„Zur Politik kam ich mit Ende 30. Für die Gleichberechtigung gehörloser Menschen habe ich aber schon immer gekämpft. Warum zum Beispiel sind Dolmetschende im Arbeitsleben nicht selbstverständlich? Weder bei meiner Ausbildung zur Industriekauffrau noch in meinen Jobs danach oder in der SPD war das so. Viele Ämter schoben sich die Zuständigkeit gegenseitig zu: Wer muss zahlen? Ich musste jedes Mal für eine:n Dolmetschende:n kämpfen.

2019 bin ich in die SPD eingetreten. Ich wurde gefragt, ob ich für die Kommunalwahl in Stadtbergen kandidieren wolle. Warum nicht? Ich hatte Lust etwas zu bewegen. 400 Haushalte habe ich im Wahlkampf besucht, immer mit dem Tablet unterm Arm. Auf ihm ist ein Video, in dem ich mich und meine politischen Ziele in Gebärdensprache vorstelle, eine Dolmetscherin übersetzt das auf dem Screen in gesprochene Sprache. In den Stadtrat habe ich es nicht geschafft, auch den Einzug in den Bundestag verpasste ich 2021 um einen Platz. Aber im März 2024 bin ich für Uli Grötsch nachgerückt, er war zum Polizeibeauftragen des Bundes gewählt worden.

Als Mensch mit Behinderung will ich Sichtbarkeit im Bundestag herstellen. Und: Direkter Kontakt baut Barrieren ab. Die hörenden Abgeordneten brauchen ja genauso Dolmetschende, wenn sie mit mir sprechen wollen. Sie erleben, wie wichtig dieser Zugang für die Gleichberechtigung ist. Was es bedeutet, die erste gehörlose Abgeordnete im Bundestag zu sein, war mir nicht bewusst. Doch in den ersten Wochen bekam ich mehr Presseanfragen als die ganze Fraktion zusammen. Dieses Interesse war neu für mich und schön.

Im Bauausschuss setze ich mich aktuell für umweltfreundlichen, bezahlbaren Wohnraum ein. Doch Veränderungen kosten mehr Ausdauer, als ich erwartet hatte. Und die erfordert Training wie für einen Marathon.“