Vor dem berühmten Habiba Sweets stehen 30 Leute Schlange, um Knafeh zu bestellen, ein levantinisches Käse-Sirup-Dessert. Anders als in den meisten Stadtzentren dieser Welt gibt es in Amman keine Marken- oder Franchise-Läden. Als Starbucks vor wenigen Jahren in Downtown eine Filiale eröffnen wollte, wehrte sich die Bevölkerung. „Keep Amman local and old“, hört man hier oft.
„Hallo, möchtest du essen?“
Amman, die Hauptstadt Jordaniens, wird auch Stadt der sieben Hügel genannt. Downtown liegt am Fuße des Hügels Al-Weibdeh. Es reihen sich Geschäfte mit traditioneller jordanischer Kleidung, mit Schuhen, Sportoutfits und Schmuck an Elektronik- und Gewürzläden. An der Ecke werden Bücher und Comics verkauft, während des Gebets breiten die Männer ihre Teppiche auf dem Bürgersteig aus. Zwischen dem Gewusel und bunten Stoffen gibt es immer wieder kleine, unscheinbare Treppen, die nach oben führen. Ich gehe die Stufen hoch, vorbei an bunten Wandmalereien, dann biegt die Treppe links um eine Kurve. Zwischen einem Café und einem Schmuckladen liegt das Ezwitti, der Name bedeutet „Meine Unterstützung“. Das Restaurant ist winzig, der Raum, in dem gekocht und gegessen wird, gerade drei mal sieben Meter groß. Die Wände sind grün bemalt, auf Arabisch steht hier „Der Einladende und der Eingeladene“. Ich werde begrüßt mit den Worten: „Hallo, möchtest du essen?“
Die junge Frau sieht mir die Verwirrung an. Sie erklärt mir das Konzept: Im Ezwitti bezahlt nur, wer bezahlen kann. Ich kann also a) gar nicht, b) nur für mein Essen oder c) für mein und das Essen einer anderen Person bezahlen. Ein Teller, Kartoffeln mit Ei oder Qalayet Bandorah zum Beispiel, ein Tomaten-Zwiebel-Jalapeño-Gericht, Hummus oder Olivenöl mit Zatar, kostet durchschnittlich einen Jordanischen Dinar (JD), etwa 1,20 Euro. Dazu gibt es Brot, Minze und frisches Gemüse. Alle Gerichte sind aus Kosten-, Hygiene- und organisatorischen Gründen vegetarisch. Ich bestelle zwei Teller und zahle fünf JD – von dem, was ich mehr bezahlt habe, werden andere Gäst:innen eingeladen. Die junge Frau freut sich und drückt mir einen Zettel und einen Stift in die Hand. „Du kannst den Leuten eine Nachricht hinterlassen!“ Ich drehe mich um – neben einer Anrichte, auf der kostenlos Tee und Wasser angeboten werden, hängt eine Pinnwand mit etlichen Zetteln. Ich entziffere: „Lass es dir schmecken“, „Guten Appetit“ oder „Ich liebe dich“. „The board of kindness“ heißt die Wand.

Fremde zum Essen einladen
Die Idee für das Non-Profit-Restaurant entstand 2012. Gründer Mahmoud Nabulsi war mit Freund:innen in Downtown. „Ich habe einen obdachlosen Menschen gesehen und ihn gefragt, was er brauche. Er hat mir nicht geantwortet, also habe ich ihm einen Dinar gegeben. Als ich wegging, habe ich mich gefragt: Aber was ist mit morgen?“ Einige Tage nach der Begegnung las Mahmoud einen Artikel über ein Café in Italien, bei dem die Besucher:innen zwei Tassen Kaffee bezahlen können und anschließend einen Zettel an ein Brett hängen. Eine andere Person kann ihn nehmen und gegen einen Tee oder Kaffee eintauschen.
„Ich habe mich in die Idee verliebt. Dann dachte ich an den Mann in Downtown“, sagt Mahmoud. „Ich wollte etwas schaffen, das nachhaltig ist. Ein Restaurant, in dem die Leute Fremde zum Essen oder auf ein Sandwich einladen können.“
Der 37-Jährige, der für die NGO Royal Health Awareness Society arbeitet, begann zu sparen. Seine Familie und seine Frau unterstützten ihn. 2015 konnte das Ezwitti eröffnen. Die 20 bis 30 Mitarbeiter:innen, die kochen, servieren und putzen, arbeiten ehrenamtlich. Zu Anfang kamen fünf, sechs Menschen am Tag, um kostenlos zu essen. Heute sind es um die 30.
„Vor Corona hatten wir den Break-even erreicht”
An einem sonnigen Mittag vor dem Restaurant komme ich mit einem Gast ins Gespräch. Er heißt Mahmoud wie der Besitzer. Aufgrund der drastisch gestiegenen Corona-Fallzahlen dürfen Restaurants…
In das Non-Profit Restaurant Ezwitti in Jordanien ist jede:r willkommen, denn dort gilt die Regel: „Wir urteilen nicht. Egal, woher diese Person kommt, welche Sprache sie spricht oder wie sie gekleidet ist, egal ob sie einlädt oder eingeladen wird.“