„Gerade ist Sitzungswoche, da sind die Tage dicht gepackt. Interviews, eine Schalte zum Haushalt des Wirtschaftsministeriums, Austausch mit einer Initiative für mehr Nachhaltigkeit bei staatlichen Aufträgen, Fraktionssitzung, ein Parlamentarischer Abend zum Thema künstliche Intelligenz – heute ist ein typischer Tag.
Als ich vor zehn Jahren während meines Politikstudiums in Freiburg bei der Grünen Jugend anklopfte, hatte ich gar nicht im Kopf, mal Berufspolitikerin zu werden. Journalistin eher. Doch um die Bundestagswahl 2013 geriet Klimaschutz immer mehr unter die Räder, die Grünen rutschten in die Nische. Da beschloss ich: Ich will mich zumindest ehrenamtlich richtig reinhängen, um daran etwas zu ändern.
Wie wichtig Politik und Engagement sind, habe ich zuhause gelernt. Es gab kein Abendessen ohne lebendige, kontroverse Diskussionen, vor allem über Umwelt, Klima. Meine Eltern standen den Grünen nah, mein Opa ist seit 65 Jahren CDU-Mitglied, hat den ersten Wahlkampf von Wolfgang Schäuble mitgemacht.
Es ist toll, wie leicht man in einer Ortsgruppe weiterkommt, wenn man sich traut, in Diskussionen Position zu beziehen, auch wenn alle viel erfahrener sind. Schnell wurde ich bei den Grünen angesprochen: Willst du nicht ein Amt übernehmen? Wahlkampfkommission, Kreisparteirat, Kreisvorstand, Landesvorstand. Zwei bis drei Abende Sitzungen die Woche, Lunchtermine, das war erst mal ein leidenschaftliches Hobby. Dann schied die Freiburger Grünenabgeordnete aus dem Bundestag aus und ich sollte übernehmen.
Als Berufspolitikerin kann ich noch viel mehr gestalten. Ich bin europapolitische Sprecherin, sitze im Wirtschaftsausschuss. Wir berichten den Ausschüssen über Themen und handeln Positionen aus. Im Europaausschuss empfangen wir viele Delegationen, spannend, wie in anderen Ländern über Themen gedacht wird, egal ob Migration oder Digitalisierung. Der Blick über den Tellerrand ist auch im Wahlkreis wichtig, ich gehe viel in ländliche Gemeinden, wo die Grünen weniger gut abschneiden. Direkt mitzubekommen, wie die Menschen ticken, was sie umtreibt, ist so wichtig als Politikerin. Wie sonst soll man Lösungen finden?
Der Wechsel zwischen den Wahlkreiswochen in Freiburg und der Sitzungswochen in Berlin schlaucht schon. Aber das gehört zum Job dazu. Und wenn ich wieder mal bei einer Wanderung auf unserem Hausberg stehe und rüber ins Elsass schaue, denke ich jedes Mal: Hier sind Hunderttausende Menschen wegen der sogenannten Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich gestorben, und auch heute noch ist Frieden in Europa nicht selbstverständlich. Wir müssen ihn jeden Tag neu verteidigen.“
Chantal Kopf vor dem Bundestag in Berlin