Schwerpunkt: Tierwohl

Ideen für mehr Tierwohl (Teil 2)

Von einer KI für Schweinesprache und smarten Haustiersittern: Neue Ansätze der Forschung können beim Tierschutz helfen und Tierwohl fördern.

Das Flüstern der Schweine

Wenn Schweine ihre Gefühle ausdrücken, ist das uns Menschen gar nicht so unähnlich. Trifft ein Ferkel auf ein anderes, gibt es zum Beispiel ein kurzes Grunzen von sich. Frustration über einen zu kleinen Stall lässt es dagegen mit einem langen Quieken raus: „IIIEEEHHH!“

Was wie eine Binsenweisheit klingt, haben Forschende nun wissenschaftlich untermauert. Dazu hat ein internationales Team um die Biologin Elodie Mandel-Briefer von der Universität Kopenhagen die Laute von Hunderten Schweinen aufgezeichnet. Die Forschenden untersuchten Geräusche im Stall und im Schlachthaus, aber auch die Äußerungen von Ferkeln beim Wiedersehen mit der Mutter oder beim Spielen im Stroh.

Auf dieser Basis hat das Team eine KI entwickelt, die Laute von Schweinen in Emotionen übersetzt. Mittlerweile erkennt der Algorithmus anhand von Geräuschen mit einer Wahrscheinlichkeit von 82 Prozent, in welcher von 19 spezifischen Situationen ein Tier sich gerade befindet – zum Beispiel vor dem Stillen, beim freien Herumrennen oder in Isolation.

„Sogar Grunzlaute, die für das menschliche Ohr sehr ähnlich klingen, kann die KI voneinander unterscheiden“, sagt Mandel-Briefer. Die Schweizer Forscherin hat in früheren Projekten bereits die Geräusche anderer Tiere analysiert. Schweine seien relativ gut zu verstehen, sagt sie. Dennoch gibt es Probleme, die dazu führen, dass ihre Software bislang nicht in der Praxis angekommen ist: „In den Schweineställen ist so viel Lärm. Bei dem Krach fällt es der KI schwer, einzelne Tiere zu verstehen.“

Den Schritt in die Praxis hat das Hannoveraner Start-up VetVise bereits geschafft. Das Unternehmen setzt aber auf Bilder statt auf Geräusche. Um das Wohl von Nutztieren zu überwachen, platzieren die Mitarbeitenden Kameras im Stall und lassen dann eine KI über die Bilder laufen. Je nachdem, wie aktiv ein Tier ist und sich im Stall bewegt, liefert das Rückschlüsse darüber, ob es zum Beispiel krank oder gestresst ist.

Wenn es nach Elodie Mandel-Briefer geht, sollen Geräusche bald ebenfalls dazu genutzt werden, das Wohl von Schweinen besser zu überwachen. Das Interesse von Landwirt:innen sei groß. Aktuell fehle es für weitere Forschung allerdings an der Finanzierung. Sobald die Geldfrage geklärt ist, müssen sie und ihre Kolleg:innen sich mit noch einem weiteren Problem befassen: deprimierte Schweine. Denn die machen leider kaum noch Geräusche.

Nicht nah, aber da

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Das südkoreanische Start-up Furbo hat eine 360°-Kamera entwickelt, die sich per App steuern lässt und helfen soll. Klingt nach einer simplen Überwachung. Doch sie bietet auch KI-gestÃ…

Foto: IMAGO / Schöning, Pexels / Barking Royality

Ob Grunzen, Bellen oder Schnurren – KI erkennt zunehmend die Gefühle und das Verhalten von Tieren.

Jakob Milzner
Rika Hagedorn

Schwerpunkt Tierwohl

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Wir machen uns – aller Haustierliebe zum Trotz – vor: Tiere sind halt nicht so viel wert wie wir, fühlen, denken weniger. Wie gründlich wir damit falsch liegen, knallt uns die Wissenschaft jetzt auf den Tisch. Was können wir für mehr Tierwohl tun und was wird schon gemacht?

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