Unser Drang nach Abkühlung erhitzt die Erde schneller. Oder wie Anuj Jain sagt: „Cooling the world is warming up the planet.“ Schon heute entfallen mehr als zehn Prozent des globalen Stromverbrauchs auf den Betrieb von Klimaanlagen und Ventilatoren zur Raumkühlung.
Anuj Jain wohnt in Singapur. Das Klima dort ist feucht-heiß und in der Innenstadt zeigt sich der sogenannte Hitzeinsel-Effekt wie in kaum einer anderen: Versiegelte Flächen und Gebäude speichern die Hitze des Tages; hinzu kommt die Abwärme von Autos, Klimaanlagen & Co. Auf der Suche nach Lösungen gründete Jain 2017 das Beratungsunternehmen BioSEA. Zusammen mit Architekt:innen, Stadtplaner:innen, Forschenden und Gemeinden will er die bebaute Umgebung grüner machen. Inspiration holt er sich im Tierreich. Wie sich einige Überlebensstrategien aus der Natur auf die Architektur übertragen lassen, hat sein Team 2023 im Bericht „Biomimicry for Tropical Building Skins“ festgehalten. Teil davon ist der Elefant.
Elefanten schwitzen nicht
Die Dickhäuter leben in (sub)tropischen Klimazonen. In Afrika erheben sich ihre grauen Leiber wie staubtrockene Felsen aus der flachen Savanne. Egal wie heiß die Sonne vom Himmel starrt, ein Elefant schwitzt nicht. Sein Geheimnis: Falten. Anstatt tote Hautzellen zu verlieren, lagern sie sich auf der lebendigen Haut ab. Die Schicht wird Jahr für Jahr dicker, bis sie durch die Belastung beim Biegen Risse bekommt. Es entstehen große Furchen und Beulen, die die Haut beschatten und dafür sorgen, dass mehr Wasser aufgefangen wird, bis zu zehnmal mehr als auf einer flachen Oberfläche. Sickert die Feuchtigkeit nicht durch die Risse in den Körper, verdunstet sie und kühlt dabei die Umgebungsluft.
Beulen als Klimaanlage
Jains Team ist dabei, eine Art Elefantenhaut für Häuser zu entwickeln. Sie soll die zur Sonne gewandten Fassaden isolieren. Erste Prototypen sehen aus wie Fliesen mit kleinen Beulen und sind 10 bis 20 Zentimeter groß. Durch die holprige Struktur entsteht mehr Oberfläche, die die Hitze der Sonne vom Gebäudeinneren fernhalten kann. Genau wie beim Elefanten sammelt sich in den Rissen Wasser und verdunstet, was einen kühlenden Effekt hat. Entscheidender aber ist die Selbstbeschattung, so Anuj Jain. „Die Unebenheiten sorgen für kühlere Stellen auf der Oberfläche.“ Dadurch verändert sich die Luftbewegung und weniger Wärme strömt über die Rückseite der Fliesen, hinein in den Wohnraum. „Das senkt den Stromverbrauch für Klimaanlagen um 20 Prozent“, schätzt er.
Prototypen aus Myzel (Pilzfäden) kleben schon an einem Gebäude der Technischen Universität Nanyang in Singapur. Ein anderer Feldversuch startet dieses Jahr in der trocken-heißen Region Rajasthan in Indien – gleiches…
Elefantenhaut wird mit den Jahren immer dicker und bekommt Risse.