Die ersten Zeichen des Wandels übersieht man schnell: Im Dorf Nandkheda, im indischen Bundesstaat Maharashtra, sind es orange leuchtende Tagetesblüten in einem Baumwollfeld und durchsichtige Plastikbeutel, die von Holzpfählen herunterbaumeln. Doch wer es nicht besser weiß, vermutet hier nur einen gewöhnlichen Baumwollacker – bis Samadhan Shamrao seine Errungenschaften präsentiert.
Der 34-jährige Inder mit weißem Hemd und dunkelgrauer Stoffhose schreitet durch die mannshohen Malvengewächse und erklärt: „Die Lockstofffallen und die Blumen helfen, verschiedene Insekten von der Baumwolle fernzuhalten. Dadurch muss ich weniger Pestizide spritzen.“ Dann deutet der Bauer auf die perforierten Schläuche am Boden und erzählt von der WhatsApp-Gruppe, über die er jetzt erfährt, wann seine Pflanzen bewässert werden müssen. Doch entscheidend sind für Shamrao die Zahlen, die sich verändert haben, seit 2014 die Better Cotton Initiative (BCI) in sein Dorf Nandkheda, im westindischen Bundesstaat Maharashtra, gekommen ist. „Die Kosten für Dünger und Spritzmittel haben sich halbiert“, erzählt der Inder. „Gleichzeitig sind meine Erträge gestiegen. Früher lagen sie jährlich bei 33.000 indischen Rupien (ca. 430 Euro) pro Hektar, jetzt sind es 40 000 (ca. 520 Euro).
200.000 Baumwollbauern haben sich das Leben genommen
Im Leben von Shamrao und seiner Familie machen diese Mehreinnahmen einen wichtigen Unterschied, sie müssen zu fünft von 5,2 Hektar Ackerfläche leben. Damit ist ihr Besitz sogar relativ groß. Im Schnitt besitzen indische Baumwollbauern nur 1,5 Hektar Land. Auf diesen kleinen Flächen ist der Anbau des „Weißen Goldes“ zu einem riskanten Geschäft geworden. Allein in den letzten 20 Jahren hat es nach Angaben der indischen Regierung über 200 000 Suizide von Baumwollbauern gegeben – einige NGOs sprechen sogar von 300 000 Selbstmorden. Die Zahlen alarmieren. Doch was läuft schief im Baumwollbusiness? Und lässt sich etwas dagegen tun?
Von einem Selbstmord weiß auch Ramesh Asaram Kale aus dem kleinen Ort Wakhari zu berichten. Staubige Sandpisten, die sich durch die hügelige Landschaft schlängeln, führen in den Ort mit 2500 Einwohnern. In seiner Mitte steht ein kleiner hinduistischer Tempel, dessen schneeweiße Kuppel vor dem blauen Himmel leuchtet. Viele der Häuser sind aus hellroten Backsteinen gemauert, einige Portale in Pastelltönen bemalt. Eine Gruppe Frauen in bunten Saris sitzt im Schatten eines Baumes, Kinder laufen umher.
Die Kredite hätte er nie zurückzahlen können
Von den Schwierigkeiten der Dorfbewohner erfährt man erst im Gespräch: Vor zwei Jahren setzte ein Bauer seinem Leben ein Ende, weil er keinen Ausweg aus seinen Geldnöten sah. Es war für alle ein Schock. Ich kannte meinen Nachbarn gut, erzählt Ramesh Asaram Kale. Der 53-jährige Baumwollbauer im knielangen, traditionellen Hemd hatte mitbekommen, wie die Lage des 46-Jährigen immer schwieriger wurde. „Irgendwann hatte mein Nachbar 500 000 Rupien Schulden (ca. 6520 Euro). Die Kredite, die er bei privaten Geldgebern aufgenommen hat, hätte er nie zurückzahlen können. Mein Nachbar sah keinen Ausweg mehr und trank eines Abends die tödlichen Pestizide“, sagt der Inder.
Der Selbstmord war im Ort eine Ausnahme – die hohen Schulden waren es nicht. Über die Hälfte der Baumwollfarmer hier konnte im selben Jahr ihre Kredite nicht zurückzahlen, erzählt Kale. Wegen einer Dürre fiel die Ernte so gering aus, dass die Einnahmen nicht ausreichten. Für viele Familien …
Im Baumwoll-Anbau gibt es massive Missstände. Die Better Cotton Initiative will mit Unterstützung multinationaler Konzerne helfen.