Die Wohnungen im Haus waren schnell verkauft. Kein Wunder: Nur 50 Meter Luftlinie trennen die Senioren-WG Kotisatama von der Ostsee; von der Dachterrasse blickt man auf die Schärenlandschaft, die sich hier vor Helsinki ins Meer Richtung Schweden erstreckt. Unten im Haus gibt es ein eigenes Kino, eine eigene Bibliothek, einen Hobbyraum, ein Klavier. Auf dem Dach: eine Sauna, ein Kräutergarten, ein Fitnessraum und ein paar Liegestühle. Einen davon hat Kaarina Rantavaara für sich reserviert.
Die 68-Jährige ist eine kleine Person mit feinen Gesichtszügen und einem Hut auf dem lockigen Kopf. „Der einzige Haken ist die Baustelle. Man kann sich hier oben so schlecht konzentrieren“, sagt sie. Von unten lärmt und staubt es, doch bald soll es wieder ruhig sein. Dann wird unten ein Kaufhaus stehen, dazu ein Gesundheitszentrum. Und dort, wo noch eine breite Asphaltschneise zur vorgelagerten Insel Kulosaari führt, soll dann saftiges Grün wachsen – zumindest zeigen die Prospektbilder der Stadt diese Parkvision im neuen Stadtteil Kalasatama, der nur vier U-Bahn-Stationen vom Hauptbahnhof entfernt entsteht.
Rantavaara wischt energisch über den Bildschirm des iPads auf ihrem Schoß. „Immer wieder dasselbe“, schimpft sie. Am Abend hatte erneut jemand die Eingangsstür offen stehen lassen. Ihre Beschwerde tippt sie direkt ins häusliche Intranet, ebenso wie den Hinweis auf die nötige Reparatur an einem der Fitnessgeräte. Denn die Senioren organisieren ihre Saunaaufgüsse oder Radtouren über ein eigens entwickeltes digitales Interface. Es verfügt über E-Mail-Programme und gemeinsame Serverordner, zeigt Arbeitszeitpläne, Busfahrpläne und Wettervorhersagen an, auch wer wann die Sauna heizt oder die Nähmaschinen benutzen will.
Sogar ein Buchungsprogramm für die Gästezimmer ist dabei, wenn Kinder oder Enkel zu Besuch kommen. Das Programm vorzuführen, klappt aber gerade nicht – Rantavaara fällt die Pin nicht ein. Stattdessen schreibt sie noch die Frage an alle, wer am Abend mit ins Theater kommen möchte. Bei 84 Mitbewohnern stehen die Chancen auf eine Begleitung ganz gut.
Selbstbestimmt altern
Angefangen hat alles mit fünf Freundinnen, die früher ihre Eltern pflegen mussten. „Bei ein paar Gläsern Wein haben wir überlegt, was sein wird, wenn wir selbst einmal alt sind“, sagt Leena Vahtera, Mitgründerin der WG. Sie dachten dabei auch an die Wirtschaftskrise Finnlands Anfang der 90er Jahre und die damit verbundenen Kürzungen im Gesundheitswesen und bei den Renten. „Außerdem waren wir uns einig, dass wir nicht in ein Heim wollen. Ich selbst habe oft miterlebt, wie Menschen im Alter einsam werden und alleine sterben. Ich will nicht, dass mein Leben so zu Ende geht, sondern meine Zeit als Rentnerin akti…
Bewohnerin Kaarina Rantavaara auf dem Dach der Senioren- WG Kotisatama in einem Neubaugebiet von Helsinki