Die Architektur des antiken Roms ist ein jahrtausendealter Design-Dauerbrenner. Seien es politische Gebäude wie der Bundestag und das US-amerikanische Kapitol oder unsere modernen Sportstadien in Form der römischen Arenen – im 19. und 20. Jahrhundert kopierten wir den Look des einstigen Weltreichs überall. Im 21. Jahrhundert sollten wir uns dagegen auf die Bautechnik und die Materialien der Römer:innen konzentrieren. Es ist schließlich kein Zufall, dass das Pantheon, erbaut im 2. Jahrhundert nach Christus, immer noch taufrisch aussieht, während unsere modernen Gebäude teilweise schon innerhalb weniger Jahre verfallen.
Das Geheimnis der römischen Gebäude-Langlebigkeit liegt in der Zusammensetzung ihres Betons: Der „Opus caementicium“ besteht laut einer Harvard-Studie von 2023 aus Sand, Wasser, gebrannten Kalkklumpen, Vulkanasche und Tuffgestein. Die drei letzten, chemisch sehr redaktionsfreudigen Zutaten fehlen dem modernen Pendant. Mit der Zeit entstehen Risse im Beton, ein natürlicher Prozess. Regenwasser dringt ein und löst Kalzium aus dem Zement. Dieses reagiert wiederum mit Wasser und Kohlenstoffdioxid zu Kalziumkarbonat – oder mit einem in der Vulkanasche enthaltenen Mineral zu einer kristallartigen Struktur. Beides führt dazu, dass die Lücken im Beton wieder aufgefüllt werden. Der Baustoff heilt sich also selbst.
Für die heutige Bauindustrie eine unglaubliche Entdeckung: Die weltweite Betonherstellung macht schließlich rund acht Prozent der globalen CO2-Emissionen aus. Würde man die Mischung des Materials nach alt-römischem Vorbild anpassen, könnten wir durch die Verwendung von weniger und widerstandsfähigerem Material unzählige Tonnen CO2 sparen. Denn die Römer:innen schafften es außerdem, ihren Beton mit viel weniger Hitze herzustellen, als wir für unsere heutige Variante benötigen, nämlich mit 900 statt der heute üblichen bis zu 1.450 Grad Celsius. Das römische Backrezept ließe uns also auch energieeffizienter werden. Den Autor:innen der Studie zufolge könne man den antiken Originalbeton zwar nicht für jede Art von modernem Gebäude verwenden, er könne aber als Inspiration dienen, um einen neuen nachhaltigeren Beton auf Basis des römischen zu schaffen.
Auch nicht-westliche Hochkulturen bieten haufenweise Inspirationen für nachhaltigere Architektur: Ingenieur:innen untersuchen derzeit angesichts der Erderhitzung zum Beispiel die Bautechnik uralter persischer und ägyptischer Bâdgir-Türme. Deren kunstvolle Öffnungen fangen den Wind ein und leiten ihn durch mehrere Kanäle ins Innere. Dadurch können Gebäude ohne künstlichen Energieaufwand gekühlt werden.
Einen ähnlichen Zweck erfüllen auch die sternförmigen Muster von Jaali-Gittern, die aus Zentral- und Südasien stammen. Aus Marmor oder Sandstein in wunderschöne Ornament-Muster geschnitten, wurden Jaali zum Beispiel auch im berühmten Taj-Mahal-Mausoleum in Indien verbaut. Die Gitter lassen die Luft im Mausoleum zirkulieren und schützen es vor Sonnenlicht. Immer mehr Architekt:innen bauen moderne Gebäude nach diesem Vorbild mit perforierter Fassade: zum Beispiel das französische Hotel Nakara oder der Wohnkomplex Times I-City in China.
Das Pantheon in Rom wurde im 2. Jahrhundert nach Christus erbaut.