballs, langsamer, mit kleinerem Feld und größerem Ball. Mit manchen Insassen trainiert der Vorsitzende Peter Dohmen schon seit Jahren: Langzeitgefangene, die schwere Gewaltverbrechen, manche auch Mord begangen haben. Mittrainieren darf, wer sich gut benimmt.

Beim Training nach der Corona-Winterpause Ende März sind vier Vereinsmitglieder als Coaches, zwei Sportbeamt:innen und zehn neue Inhaftierte dabei. „Ich hab keinen Bock mehr auf neue Leute, weil wir nicht richtig spielen können“, mault einer der Erfahrenen, die Arme vor dem grauen Hoodie verschränkt. „Wir gegen die Neuen!“, ruft einer. „Nein, ich finde, wir müssen fair sein und durchmischen“, erwidert jemand neben ihm. „Habt ein bisschen Gnade mit den neuen Jungs“, scherzt Dohmen. „Auf gar keinen Fall“, flachst einer zurück, Gelächter.

Softball ist kein Kontaktsport, wie Fußball. Das Spiel ist dadurch entspannter. Foto: Astrid Ehrenhauser

Die Stimmung ist gelöst, Konflikte zwischen den „Jungs“, wie Leif Herfs sie nennt, gebe es nicht. Herfs ist Sportbeamter der JVA Heinsberg. Seit 17 Jahren leitet er unter anderem die beliebten Fußballgruppen. Dadurch haben er und seine Kollegin, die heute auch dabei ist, eine Sonderstellung im Gefängnisgefüge, der Umgang ist locker. „Herr Herfs, Sie können ruhig zwei Bases laufen“, ruft einer, als der Sportbeamte sprintet. „Jalla! Jalla!“, wird er auf Arabisch angefeuert. Softball sei entspannter als Fußball, sagt Herfs. „Hier haben wir diese harten Zweikämpfe nicht. Außerdem wertschätzen die Gefangenen, dass Gäste von draußen kommen, die das ehrenamtlich machen. Sie zeigen sich von ihrer besten Seite.“

Deutschlandweit sitzen 44.588 Menschen im Gefängnis, 94 Prozent davon männlich. Kooperationen wie in Heinsberg sind selten: Es braucht aufwendige Sicherheitsvorkehrungen und viel Engagement einzelner Vereinsmitglieder und Sportbeamt:innen. In die meisten Gefängnisse kommen Sportvereine daher, wenn überhaupt, nur für einmalige Turniere. Einzelne Gefangene jedoch können die Anstalten verlassen, um in einem Verein mitzutrainieren. Andere machen während ihrer Haft eine Ausbildung etwa zum Fußballtrainer. Mancherorts sind Gefangenensportvereine Teil einer regulären Sportliga, tragen ihre Spiele aber meist hinter Gittern aus.

Vereinssport nach der Haft

Zufällig lernten Dohmen und Herfs sich privat kennen und hatten die Idee, gemeinsam im Gefängnis zu trainieren, „einfach Sport machen mit den Jungs“, sagt Dohmen. Der Verein wird als Integrations-Stützpunkt vom Deutschen Olympischen Sportbund gefördert und Dohmen nimmt diesen Auftrag ernst, will vermitteln: „Wenn du rauskommst, kannst du dich einem Verei…

Foto: Astrid Ehrenhauser

Nach einer langen Corona-Winterpause können die Inhaftierten endlich wieder zusammen trainieren.

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